Wie in ganz Indochina findet auch in Vietnam das gastronomische Leben zu einem Großteil unter freiem Himmel statt.

Wie in ganz Indochina findet auch in Vietnam das gastronomische Leben zu einem Großteil unter freiem Himmel statt.
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Vietnam: Land des Köchelns

Vietnam als Reiseziel boomt seit geraumer Zeit gewaltig – und in diesem Sog auch die vietnamesische Küche. Und das riesige Land am Südchinesischen Meer hat kulinarisch viel zu bieten – nämlich eine der spannendsten Fusionsküchen Asiens.

Vietnam ist eine riesige Erfolgsgeschichte. Kein anderes Land in Südostasien hat sich in den vergangenen Jahrzehnten so dermaßen gewandelt wie der 100-Millionen-Einwohner-Staat am Südzipfel Chinas. Nach dem Ende des Vietnamkriegs zerstört und wirtschaftlich am Boden, läuft Vietnams Wirtschaft heute, angetrieben primär vom Tourismus, auf Hochtouren. Und in diesem Windschatten erlebt auch die Kulinarik des Landes derzeit eine komplette Neuausrichtung. Immer mehr Gastronomen nehmen sich ein Beispiel an den diesbezüglichen Entwicklungen in China und Thailand, in Hongkong und Singapur und heben ­Vietnams kulinarisches Erbe, eine einzigartige Mischung aus chinesischen, ­französischen und thailändischen Einflüssen, auf jenes Topniveau, auf das es schon längst gehört. 

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Vietnam de luxe

Restaurants auf Fine-Dining-Niveau gehören vor allem in den luxuriösen Resorts an der Küste inzwischen zum Standardangebot, finden sich aber längst auch in den Metropolen Hanoi und Ho-Chi-Minh-Stadt. Das »The Deck Saigon« liegt etwas abseits vom Trubel am Ufer des Saigon-Flusses in »HCMC« (wie Eingeweihte das ehemalige Saigon nennen). Chefkoch Cao Minh Lam serviert hier Asiatisches mit modernen, auch europäischen Einflüssen. Im »Hôi An Sense Restaurant« im Herzen der Metropole wird bereits seit einem Vierteljahrhundert authentische vietnamesische Küche auf Topniveau serviert. Star der Szene ist aber der noch nicht einmal 30-jährige Hoang Tung. In seinem »T.U.N.G dining« in Hanoi im Norden des Landes kreiert der zuvor in Sternerestaurants in Skandinavien ausgebildete Vietnamese einen Streifzug durch die Landesküche im Rahmen eines spektakulären 18-Gänge-Menüs. Mit dem »Å by T.U.N.G« ist er seit Kurzem auch in Ho-Chi-Minh-Stadt präsent. Und zum Drüberstreuen betreibt er in Hanoi auch die »Kuusi«-Cocktailbar. In der historischen Altstadt der Kapitale liegt schließlich auch das »Duong’s Restaurant«, das seit Jahren mit französisch-vietnamesischer Fusionsküche von sich reden macht.

Essen auf Rädern

Für die große Mehrheit der Vietnamesen sind solche Lokale aber naturgemäß unerschwinglich. Sie verpflegen sich primär auf der Straße. Die mobilen Garküchen – kleine Stände oder Wägen – sind integraler Bestandteil jedes Stadtbildes, besonders konzentriert auf den zahlreichen Märkten. Weil es davon inzwischen so viele gibt, bieten lokale Anbieter Touren zu den besten Plätzen an. In Hanoi wird ein Teil der Altstadt an Wochenend­abenden zum quirligen Nachtmarkt, auf dem sich Einheimische und Touristen treffen. Hierher kommt man am besten mit Hunger, denn die Fülle und Vielfalt der Waren und Speisen ist gigantisch. Der Đng-Xuân-Markt liegt in einer riesigen vierstöckigen Markthalle aus dem späten 19. Jahrhundert und ist damit Hanois ältester Markt – den Garküchen gehört hier eine eigene Etage. In HCMC im Süden ist der Bn-Thành-Markt schon aufgrund seiner kolonialen Architektur einen Besuch wert. Ein weiteres Highlight für Marktliebhaber liegt außerhalb der Stadt und kann im Rahmen einer Tagestour bewundert werden: Am schwimmenden Markt von Cái Rang verkaufen Bewohner des Mekongdeltas ihre Produkte vom Boot aus.

China trifft Frankreich

Aber ganz gleich ob Haute Cuisine oder Streetfood, die Küche, die hier wie da serviert wird, ist ein Musterbeispiel für Fusion Cuisine. 1.000 Jahre lang herrschten die Chinesen über das Land, nahezu 100 ­Jahre waren die Franzosen als Kolonialmacht hier und brachten ihre kulinarischen Einflüsse mit. Das Ergebnis dieser Allianz ist eine frische Küche mit vielen Kräutern und kräftigen Aromen. Bekanntestes Gericht und kulinarischer Exportschlager ist die allgegenwärtige Nudelsuppe Pho, deren Namen heute Tausende Restaurants rund um den Globus tragen – eine Kunst, die sonst nur der Pizza und dem Sushi gelungen ist. Ein weiterer Streetfood-Klassiker, typisch für die Garküchen der Hauptstadt Hanoi, ist Bún cha: Zu kalten Reisnudeln werden knusprig gegrillter Schweinebauch oder kleine Fleischbällchen serviert. Dazu gibt es eine Auswahl an frischen Kräutern, Gewürzen und Chilis, anders als in Thailand kommen vietnamesische Gerichte aber üblicherweise mit zurückhaltenderer Schärfe zum Tisch. 

Weiter südlich, rund um die ehemalige Kaiserstadt Hu, sollte man Bánh xèo probiert haben. Ein Teig aus Reismehl wird dünn ausgebacken, ähnlich einer pikanten Crêpe belegt und dann zusammengeklappt. Die Nähe zum französischen Traditionsgericht ist kein Zufall – die kulinarischen Spuren der ehemaligen Kolonialmacht sind bis heute im ganzen Land erkennbar. Wer etwa ein Bánh mì bestellt, erhält einen vietnamesischen Streetfood-Standard: aufgeschnittenes und mit unterschiedlichsten Köstlichkeiten belegtes Baguette. Und dann gibt es noch die hierzulande als Sommerrollen bekannten Gi cun, was übersetzt eigentlich so viel wie Salatrolle bedeutet. Reis­papierblätter werden mit Glasnudeln, Gemüse, Fleisch oder Garnelen belegt und kalt in einen dünnflüssigen Dip auf Fischsaucenbasis getunkt – eine Umami-­Bombe, die in Vietnam zur absoluten ­Grundausstattung jeder Küche gehört.

© Yuu’n Mee

Austro-Garnelen aus Vietnam

Nachhaltiges Seafood

Das 2005 gegründete Unternehmen Yuu’n Mee mit Sitz in Korneuburg produziert in Vietnam nachhaltige Black-Tiger-Biogarnelen in einer Mangrovenwald-Farm im Mekong-delta. Die Tiere werden in einem intakten Ökosystem aufgezogen und wachsen bei bewusst geringem Besatz artgerecht und ohne Stress auf, was die Qualität der Produkte massiv verbessert. Im März dieses Jahres wurde auch ein Mangroven-Aufforstungsprojekt im Mekongdelta gestartet.


Erschienen in
Falstaff Nr. 03/2023

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Caroline Metzger
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Von Redaktion