Schnitzel Holstein.

Schnitzel Holstein.
© Stine Christiansen, Johannes Kernmayer

Cortis Küchenzettel: Schnitzel ist Welt

Natürlich ist unser Wiener Schnitzel bis in alle Ewigkeit die eigentlich wahre und einzig mögliche Variante des Wiener Schnitzels. Eben deshalb dürfen wir uns ohne Scheu ansehen, was sie anderswo daraus machen.

Jeder aufrechte Wirt kann es bestätigen: Wiener Schnitzel ist nicht nur ein sicherer Umsatzgenerator, sondern längst so etwas wie das quintessenzielle Wirtshausessen überhaupt. Zu Hause tut sich kaum noch jemand die Patzerei an, die mit der Vorrichtung eines echten Wiener Schnitzels verbunden ist. Bei Schnitzelhunger geht der Österreicher ins Wirtshaus seines Vertrauens. Das kann, wie wir aus eigener Anschauung wissen, durchaus mehrmals die Woche vonnöten sein, manchmal sogar mehrmals am Tag.

Früher war das anders, da hat die Mutter sich am Sonntag traditionell zum Schnitzeln in die Küche verfügt, da wurde die Panierstraße mit Mehl, Ei und Bröseln gebaut, da kam der Schmalztopf aus der Speis und es klopfte und duftete verheißungsvoll aus der heimatlichen Küche bis, endlich, die Schnitzeltorte aufgetragen wurde: Ein ganzer Berg, natürlich nicht ganz frisch aus der Pfanne (das ging sich am Haushaltsherd unmöglich aus), sondern im Rohr warmgehalten, aber um nichts weniger köstlich. Zumindest in der Erinnerung.

Irgendwie erscheinen auch die Wirtshausschnitzel vergangener Jahrzehnte in der Erinnerung köstlicher als jene, die einem heute vorgesetzt werden. Könnte daran liegen, dass Schweine- oder, ersatzweise, Butterschmalz heute kaum noch als Backfett herangezogen werden. Oder daran, dass die Milchkälber früher mehr Milch zu trinken bekommen haben als heute. Es könnte aber auch Einbildung sein: Man wird ja nicht unbedingt erinnerungsfester mit dem Alter.

Was mit dem Alter aber deutlich zunimmt, ist die Offenheit für neue Erfahrungen. Als jugendlicher Schnitzelfreund will man nichts weniger, als sich mit Abweichungen von der reinen Wiener Lehre des echten Schnitzels zu beschäftigen – im Gegenteil, man ist ja noch ganz damit beschäftigt, das definitiv beste Schnitzel von überhaupt auszukundschaften.

Im Alter hingegen kommt irgendwann der Moment, da man draufkommt, dass auch andere Länder eherne Schnitzel-­Traditionen verwalten. Das französische Cordon bleu, im original aber mit Koch-, nicht wie bei uns mit Rauchschinken gefüllt, zählt nur bedingt dazu, das haben wir längst eingemeindet, sodass seine Beliebtheit in Österreich jene im Ursprungsland längst deutlich übertrifft.

Schnitzel Holstein ist eine andere Schnitzel-Abart mit großer Tradition, allerdings eine von hohem kulinarischem Grad. Einst auch in Wiener Restaurants der bürgerlichen Art gang und gäbe, findet sich dieses mit Spiegelei, Sardellen und Kapern garnierte Schnitzel heute fast nur noch in London, Paris oder New York auf den Speisekarten ehrwürdiger Grills und Brasserien.

Das ist ein bisschen schade, gerade die Kombination aus Sardellen und Kapern hat in der Wiener Küche große Tradition, vom Sardellenbrot im Kaffeehaus über das Kalbsbeuschel bis zum klassischen Maschinrostbraten, den es (hallo, Wirtshäuser!) mittlerweile auch kaum noch wo gibt.

Das Schnitzel gewinnt mit Sardellen und Kapern als Garnitur jedenfalls deutlich an Statur. Natürlich: Als molliges Schnitzerl, als Kinderessen par excellence geht es so nicht mehr durch. Für Genießer mit fort­geschrittenem Gaumen hingegen gilt:
Ausprobieren. Und im Idealfall im Stammwirtshaus gleich auf die Karte reklamieren!

ZUM REZEPT: SCHNITZEL HOLSTEIN


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Erschienen in
Falstaff Nr. 01/2024

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Severin Corti
Severin Corti
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