Wildes Treiben in der »Noma Küche«

Wildes Treiben in der »Noma Küche«
© Grabmer Johanna

»Noma« in Kyoto: wenn aus zwei Welten eine neue entsteht

Das »Noma«, das wohl berühmteste Fine-Dining Restaurant unserer Zeit, gastiert bis Ende Mai 2023 in Kyoto. Im Gespräch schwärmt René Redzepi von der besonderen Stimmung und der wertschätzenden Willkommenskultur.

Wie Falstaff im März berichtete hat das »Noma« in Kyoto eröffnet. Durch das lang ersehnte Pop Up, wird die ehemalige Kaiserstadt Japans nicht nur um ein kulinarisches Highlight reicher, sondern erhält auch 120 temporäre Einwohner:innen – das ist nämlich die Teamgröße, die aus Kopenhagen mitgekommen ist und nun für die Noma Experience in Kyoto sorgt.

Fünf Mal das beste Restaurant der Welt

Aber der Reihe nach: die Nachricht, dass das Noma mit seinem aktuellen Konzept in Kopenhagen schließt, hat für Aufsehen in der gastronomischen Welt gesorgt und so manchem Foodie wurde Angst und Bang, dass der Wallfahrtsort für die »Ocean«, »Forest & Game« und »Vegetable« Seasons abhandenkommen würde. Das »Noma« wurde fünfmal zum besten Restaurant der Welt gekürt (2010, 2011, 2012, 2014 und 2021), hat drei Michelin Sterne und ist bekannt für seine innovative und grenzüberschreitende Küche. In der Vergangenheit hat das »Noma« bereits in drei Städten Pop Ups eröffnet: Tokio (2015), Sydney (2016) und Tulum (2017). Mit Kyoto erfüllt sich René Redzepi nun einen Traum und erzählt im Gespräch, dass er sich in Kyoto viel wohler als in Tokyo fühlt und auch hier – wie in Kopenhagen – ins Restaurant radelt. Die wegweisenden Innovationen von René Redzepi sind ikonisch. Nur wenige Köche, wie zb. Paul Bocuse oder Ferran Adria, hatten global gesehen so einen Einfluss auf die gehobene Gastronomie.

Die »New Nordic Culinary Revolution« wird weltweit adaptiert: egal ob bei Gerichten, dem Plating (Anrichten eines Tellers), bei Serviceabläufen, im Design oder bei der Getränkekultur. Denn wer hätte sich gedacht, dass man Spitzenküche je lässig an Holztischen ohne Tischtuch serviert und das Serviceteam nicht in förmlicher Attire beim Gast erscheint.

Stairway to…

In Kyoto erwartet die Gäste nach zwei-jähriger Vorbereitungszeit ein Mash up aus Japan und Nordic Cuisine. Das »Noma« hat in Kyoto seinen Platz im »Ace Hotel« gefunden (vom japanischen Star-Architekt Kengo Kuma designed). Ein vibrierender Ort und Tempel für zeitgenössische Kreativität, Handwerkskunst einer neuen Generation - und dazu eine Prise amerikanischer Lifestyle. Das »Noma Kyoto«wurde von »OEO Studio« aus Kopenhagen - dem langjährigen Noma Innenarchitekten-Team -gestaltet.

Im »urban jungle«

Begrüßt wird man in der Lobby des »Ace« von Ali Sonko – ehemaliger Tellerwäscher und nunmehriger Geschäftspartner Redzepis - mit ansteckendem Lachen, viel Energie und Leidenschaft. Man ist angekommen. Die Treppe, die von der Lobby des Ace Hotel Kyoto zum Eingang des Restaurants im dritten Stock führt, ist mit Muscheln, Blättern und Steinen geschmückt. Durch einen rot-grünen traditionellen »noren« Vorhang des 101-jährigen japanischen Künstlers Samiru Yunoki geht es in einen einzigartigen, lichtdurchfluteten Raum, der von einem urbanen Jungle umgeben ist. Die Farbpalette spielt mit beiden Welten: dunklere Töne sind eher japanisch und die Erdtöne kommen aus Skandinavien und sind von dänischer Ästhetik inspiriert.

Die Noma Experience

Das  »Noma« eröffnete genau während der berühmten »Sakura Season«, die nicht nur das Land in eine Kirschblüten-Ekstase versetzt, sondern auch die Küche Japans zu dieser Zeit immens bereichert. Im persönlichen Gespräch schwärmt René Redzepi von der Stimmung zu dieser Jahreszeit, der wertschätzenden Willkommenskultur, die das Team in Kyoto erhält und welchen Boost diese Erfahrung ihm und seinem Team gibt.

Was in Kyoto auf den Teller kommt, ist das Beste aus zwei Welten. Das Menü hebt die reichen kulinarischen Traditionen Japans hervor und begegnet den einzigartigen Zutaten mit Wertschätzung. Das  »Noma« Team bedient sich an einem Netz aus zahlreichen Lieferanten und Partnern, die behutsam ausgewählt wurden und bereits jahrelang regelmäßig von René Redzepi besucht worden sind.

Kunst der Fermentation

Von Tofu und Gemüse, über Kräuter aus den Gebirgen oberhalb Kyotos bis zu besten Fischen und Meeresfrüchten, inklusive »kinki« (Shortspine Thornyhead), dem großäugigen Fisch mit leuchtender Farbe und seidigem Fleisch: Die Kunst der Fermentation wird hier in Japan von Koji Törtchen bis Miso Kuchen voll ausgeschöpft. So japanisch die Produkte, Techniken und Getränke auch waren, die Sprache der Gerichte war nordisch: nadelig, blumig, süß, sauer, fermentiert, Umami! »Hassun« (ein traditioneller Gang in der japanischen Kaiseki Küche) feiert zu Beginn des Menüs den Frühling mit Blütenstaubgelee, Kirschblättern, getrockneten Tomaten und Koji. »Shabu-Shabu« (traditionelles japanisches Feuertopf Gericht) mit Mekabu (Seetang) und Gemüse in  brodelnder Brühe. Das Sashimi vom Schwertfisch bettet sich in Seetangbutter. Der Bambus wurde in Dashi und Misowasser gekocht, dazu Tintenfisch mit Jasmintee infused und angerichtet in Form eines Regenbogens auf extra angefertigter japanischer Keramik.

Berggemüse mit Vinaigrette aus Langustenkopf, ehe die Languste mit geräuchertem Mais, Kürbis und Sansho Blättern (japanischer Pfeffer) serviert wird. »Yakumi« nennen sich diese kleinen Beigaben an hocharomatischen Kräutern, die ein Gericht in leiser und auffälliger Art komplettieren, wie hier im Frühling die jungen Sancho Blätter.

Eine Ode an die Saisonalität

Es ist die Art von »kulinarischer Metaphysik«, die Redzepi schon früher mit anderen Küchentraditionen ausgeführt hat, aber hier im kulturellen Zentrum Japans kommt sie als hohe Kunst daher. Wenn man sich einmal durch Japan durchkostet, so sind die Aromen der japanischen Küche bekannt. Doch die Interpretation durch das »Noma« ist eine völlig neue -  und durch die Kombination der Produkte und Geschmäcker entsteht eine völlig neue Welt.

Komplex und unterhaltsam

Das fantastische Getränke Pairing stammt von Chef Sommelière Ava Mess: Sake, Wein und Bier stammen ausschließlich aus Japan - so auch die alkoholfreien Eigenkompositionen. Die japanischen Weine, die bei uns bisher bekannt waren, waren oftmals eindimensional und waren dazu geeignet, vor allem perfekt abgestimmte Speisenbegleiter zu sein. Was im ACE ins Glas kam, war eine Offenbarung: komplex und unterhaltsam - darunter der 2020 Fumizuki Blanc aus Hakodate im Norden der Insel Hokkaido.

Kaffee bezieht das Team von der »Weekenders Coffee Roastery«  in Kyoto und tüftelt gemeinsam am perfekten Blend. Das Serviceteam agiert in gewohnter Professionalität, unaufgeregt, auf Augenhöhe und mit hohem Wohlfühl-Faktor.

René Redzepi hat seinen Traum in Wirklichkeit umgesetzt - man darf wie immer gespannt sein, was aus diesen Erfahrungen und Eindrücken nun Neues entsteht. Und wo.

Wir sagen: Arigatou gozaimasu Team Noma!


Kyoto Tipps:

Kyoto gilt als Zentrum der traditionellen japanischen Küche und zählt zu den zehn größten Städten Japans. Mehr als 100 Sterne-Restaurants finden sich hier und nicht zuletzt dank der Bemühungen von Köchen aus Kyoto wurde »Washoku«, die japanische Küche, von der UNESCO 2013 als immaterielles Kulturerbe anerkannt. Aktuell zählt Kyoto laut Time Magazine zu den »World’s Greatest Places 2023«.

Essen

  • Jean Georges Vongerichten:  The Shinmonzen
    Der französische Sternekoch gestaltet das Signature Restaurant im Shinmonzen mit einem French Touch.
  • Chrome Natural Wine Bar
    Kleine, feine Barkarte dazu eine bemerkenswerte Weinauswahl
  • Lurra Kyoto
  • Bestes Ramen der Stadt und meist mit dem obligatorischen Warten in der Schlange verbunden: Wajoryomen Sugari
  • Fine Dining: Monk
  • Für Kaiseki: Kikunoi Honten sehr traditionell, typisch japanisch. Ein tolles Erlebnis!
  • Weekenders Coffee Roastery
    Eigene traditionelle Kaffeerösterei in modernem Umfeld. Weekenders beliefert das Noma und kreiert gemeinsam die Blends.
  • Nishiki Foodmarket

Schlafen


 

Grabmer Johanna
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