Die »ölige« Vielfalt: Nach dem Vorbild der Piña Colada kommt bei Dominik Wolfs »Bananarama« Kokosöl zum Einsatz – auch das ist »Fat Washing«.

Die »ölige« Vielfalt: Nach dem Vorbild der Piña Colada kommt bei Dominik Wolfs »Bananarama« Kokosöl zum Einsatz – auch das ist »Fat Washing«.
© Adrian Almasan

Trend-Drinks: Wie »Fat Washing« die Barszene erobert

Wenn an der Bar buchstäblich »die Sau rausgelassen wird«, erhalten lang vertraute Cocktails ein ganz neues Geschmacksprofil, oder: Wie Bourbon mit Speck die Drink-Welt bereicherte.

Auf Fragen wie diese kommen nur Bartender: Wie kommt ein Schwein in den Drink? Mittlerweile ist es etwas über 15 Jahre her, dass sich der New Yorker Don Lee, damals im »Please Don’t Tell« tätig, darüber den Kopf zerbrach. Denn er wollte Ahornsirup und Bacon – zwei »einzigartige amerikanische Geschmackseindrücke« – in einen Cocktail übersetzen. Seine alkoholische Variante des US-Frühstücks bestand am Ende im Mischen von Frühstücksspeck und Whiskey. Was heute als Technik namens »Fat Washing« global bekannt ist, hat eine ganze Kategorie von Drinks geprägt. An ihrem Anfang stand 2007 aber eine Zutat, die Don Lee sich vom benachbarten Lokal des heutigen Küchenweltstars David ChangMomofuku«) im East Village besorgte.

Es war Speck aus der Räucherkammer Allan Bentons aus dem Osten Tennessees. Der mit Schweinefett als Geschmacksträger gemixte »Benton’s Old Fashioned« machte in New York in der Folge schnell die Runde: Als das »Please Don’t Tell« vier Jahre später zur weltbesten Bar gewählt wurde, war dieser Whiskey-Cocktail immer noch der meistverkaufte Drink auf der Karte. Und dank des »Benton’s Old Fashioned« kennen heute auch europäische Bourbon- Freunde den Namen eines Schweinefarmers aus den Südstaaten …

Rezept: Benton's Old Fashioned

Ein Gedicht aus Speck und Whiskey

Der im Nachhinein geniale Schachzug Lees bestand im Mischen von ausgelassenem Fett und speziellem Bourbon. Zwar lag dafür ein Whiskey aus Tennessee näher, doch Lee entschied sich für einen Bourbon mit hohem Roggen-Anteil. Dieser würzigere Typus ist wesentlich für die Balance des Drinks, denn der »Fat Wash« hat die Eigenschaft, Spirituosen aromatisch runder zu machen. Dank des Roggens bleibt aber dennoch genug Würze übrig, um die Süße von Bourbon und Ahornsirup auszutarieren. Oder, um Don Lee selbst zu zitieren: »Ein ›Old Fashioned‹ ist wie ein Haiku; die strenge Form hilft mir dabei herauszuarbeiten, was ich von dem Drink will«.

Optisch kaum von ­einem klassischen »Old Fashioned« zu unterscheiden, bringen das Mundgefühl und der Rauch-Ton die »fette« Überraschung mit.
© Lukas Ilgner
Optisch kaum von ­einem klassischen »Old Fashioned« zu unterscheiden, bringen das Mundgefühl und der Rauch-Ton die »fette« Überraschung mit.

Die angesprochene »Strenge« wurde auch bei anderen Cocktailklassikern mit Ölen geschmeidiger gemacht. Philipp Ernsts »Snickers Old Fashioned« gehört zu den beliebtesten Drinks der Wiener »Josef«-Bar und wird längst auch fertig in Flaschen abgefüllt. Den mit Kindheitserinnerungen angereicherten Erdnuss-Geschmack gibt hier tatsächlich der namensgebende Schokoriegel. Auf der anderen Seite des Geschmacksspektrums funktioniert das »Fettwaschen« aber ebenso. So servierte etwa der heute im Karlsbader Grand Hotel »Pupp« aktive Mixologe Vítezslav Cirok in der Prager Bar »L’Fleur« einen mit provençalischem Schafskäse infundierten Wermut. Mit Gin kombiniert, wurde der Geschmack des Thymian-satten Käses dann zu einem würzigen Highlight der Cocktailkarte, dem »L’Fromage Martini«.

Zwei Trends, ein Cocktail: Der nachhaltige und mit Kokosfett »gewaschene« Wettbewerbssieger-Drink »Bananarama« des Grazers Dominik Wolf.
© Adrian Almasan
Zwei Trends, ein Cocktail: Der nachhaltige und mit Kokosfett »gewaschene« Wettbewerbssieger-Drink »Bananarama« des Grazers Dominik Wolf.

Erdnussbutter und Käse trinken

Beim »Martini«, der in seiner würzigen Version mit Oliven-Lake (»Dirty Martini«) bereits eine Ölfrucht nutzt, ist eine solch »fettige« Erweiterung ohnehin besonders naheliegend. Daniel Hatzer hat im Leoganger Fünf-Sterne-Hotel »Krallerhof« anstelle der salzigen Lake aber dem geschmacksintensiven Öl der Olive den Vorzug gegeben. Der »Olive Oil Washed Dirty Martini« gibt dem altvertrauten Drink im Cocktail-Spitz einen verblüffenden Akzent: »Das Olivenöl verleiht dem Wodka ein geschmeidiges Mundgefühl«, beschreibt der Bar-Chef die Martini-Metamorphose jenseits der reinen Aromatik.

Rezept: Olive Oil Washed Dirty Martini

Sein Rezept aus der Hotelbar »Die Glocke« zeigt zudem, wie einfach das »Fettwaschen« auch in der Heim-Bar sein kann. Denn die Technik, egal ob mit Schweinefett, Erdnussbutter oder Kokosöl durchgeführt, nützt eine Eigenschaft, die man vermutlich noch aus dem Chemie-Unterricht kennt: Lipophobie oder die Tatsache, dass sich Fett nicht mit Wasser mischt. Mit Alkohol hingegen ändert sich diese Eigenschaft, Geschmack und Öligkeit gehen leicht auf die Spirituose über. Die Trennung wiederum erfolgt elegant über ein physikalisches Prinzip, basierend auf den unterschiedlichen Gefrierpunkten von Hochprozentigem und Öl. Im Kühlfach setzt sich das Fett ab, sein Geschmack verbleibt aber im Wodka oder Whisky der Wahl.

Ein Nebeneffekt von Daniel Hatzers Olivenöl-Einsatz im »Dry Martini«: Die alkoholische Kante des kräftigen Drinks wird gut abgeschliffen.
© Krallerhof
Ein Nebeneffekt von Daniel Hatzers Olivenöl-Einsatz im »Dry Martini«: Die alkoholische Kante des kräftigen Drinks wird gut abgeschliffen.

Aus der Pfanne in den Shaker

Für »schweinische« oder andere ölige Experimente daheim benötigt man lediglich einen breiteren Plastikbehälter, Fett und seine Lieblingsspirituose. Wer etwa den Geschmack einer »Piña Colada«, aber keine cremig-dicken Drinks mag, »wäscht« so seinen Rum mit Kokosfett. Eine Anregung dafür gibt der »Bananarama« des Grazers Dominik Wolf. Sein etwas komplizierterer Cocktail brachte dem »Viertel Vier«-Barmann heuer immerhin das Ticket zum globalen Wettbewerb »Artisans of Taste« in Venezuela ein.

Rezept: Bananarama

Das Rezept nützt anstelle der Ananas Banane und zeigt einen anderen Aspekt des Fat Washings auf. Denn die Verwendung von Fettresten aus der Küche stellt auch ein Beispiel für Nachhaltigkeit dar, die heute ein großes Thema hinterm Tresen geworden ist. »Das bei der Infusion übrig gebliebene Öl wird als Bananen-Gitter zu einem Teil der Garnitur«, erklärt Wolf, der für seinen Cocktail sämtliche Teile der gelben Frucht – inklusive Schale – verwertet. Cocktail trinken und gleichzeitig dem Planeten helfen? Das ist allerdings in der Tat »echt fett«!


 

Erschienen in
Falstaff Nr. 01/2023

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Roland Graf
Autor
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