Die farb- und geruchlose Spirituose hat eine erstaunliche Karriere hingelegt und zählt heute zu den beliebtesten alkoholischen Getränken.

Die farb- und geruchlose Spirituose hat eine erstaunliche Karriere hingelegt und zählt heute zu den beliebtesten alkoholischen Getränken.
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Wie Wodka vom Auswanderer zum Weltstar wurde

Er ist ein Evergreen an der Bar und Bestandteil unzähliger Cocktails, dennoch scheiden sich die Geister an ihm – manche finden ihn langweilig, andere großartig. Berühmt geworden für seine Geschmacksneutralität, bemüht er sich heute wieder um mehr Charakter.

Wodka hat schon allerhand erlebt: Am Anfang stand die Emigration – Unruhen in der Heimat sorgten dafür, dass es die klare Spirituose nach Übersee verschlug, wo sie große Bekanntheit erlangte. Es folgte eine wilde Party- und Club-Phase. Hernach wurde es ruhiger um den Wodka, er wich geschmackvolleren Sipping-Spirituosen wie Rum und Whisky. In den letzten Jahren gelang ihm jedoch ein bemerkenswerter Aufstieg ins Premium-Segment.

Hätte er das geahnt: Wladimir Smirnow legte den Grundstein für den Welterfolg der Marke Smirnoff.
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Hätte er das geahnt: Wladimir Smirnow legte den Grundstein für den Welterfolg der Marke Smirnoff.

Doch von vorn. Wodka war und ist das Nationalgetränk der Polen und Russen – beide beanspruchen für sich die Urheberschaft des Wässerchens. Wer recht hat, lässt sich nicht mehr klären. Urkundliche Erwähnungen polnischen Ursprungs reichen bis ins 15. Jahrhundert zurück. Immerhin zeichnen beide für den Namen verantwortlich, der sich vom Slawischen »woda« = Wasser herleitet. Wodka ist die Verniedlichung und so lautet die Übersetzung »Wässerchen«. Traditionell trinkt man das Wässerchen während der Mahlzeiten pur und bei Zimmertemperatur, in Gläsern, die ca. 0,1 Liter fassen. Dazu werden in geselliger Runde Speisen genossen – das können Frikadellen, Brot, Kartoffeln, Gewürzgurken und Silberzwiebeln sein. Dass diese bodenständige Spirituose weltberühmt wurde, hat mit der Oktoberrevolution 1917 zu tun: Wie viele Wodkaproduzenten musste auch die Familie von Wladimir Smirnow das Land verlassen und ihre Brennerei in Moskau aufgeben. Sie verlagerte ihre Geschäfte unter anderem nach Paris und verkaufte 1934 die Produktionslizenz für die USA an Rudolph Kunett, ihren ehemaligen Getreidelieferanten. In den USA wurde Smirnow zu Smirnoff – dennoch hatte die weiße Spirituose zunächst Startschwierigkeiten im Land des Bourbons und Ryes. Erst eine Marketingkampagne, die Wodka als »den weißen Whisky« positionierte, der ohne Geschmack und Geruch auskam, zeigte Erfolg.

Die Destillation ist das Herzstück der Produktion – ein mehrstufiger Prozess, der auf die Vergärung folgt. Anschließend wird das Destillat mit Wasser auf Trinkstärke gebracht.
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Die Destillation ist das Herzstück der Produktion – ein mehrstufiger Prozess, der auf die Vergärung folgt. Anschließend wird das Destillat mit Wasser auf Trinkstärke gebracht.

Western Style vs. Eastern Style

War Wodka ursprünglich eine schwere Spirituose von nahezu öliger Konsistenz sowie kräftig-aromatisch im Geschmack, wurde Smirnoff für den amerikanischen Gaumen nun mehrfach destilliert und gefiltert, sodass kaum sensorische Merkmale übrigblieben. Es war die Geburtsstunde des »Western Styles«: Hochreiner Wodka, der ohne Fuselstoffe und -öle daherkam, dafür leicht und mild im Geschmack war. Er versprach einen nahezu katerfreien Rausch – dieser Wodka gefiel den Amerikanern.

In den 1950er-Jahren erlebte Smirnoff einen wahren Boom als Bestandteil des Drinks »Smirnoff Mule«, später als »Moscow Mule« bekannt: Wodka auf Eis, aufgefüllt mit Ginger Beer, dazu ein Spritzer Limette. Das Getränk war auch deshalb so beliebt, weil der Wodka in Kombination mit dem süßen Filler kaum auffiel. Erst am Rausch merkte man den Alkohol. Hier zeigte sich eine Kernkompetenz des Wodkas: seine Unauffälligkeit, die jedoch große Wirkung hatte.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts prägten die Western-Style-Wodkas das Bild der Bars in Nordamerika und Europa. Bis in die 80er und 90er bestimmten Drinks à la Moscow Mule, Bloody Mary, Wodka-Martini und später Wodka-Tonic, Wodka-Lemon und Co. das Tresengeschehen. Um die Jahrtausendwende gesellte sich der Partydrink der Techno-Szene hinzu: Wodka-Red-Bull. Er trug dazu bei, dass das Image des Wodkas sich wandelte – er war im Mainstream angekommen, in den Clubs und Discos dieser Welt, und avancierte zum nimmermüden Treiber des Nachtlebens.

Doch zu jeder Bewegung gibt es eine Gegenbewegung: Ungefähr zur gleichen Zeit, Ende der 90er, befand der Amerikaner Sidney Frank, ein erfolgreicher Unternehmer und Spirituosenkenner, dass die führenden Wodkas ohne Charakter wären, obendrein vermisste er handwerkliche Qualität. Er wandte sich an den Franzosen François Thibault. Der Blendmeister aus Cognac sollte eine hochwertige Spirituose für das Premium-Segment kreieren. Thibault machte sich ans Werk, verknüpfte traditionelle Handwerkskunst mit einer modernen Perspektive. Für seinen Wodka kam nur die höchste Weizenkategorie »Blé Panifiable Supérieur« aus der Picardie in Frage, die auch französische Konditoren und Köche benutzen. Es gelang ihm, den speziellen Charakter des Weizens einzufangen, was sich in einer Milde und Süße äußerte, die an Mandelgebäck erinnert. 1997 wurde Grey Goose der Öffentlichkeit vorgestellt. Vier Jahre später gewann er die Auszeichnung »World’s Best Tasting Vodka«. Der Beginn einer neuen Ära.

Für die neue Generation an Craft-Wodkas kommen alte Getreidesorten mit klangvollen Namen wie »Norddeutscher Champagnerroggen« zum Einsatz.
© Koskenkorva/Denise Wallimann
Für die neue Generation an Craft-Wodkas kommen alte Getreidesorten mit klangvollen Namen wie »Norddeutscher Champagnerroggen« zum Einsatz.

Nächste Station: Kult

Endgültigen Kultstatus erlangte Wodka durch (gar nicht mal so unscheinbare) Nebenrollen in Filmen wie »The Big ­Lebowski« mit dem Drink White ­Russian, durch die James-Bond-Reihe, in der fleißig Wodka-Martini getrunken wird, sowie durch »Sex and The City« mit dem Lieblingscocktail der vier Singlefrauen, dem Cosmopolitan. Diese Leinwandgeschichten waren stilbildend und schufen ikonische Wodka-Cocktails, die die Nachfrage stetig aufrecht hielten und dem Wässerchen einen gewissen Glamour-Faktor bescherten. Das setzt sich bis in die Gegenwart fort, wenn etwa Oscarpreisträger Taika Waititi einen Werbespot für Belvedere Vodka dreht – mit niemand Geringerem als Daniel Craig kurz nach seinem Abschied von 007. In dem kurzen Clip tanzt der sonst so männliche Craig lasziv durch Hotelflure, ganz un-Bond-mäßig im Unterhemd, und genehmigt sich am Ende einen Wodka on the Rocks – keinen geschüttelten Martini. Ein augenzwinkerndes Spiel mit den Klischees, das Belvedere, zum Luxuskonzern LVMH Moët Hennessy – Louis Vuitton gehörend, viel Aufmerksamkeit bescherte.

IKONISCHE HOLLYWOOD-COCKTAILS

Heute ist Wodka im Baralltag nicht wegzudenken. Er eignet sich ideal, um den Geschmack einer Spirituose zu verstärken, wie etwa den Wermut im Martini. Oder für Infusionen. Constanze Lay, Inhaberin der Bar »The Rabbithole« in Hamburg, nutzt das Wässerchen, um Infusionen mit Limettenblättern oder Kaffee herzustellen, für einen Thai Collins bzw. Espresso Martini. Die Nachfrage nach Letzterem steigt derzeit rasant. Lay hat auch einen Verdacht, woher das kommt: »Erst haben wir uns gewundert – eigentlich war der Espresso Martini um 2010 populär. Augenblicklich erfährt er jedoch durch ›And Just Like That‹ (die Fortsetzung des Serienhits ›Sex and the City‹, Anm. der Red.) einen wahren Schub. Bei uns an der Bar ist er jedenfalls der Renner.« Und so schreibt sich die Erfolgsgeschichte des Wodkas fort.

FÜNF WODKA-TRENDS DER ZUKUNFT

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Erschienen in
Spirits Special 2023

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Telse Prahl
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