Spirituosen und Cocktails in Pink zelebrieren sichtbar die Leichtigkeit des Seins – gerade auch in schwierigen Zeiten.

Spirituosen und Cocktails in Pink zelebrieren sichtbar die Leichtigkeit des Seins – gerade auch in schwierigen Zeiten.
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Gin, Wermuth & Co: Pink Spirits im Trend

Kindchen-Schema im Cocktailglas: Beerig-fruchtige Varianten bekannter Spirituosen – von Gin und Aquavit bis Wermut – sorgen in diesem Sommer für Farbe im Glas und sind ein Hit an der Bar.

Was folgt auf den durchschlagenden und weltweiten Erfolg von Gin an der Bar? In Grossbritannien, dem Mutterland der Spirituose, die heute die ganze Welt liebt, lautet die Antwort: Noch mehr Gin! Der treibt es heuer allerdings im wahrsten Sinne des Wortes bunt.

Rosa ist Trend

Um sagenhafte 200 Prozent legten im Vorjahr Pink Gins im Vereinigten Königreich zu. Das Wachstum wird so stark von den farbenprächtigen Destillaten getragen, dass die Unternehmensberatung CGA ihre Markt-Analyse mit «In the Pink: Big trends in the gin market» betitelte. Ein Ergebnis: Bereits jeder sechste neue Gin ist rosa.

Wo alles begann

Seinen Ausgang nahm der pastellfarbene Boom in Spanien, wo fruchtige Erdbeer-Gins wie Larios Rosé sich seit Längerem grosser Beliebtheit erfreuen. Mit 37,5 Volumsprozent sind diese Brände am unteren Limit der gesetzlichen Definition von Gin angesiedelt – Leichtigkeit signalisiert das Barbie-Rosa also durchaus zu Recht.

Spätestens 2017 nahmen auch die Brennereien Englands den mediterranen Trend auf: Gordon’s Premium Pink Gin war einer der Ersten, ihm folgte mit Beefeater Pink eine klassische Londoner Brennerei. Die Beigabe der farbgebenden Beeren erfolgt in der Regel nach der Destillation. Deshalb unterscheiden sich auch die Labels gegenüber den Standard-Abfüllungen; nachträgliche Eingriffe durch Aroma-geber oder Zucker verbietet das Gesetz für einen London Dry nämlich. Stattdessen steht dann etwa bei der pinkfarbenen Variante von Broker’s Distilled Gin am Etikett.

Von Malaysien bis Bayern

Wo wir gerade bei der Namensgebung sind: Bar-Kundige denken an die Kolonialzeit, wenn sie Pink Gin hören. Damals bezeichnete dieser Name – oder sein malaiisches Synonym Gin pahit – lange einen der intensivsten Cocktails.

Die britische Marine kombinierte ihre offizielle Hausmarke, den süsseren, aber 57-prozentigen Plymouth Gin, mit Angostura Bitter: Pro Unze Gin (= drei Zentiliter) reichte ein Spritzer. Die rosa Färbung begleitete damit einen Drink, der selbst einen Dry Martini wie ein Erfrischungsgetränk wirken liess: «Neige das Glas wie den Schiefen Turm von Pisa und dreh es zwischen Daumen und Zeigefinger: So viel Angostura am Glas haften bleibt, ist genau die richtige Menge.»

So beschreibt Charles H. Baker Jr. 1939 das perfekte Mischverhältnis in seinem Buch «Jigger, ­Beaker and Glass». Um die Verwirrung perfekt zu machen, gibt es auch diese Variante fertig abgefüllt: Bitter Truth im bayrischen Pullach etwa führt die Navy-Tradition mit ihrem Pink Gin fort. Mit dem auf den britischen Inseln Pinkers genannten Kraftpaket haben die heutigen beerigen Gins aber nur mehr den Namen gemein.

Goji-Beere, Rose und Rhabarber

Mittlerweile kommen auch regionale Zu­taten in die Brennblasen: Wilde Erdbeeren sind die Aromageber beim Mermaid Pink Gin von der Isle of Wight. Dem italienischen Malfy Gin geben sizilianische Grapefruits sowie Rhabarber Farbe und Geschmack. Der belgische Gin-Pionier Filliers wiederum nutzt die zu Superfood-Ehren gekommene Goji-Beere in seiner rosa Abfüllung.

Farbspektrum

Doch die verführerische Färbung verdankt sich der gleichen Stoffgruppe, die übersetzt Blumen-Blau heisst. Anthocyane sind für die Farbe von Rotwein, Hibiskus, Brombeeren oder Melanzani verantwortlich. Je nach Konzentration und Kombination der 250 bekannten Farbstoffe, die Namen wie Malvidin tragen, kommt es zu rosa, violetten oder blauschwarzen Blüten und Früchten. 

Blütenpracht in der Flasche

Den Ursprung der sommerlichen Farbe im Glas muss also nicht zwangsläufig eine Beere darstellen. Damaszener-Rosen, Hibiskus und Wildrosen aus Wicklow kommen beim Rose Gin der irischen Brennerei Glendalough zum Einsatz. «Das ist kein Pink Gin, sondern ein Rosen-Gin, der zufällig auch pink ist», betont Rowdy Rooney. «Es ist immer noch ein Gin, der vom Wacholder geführt wird», spricht der Destillateur die aromatische Gratwanderung eines Pink Gin an: Laut Spirituosen-Verordnung gilt ein vorherrschendes Wacholder-Aroma als Kennzeichen von Gin. An Fruchtkaugummi erinnernde Noten hingegen widersprächen diesem sensorischen Postulat.

Sommerlich-fruchtig

Im Brexit-Land kratzt derlei aber niemanden. Vor allem schliesst man mit niedrigerem Alkohol und Früchten an eine urbritische Tradition an – Stichwort: Pimm’s Cup mit Erdbeeren in Wimbledon. Doch auch anderswo kennt man eine Sommerversion der Nationalspirituose: Der nordische Aquavit fliesst zu Midsommar in Strömen. Und er wird mittlerweile über Kümmel und Dille hinaus aromatisiert. Die kleine Copenhagen Distillery etwa hat für ihren Mulberry Rose Felder und Hecken geplündert: Lindenblüten, Ringelblumen, Maulbeeren und Rosenblätter kommen bei Lasse Öznek in die Brennblase. 

Farbgebend für die pinkfarbenen Spirituosen sind oft Früchte wie Beeren, Grapefruit oder Rhabarber, aber auch Rosenblüten oder Hibiskus. 
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Farbgebend für die pinkfarbenen Spirituosen sind oft Früchte wie Beeren, Grapefruit oder Rhabarber, aber auch Rosenblüten oder Hibiskus. 

Auch Wermut trägt Pink

Die Trendfarbe Rosa regiert aber auch auf der Veranda von Wolfgang Maitz in der Südsteiermark. «Neben dem klassischen Wermut Rosé mit Eis und Orangenzesten bieten wir auch einen Negroni an», erzählt er. Der Weinbauer als Barmann? Das hat sich nicht nur in Ratsch an der Weinstrasse eingebürgert.

Winzer auf Abwegen

Etliche Winzer verschreiben sich dem Wermut-Machen. Ein Stück weiter in Gamlitz kooperiert Reinhard Muster mit Gin-Brenner Patrick Marchl (Rick Gin) für den Rosé-Wermut Motif. In Fehring hat Lisa Bauer die Walderdbeeren gleich in die Rebsorte «eingebaut» – ihr rosa Wermut für die Berliner Brenner-Plattform Freimeisterkollektiv basiert auf Uhudler, und die färbenden Anthocyane liefern auch die Trauben. Kommt das Rosa bei Maitz vom Zweigelt, der mit Weinbrand und Kräutern aromatisiert wird, ist es bei Belsazar Pinot Noir.

Die Brände zum «Aufspriten» steuert Phi­lipp Schladerer von der gleichnamigen Fruchtbrennerei bei, das Credo gibt Mit-Gründer Maximilian Wagner vor: «Ein ­Rosé-Wermut sollte schwach genug zum pur Trinken und kräftig genug für die Verwendung im Cocktail sein.»

Sommerliche Tönung, fruchtiger Genuss

Mit Tonic, Soda oder Sekt verlängert, reiht sich auch diese weinbasierte pinkfarbene Spirituose in den Reigen ein, den seiner­zeit Aperitif-Liköre wie Rinquinquin, Lillet Rosé oder Aperol eröffnet haben. Ungeachtet ihrer Provenienz gilt an der Bar die gleiche Behandlung, um daraus einen Sommerhit zu kreieren. Mixologisch stehen der Erhalt der Farbe ebenso wie die Leichtigkeit der Drinks im Vordergrund. Der rosa Kreis schliesst sich – im Cocktailglas.

Cocktail-Rezepte

Wir haben drei spritzige «Pink Drinks» für Sie zusammengestellt:

Erschienen in
Falstaff Nr. 04/2020

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Roland Graf
Autor
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