Imposant: der Barriquekeller bei Chateau Montrose in Saint-Estèphe lässt die Besucher staunen.

Imposant: der Barriquekeller bei Chateau Montrose in Saint-Estèphe lässt die Besucher staunen.
Foto beigestellt

Bordeaux Arrivage: Was kann der Jahrgang 2021?

Im Frühjahr 2024 kommen die meisten Weine des Bordeaux-Jahrgangs 2021 in die Regale der Weinhändler. Falstaff hat die Grands Vins und Zweitweine der klassifizierten Gewächse aus Médoc, Pessac-Léognan und Sauternes in gefülltem Zustand verkostet und neu bewertet.

Das Jahr 2021 reihte sich in Bordeaux nicht nahtlos in die Serie von Spitzenjahren ein, wie es 2020 und 2022 taten. Es war sogar dazu geeignet, den Winzern an der Gironde den Angstschweiß ins Gesicht zu treiben. Plus 25 Grad Anfang April, dann gleich der Schock: Mehrere Spätfrostnächte waren die Ouvertüre, dann folgten in den Monaten Juni und Juli sehr viel Regen und wenig Sonne während der Blüte, schließlich kam eine lange Dürreperiode.

Die Ernte startete spät – Ende September für Merlot, Cabernet Sauvignon startete eine Woche danach – alles unter Einhaltung der Covid-Schutzmaßnahmen. Der Altweibersommer rettete jenen das Ergebnis, die es sich leisten konnten, geduldig zu bleiben. 

Es war ein Jahr der Winzer und natürlich auch eine Frage des Terroirs. Diese Einschätzung hat sich auch bei den jüngsten Verkos­tungen der gefüllten Weine des Jahrgangs in aller Deutlichkeit bestätigt. Qualitativ kann 2021 nicht mit den Jahren 2018, 2019 und 2020 und schon gar nicht mit 2022 mithalten, 2017 wird allerdings übertroffen. Es ist dennoch ein gutes Jahr mit leichtfüßigeren, ausgewogenen und vor allem gut zugänglichen Weinen, welche die Zeit überbrücken helfen, bis die ganz großen Jahrgänge so weit sind.

ZUM GANZEN TASTING

Zugängliche Resultate

Die Erntebedingungen waren gut. Die Cabernet Sauvignons kamen reif in den Keller, die klassifizierten Weine am linken Ufer, die Gegenstand der ersten, großen Arrivage-Proben waren, zeigen sich frisch und balanciert, die Rotweine verfügen über runde Tannine, feine Fruchtnuancen, erstaunliche Säurefrische und vergleichsweise niedrige Alkoholwerte. Die Mehrheit der Weine präsentiert sich überraschend zugänglich, harmonisch und lebendig, einem frühen Genuss steht hier wenig im Weg. Im Moment noch etwas verschlossener zeigten sich die Weine aus dem Norden, so jene aus Saint-Estèphe, teilweise auch Pauillac. In Saint-Julien präsentierten sie sich bereits deutlich offener und gut antrinkbar in der Appellation Margaux. Sehr gut gelungen sind die Rotweine in Pessac-Léognan, die sich homogen und feinwürzig präsentieren. Die Weine verfügen aber auch über ein recht gutes Entwicklungspotenzial, man muss sich also keine Sorgen machen, wenn man manche Flaschen zehn oder zwanzig Jahre liegen lassen möchte. Kurzum: Der Großteil der Weine kann sofort bei Auslieferung genossen werden.

Zweitweine? Eher nicht.

Etwas mehr Vorsicht ist diesmal bei den Zweitweinen geboten, wobei diese Anmerkung nicht auf alle Betriebe im gleichen Umfang zutrifft. Generell haben die Weingüter in diesem Jahrgang einen sehr guten Job gemacht, sie haben rigoros jene Fässer ausselektiert, die dem Grand Vin nicht entsprachen. Genau aus diesem Grund wurden die Zweitweine erfunden, und überall dort, wo dies entsprechend beherzigt wurde, konnte man das den gefüllten Topweinen auch anmerken. Im Umkehrschluss bedeutet das aber, dass die Zweitweine oft etwas einfacher ausgefallen sind als in Jahren mit exzellentem Ausgangsmaterial.

Die Ausnahme bilden jene »Zweitweine«, die eigentlich eher ein zweiter Wein der führenden Betriebe sind. Von den nun gefüllt verkosteten Weinen waren die Zweitweine von Château Lafite-Rothschild, Haut-Brion, Margaux und Latour mit 93 Punkten die bestbewerteten, dies sind in der Regel aber Weine von eigenen Parzellen oder Junganlagen, die extra vinifiziert werden und nur im geringen Umfang Selektionsweine beinhalten. Wenn es schon ein Zweitwein in Rot sein soll, dann am besten die Réserve de Comtesse 2021, der Zweitwein von Pichon-Comtesse, den man noch unter 50 Euro ergattern kann. Ausnahmen bilden dazu noch einige gelungene Weißweine wie der Le Petit Smith Haut Lafitte Blanc oder La Croix de Carbonnieux aus dem ­Pessac-Léognan, letzterer ist schon zum Preis von etwa 25 Euro zu finden.

Bei den Süßweinen wirkte sich der Frost sehr stark auf die Ernte­menge aus, einige Betriebe verloren bereits in der frühen Phase vom 6. bis 8. April bis zu 100 Prozent ihrer Weinlese. Nach 1961 und 1991 stellte sich – pünktlich nach immer 30 Jahren – auch 2021 diese besondere Konstellation ein. Die Betriebe mit den besten Lagen konnten hingegen bis zur Hälfte einer Normalernte einfahren, die wenigen Süßweine weisen dafür eine sehr hohe Qualität auf. Von den 27 im Jahr 1855 klassifizierten Süßweingütern in Sauternes und Barsac – ihre Rebflächen bedecken rund 50 Prozent der gesamten Appellation – werden diesmal allerdings nur 14 Betriebe einen süßen Grand Vin auf den Markt bringen, was diesen süßen Jahrgang schon von Haus aus zu einer Rarität macht. Einmal mehr eine Klasse für sich ist der Château d’Yquem, ebenso qualitätsvoll zeigen sich Rieussec und Suduiraut und das nicht klassifizierte de Fargues.

Nicht wirklich begeistern konnten die Vertreter der wachsenden Zahl an trockenen Weißweinen aus Sauternes, die in Ermangelung der Nachfrage nach Süßweinen zum einen und zum anderen bedingt durch die Klimaänderung in Zukunft immer mehr anwachsen dürfte. Ganz anders das Ergebnis bei den weißen Weinen aus Pessac-Léognan, denen die Bedingungen in 2021 ganz offensichtlich sehr entgegen­gekommen sind. Top sind die trockenen Weißen aus der Haut-Brion-Familie, der exzellente Smith Haut-Lafitte ist hier absolut auf Augenhöhe, der weiße Domaine de Chevalier konkurriert mit dem La Mission Haut-Brion Blanc.

Weißes Médoc

Immer mehr klassifizierte Betriebe vom linken Ufer stellen – in kleinerer Menge – auch Weißweine her. Darunter befinden sich im Jahrgang 2021 einige besonders gut gelungene Exemplare. Sicher zählen diese Raritäten aus dem Médoc nicht gerade zu den ausgesprochenen Schnäppchen, an ihrer individuellen Qualität lässt sich aber nur schwer rütteln.

Köstlich ist etwa Mouton-Rothschilds Aile d’Argent aus Sauvignon Blanc, Sémillon und Sauvignon Gris, präzise und fein der Pavillon Blanc von Château Margaux aus purem Sauvignon Blanc, rauchig-mineralisch der Cos d’Estournel Blanc (mehr als zwei Drittel Sauvignon Blanc, Rest Sémillon). Ganz neu ist der Le Blanc de Duhart-Milon aus der Lafite-Gruppe, der aus 82 Prozent Sémillon, 17 Prozent Sauvignon Blanc und einem Prozent Sauvignon Gros komponiert ist. Der ultrarare Vin Blanc de Palmer ist hingegen eine Cuvée aus Muscadelle, Sauvignon Gris und der uralten Sorte Loset. Diese Weine aus dem Jahrgang 2021 sind durchaus einen Versuch wert.

Fazit: Der Jahrgang 2021 war zwar En Primeur bei manchen Weinen gefühlt eine Spur zu hochpreisig, jetzt weiß man es besser, und kann bei der Ankunft der Weine im Handel zielgerichtet das kaufen, was man für angemessen hält. Und Spaß machen die Weine mit ihrer Frische allemal.


Nichts mehr verpassen!

Melden Sie sich jetzt für unseren Newsletter an.

Erschienen in
Falstaff Nr. 02/2024

Zum Magazin

Peter Moser
Peter Moser
Wein-Chefredakteur Österreich
Mehr zum Thema