Château Haut-Bailly Pessac-Léognan in Bordeaux.

Château Haut-Bailly Pessac-Léognan in Bordeaux.
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Château Haut-Bailly in der Vertikale: Magnum mag man eben...

Samtig, elegant und einladend, der rote Château Haut-Bailly zählt zu den besten Gewächsen aus Pessac-Léognan in Bordeaux. Falstaff war bei einer denkwürdigen Verkostung von Weinen der letzten 25 Jahre am Weingut dabei – eine einzigartige Erfahrung, die Falstaff nur zu gerne mit den Lesern teilen möchte.

Château Haut-Bailly zählte bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu den geschätzten Gewächsen aus Bordeaux und wurde in einem Atemzug mit den Premiers Grands Crus aus dem Médoc genannt. Das Prädikat »herausragend« ist im Zusammenhang mit der Qualität dieses Weines aus Pessac-Léognan, gelegen vor den Toren der Stadt Bordeaux, die am häufigsten verwendete Bezeichnung. Das Schloss steht auf einer der höchsten Erhebungen der Region inmitten eines einzigen Weingarten-Blocks, der 30 Hektar umfasst und das nun bereits seit über 400 Jahre lang. Auf sandig-schottrigen Böden wachsen hier zu 60% Cabernet Sauvignon-Reben, dazu kommen 34% Merlot und jeweils 3% mit Petit-Verdot und Cabernet Franc, gut ein Viertel der Stöcke ist hundert Jahre alt. Eine Besonderheit: als einziger Grand Cru Classé in Pessac-Léognan bietet Haut-Bailly keinen Weißwein an. Die durchschnittliche Jahresproduktion beträgt etwa 80.000 Flaschen.

Ende 2020 wurde die neben dem Schloss errichtetet neue Kellerei in Betrieb genommen, die vollständig begrünt und in die Landschaft integriert ist. Dieser Neubau wurde geplant, um auf die Herausforderungen des Klimawandels optimal reagieren zu können. Von Kalträumen über eine Vielzahl von unterschiedlichen temperaturgesteuerten Fassvolumina, die ermöglichen, jede Teilparzelle separat zu vinifizieren bis zu einem unterirdischen Reifekeller stehen Kellermeister Gabriel Vialard nun die besten technischen Möglichkeiten zur Verfügung, um dieses einzigartige Terroir auf die Flaschen zu bringen.

Werfen wir einen Blick auf die wechselhafte Geschichte von Haut-Bailly: Um 1630 hat der Pariser Bankier Firmin Le Bailly den Weinberg von einer baskischen Familie erworben, auf diesen Besitzer bezieht sich der Name des Gewächses. In der frühen Klassifikation durch Willam Franck, die 1845 erfolgte, wird die Qualität von Haut-Bailly bereits honoriert, 1872 erwarb der bekannte Vitikulturist Alcide de Bellot das Anwesen und verschaffte dem Wein ein weit über die Grenzen des Bordeaux hinausreichendes Ansehen. Die Reblaus setzte diesem ersten Höhenflug – der 1878er galt als bester Wein des Jahrgangs – ein unerfreuliches Ende, spätere Besitzer haben zum Ruhm des Weingutes weniger beigetragen. Die echte Wende setzte erst mit dem Verkauf an den belgischen Weinhändler Daniel Sanders im Jahr 1955 ein, der Qualität und Ruf von Haut-Bailly neu erstrahlen ließ. Obwohl Sanders für seine akribische Kontrolle bekannt war, kam es gegen Ende von Sanders' Leben in den 1970er Jahren zu einem spürbaren Qualitätsverlust. Nicht zuletzt, weil er zögerte, das Management in die Hände seines Sohnes Jean zu legen, der erst nach Ableben des Vaters 1980 beginnen konnte, wieder neu durchzustarten. Er holte sich Unterstützung in Person des legendären Önologen Émile Peynaud und legte damit die Basis für die nachhaltige Renaissance dieses begnadeten Terroirs.

1998 kaufte der 2017 verstorbene amerikanische Bankier Robert G. Wilmers das Weingut, bis heute ist die Familie Eigentümerin von Haut-Bailly. Um den Erfolgskurs des Gutes weiter zu bestreiten, übertrug Wilmers die Leitung Véronique Sanders, der Enkeltochter von Daniel Sanders – ein absoluter Glücksgriff, wie man heute nach 25 Jahren ihres Wirkens mit Leichtigkeit feststellen darf. Véronique ist längst zum charmanten Gesicht von Haut-Bailly auf der internationalen Bühne geworden, wo sie nicht selten an der Seite ihres Ehemanns Alexander Van Beek zu treffen ist, der seinerseits als bekannte Château Giscours leitet. Schon wegen ihrer Familiengeschichte ist es für Véronique eine Herzensangelegenheit, hier den bestmöglichen Wein entstehen zu lassen, und dafür wird von einem engagierten Team beginnend vom Weingarten bis zum Keller alles getan. Als önologischer Berater fungiert heute Axel Marchal vom Institut für Reben und Weinbau in Bordeaux und trat damit in die Fußstapfen von Größen wie Émile Peynaud, Pascal Ribéreau-Gayon und Denis Dubordieu.

Aus Anlass des 25-jährigen Jubiläums als Präsidentin und General Manager von Château Haut-Bailly lud Véronique Sanders eine kleine Expertengruppe nach Bordeaux ein, um mit ihnen gemeinsam eine Vertikalprobe der Weine aus ihrer Verantwortungsperiode zu probieren. Beginnend mit Jahrgang 1998 wurden sämtliche 25 Jahrgänge aus Magnums verkostet, eine Probe, die laut Angabe des Weingutes so noch nie zuvor stattgefunden hat. Und diese einzigartige Verkostung wurde eine wahre Demonstration, was Haut-Bailly dem Weinfreund zu bieten hat. Dieser Rotwein verfügt über einen subtilen, stets harmonischen Stil, der Komplexität mit Finesse kombiniert, wo Stoffigkeit, Struktur und reife, tragende Tannine dominieren, und eine saftige Aromatik reinste Eleganz verspricht. Der große Anteil an alten Reben verleiht dem Haut-Bailly das gewisse Etwas, der körperreiche Wein besitzt neben Kraft immer auch eine sehr gute Frische.

Verkostungsnotizen

Das Fassmuster des jüngsten Jahrgangs, dem 25. unter der Leitung von Véronique Sanders wurde mit 97 Falstaff-Punkten bewertet.

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Château Haut-Bailly 2022

Tiefdunkles Rubingranat, violette Reflexe, dezente Ockerrandaufhellung. Zart nach kandierten Veilchen, Lakritze, dunkle Kirschfrucht, ein Hauch von Mandarinenzesten, ein Hauch von Kräuterwürze und Edelholz. Kraftvoll, elegant, reife Kirschen, feine Extraktsüße, ein Hauch von Schokolade, ausgewogen und lange anhaftend, sicheres Reifepotenzial.

(z. B. Wein&Co-Subskription, weinco.at oder finewineshop.com, 168 Euro)

Alle 24 Weine der legendären Magnum-Probe von 1998 bis 2021 finden sie hier.

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Peter Moser
Peter Moser
Wein-Chefredakteur Österreich
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