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Der Wintersport und die Zukunft des Skifahrens auf Messers Schneide?

Kann man in Zeiten des omnipräsenten Klimawandels noch guten Gewissens Skifahren gehen? Und wie gehen Seilbahner und Tourismusverbände mit der Situation um? Falstaff hat sich auf die Suche nach Antworten bei den Verantwortlichen gemacht.

Mit dem Klimawandel auf der einen und den Mühen auf der anderen Seite, die es heutzutage benötigt, um ein Wintersportgebiet jede Saison auf die vielen Ski- und Snowboardwütigen vorzubereiten, stellt sich zunehmend die Frage nach dem guten Gewissen beim Wintersport.

Wir müssen davon ausgehen, dass nicht nur im alpinen Raum die Gletscher in den nächsten 30 bis 50 Jahren auf Reste zurückschmelzen.
Norbert Karlsböck, ehem. Vorstandsdirektor der Gletscherbahnen Kaprun

Schneebänder, Skiunfälle und wenig Niederschlag

Weiße Schneebänder auf Österreichs Talabfahrten, schwere Skiunfälle und wenig Niederschlag rückten auch in der abgelaufenen Wintersaison den Tourismus mehrmals ins mediale Rampenlicht. Österreichs Seilbahner zeigten sich bei der Seilbahntagung in Innsbruck am Rande der Interalpin-Messe im vergangenen April mit 47,3 Mio. Ersteintritten aber zufrieden.

Im Stromfresser-Eck

Man möchte die Branche einmal mehr nicht in das Stromfresser-Eck gestellt wissen. Immerhin mache der Wintersport nur 0,3 Prozent des österreichischen Gesamtenergieverbrauchs aus, der Energieverbrauch der Beschneiungsanlagen habe sich innerhalb einer Generation halbiert bzw. gedrittelt.

Falstaff hat sich mit Norbert Karlsböck, dem ehemaligen Vorstandsdirektor der Gletscherbahnen Kaprun zusammengesetzt, um über Klimawandel, Anpassungsstrategien, nachhaltigen Wintersport und die Zukunft des Wintersports zu sprechen.

Falstaff: Wie sehen Sie die Zukunft des Skifahrens? Und würden Sie sich ein Urteil über die nächsten Jahre erlauben und gedanklich ein Bild zeichnen?

Norbert Karlsböck: Also ich denke, dass die Zukunft des Sports noch lange Zeit gesichert sein wird. Natürlich stehen wir in großen Veränderungsprozess und jeder Veränderungsprozess ermöglicht natürlich auch Anpassungsstrategien, vor allem im Wintersport. Ob diese Anpassungsstrategien ankommen, sind individuell für jedes Skigebiet zu betrachten. Es gibt verschiedene Höhenlagen und die Höhenlagen werden natürlich in der Wertigkeit sehr, sehr spannend in Zukunft werden, weil mit zunehmender Höhe die Wahrscheinlichkeit, dass Niederschlag in Form von Schnee fällt, zunimmt. Wir haben in der Vergangenheit in den letzten 50 Jahren oder 100 Jahren immer Winter auch gehabt, mit wenig Schnee oder keinem.

Zudem kommt natürlich, dass auch die technischen Hilfsmittel deutlich verbessert wurden. Die künstliche Beschneiung wird zunehmend ausgefeilter mit deutlich weniger Energieaufwand und hoher Effizienz. Wir gehen nicht davon aus, dass in den nächsten 50 Jahren der Schneefall auch in großen Höhen beendet wird. Und da gehen auch die Forscher nicht von aus. Der Winter wird immer wieder Schnee bringen.

Wir haben die Betriebe in den Vorjahren immer im Juli eingestellt, aber wir wollen uns am Gletscher auch Ruhe gönnen, damit man im Herbst auch Mitte Oktober wieder die Möglichkeiten eröffnet. Wir müssen davon ausgehen, dass nicht nur im alpinen Raum die Gletscher in den nächsten 30 bis 50 Jahren auch auf Reste zurückschmelzen.

Meine persönliche Meinung ist aber auch, dass in Zeiten, in zukünftigen Jahrzehnten, wo es weniger Schnee gibt, die Begehrlichkeit nach Schnee und Skisport zunehmen wird. Das ist eine alte Regel, die überall anzuwenden ist. Und vor allen Dingen gehe ich davon aus, dass in Zukunft der Anteil der Nicht-Skifahrer durchaus steigen wird im Verhältnis zu den skifahrenden Gästen, weil die Saisonen kürzer und weil wir unsere Anlagen natürlich durchaus für Gäste mit Mountainbikes oder mit Berg- oder Wanderbergschuhe gerne zur Verfügung stellen.

Welche Rolle spielen in der Zukunft gerade neue Investitionen im Kontext von Klimawandel und Nachhaltigkeit?

Ich gehe davon aus, dass der flächige Ausbau der Skigebiete eigentlich abgeschlossen ist, also zumindest am Kitzsteinhorn. Ich kann jetzt nur für Stillstand sprechen. Unser Credo ist, mit der Fläche in die Zukunft zu gehen, die wir jetzt nutzen dürfen. Wir haben keine Ausbauüberlegungen. Wenn wir investieren, dann wollen wir nicht in die Quantität investieren, sondern in alle Qualitätsstufen. Und so ist die höchste Qualitätsstufe aus unserer Sicht tatsächlich das Thema Nachhaltigkeit und Eingriffsreduzierungen in den Naturraum.

Was können Snowboardfahrer oder Wintersportler in Zukunft tun, um dem Sport weiterhin ohne schlechtes Gewissen nachzugehen?

Ganz wesentlich: Investitionen in Qualität, nicht in Quantität. Investitionen in Nachhaltigkeit, die betreffen natürlich einerseits auch wirtschaftliche Nachhaltigkeit, aber auch ökologische Nachhaltigkeit und soziale Nachhaltigkeit, wenn es um die Lieferketten in der Region, den Menschen in der Region geht, diesen auch perspektivische Arbeitsplätze anzubieten. Damit bleibt auch die Region bevölkert. Das ist ein ganz großes Thema in den Gebirgsregionen. Wesentlich ist aber auch die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen im eigenen Bereich zu forcieren. Und CO2-Emittenten reduzieren.

Bei den Gletscherbahnen Kaprun beispielsweise stellen wir unsere Fahrzeugflotten um auf E-Mobilität und das ist für den Gast der Zukunft ein Thema – die Anreise. Wir werden relativ schnell die CO2-Neutralität im Skigebiet herstellen können. Wir sehen ja, dass immer mehr Gäste auch mit dem Elektroauto anreisen und bauen auch bei unseren Parkplätzen entsprechend die Elektro-Tankstellen aus.

Wir haben auch in Zell am See eine gute Schienenanbindung, wo wir auch schon aus Skandinavien, Niederlande oder Deutschland Sonderzüge in der Wintersaison angeboten hatten, wo man mit dem Zug auch CO2-neutral durchaus anreisen kann. Und diese Angebote kommen in Zukunft auch bei unseren Gästen, die sich durchwegs sehr für Nachhaltigkeit – das wissen wir – als Entscheidungskriterium an. Ich denke, die Gebiete, die das in Zukunft wirklich detailliert, umfassend betreiben und Schritt für Schritt sich verbessern, die werden die Gebiete sein, die von den Gästen auch angenommen werden.

Tausche Skischuhe gegen Wanderschuhe

In Anbetracht der aktuellen Herausforderungen, die der Klimawandel und die nachhaltige Entwicklung des Wintersports mit sich bringen, steht die Zukunft des Skifahrens zweifellos auf dem Prüfstand. Mit smarten Anpassungsstrategien und einem starken Fokus auf Nachhaltigkeit und Qualität hat der Wintersport zumindest mittelfristig eine Zukunft. Investitionen in umweltfreundliche Technologien und die Reduzierung von CO2-Emissionen werden dabei entscheidend sein, während Elektromobilität und CO2-Neutralität im Skigebiet bereits Schritte in die richtige Richtung sind. Für gewissenlosen Spaß seitens der Wintersportler wird die Bereitschaft, umweltbewusste Entscheidungen zu treffen so essenziell wie noch nie zuvor.

Und ist der letzte Gletscher abgeschmolzen, so bleibt den Gästen in den Bergen der Griff zu Mountainbike und Wanderschuhen in einer Natur, die mit mächtig Eigenverschulden seitens ihrer Bewohner zu diesem schneelosen Erscheinungsbild geformt wurde. Vielleicht ist es also jetzt schon an der Zeit, Skischuhe gegen Bergschuhe einzutauschen? Aktuell kann dem Spaß im Schnee noch gefrönt werden. Wie lange? Das weiß keiner so genau. Gewissenlos? Mitnichten.


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Ferdinand von Vopelius
Ferdinand von Vopelius
Portalmanager Österreich
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