Von Kopenhagen bis Tokio, von Melbourne bis Paris: Die Weine von Christian Tschida aus Illmitz schmücken die Weinkarten der besten Restaurants der Welt.

Von Kopenhagen bis Tokio, von Melbourne bis Paris: Die Weine von Christian Tschida aus Illmitz schmücken die Weinkarten der besten Restaurants der Welt.
© Ingo Pertramer

Wein: Ruhmreiche Avantgarde aus dem Burgenland

Viele Exponenten der burgenländischen Naturweinszene stehen in den besten Restaurants der Welt auf den Weinkarten – werden bei uns aber oft wenig beachtet. Höchste Zeit, darzulegen, wie prominent die jungen Winzer in der weiten Welt inzwischen sind.

Paris ist, man muss es leider sagen, für den österreichischen Wein immer noch ein Buch mit sieben Siegeln. Während Wein aus Österreich anderswo in der Welt seit Jahrzehnten von den Karten guter Restaurants nicht wegzudenken ist, lassen die Franzosen sich nach wie vor bitten. Im Land der Grands Crus aus Bordeaux, ­Burgund und Champagne, so die Klage, ­seien die Gäste einfach zu patriotische Weintrinker und gegenüber Neuem viel weniger aufgeschlossen als anderswo.

Dem wäre nichts hinzuzufügen. Wenn da nicht doch ein paar heimische Winzer wären, die es verstanden haben, an einigen der heißesten Adressen der Hauptstadt des guten Essens und Trinkens nicht bloß ­gelistet, sondern sogar kultisch verehrt zu werden. Hier bei uns wurde das noch nicht immer mit der entsprechenden Aufmerksamkeit beachtet – dabei kommt es ­durchaus einem Husarenstück gleich.

Dass die Mehrheit dieser ebenso mutigen wie qualitativ herausragenden Winzerinnen und Winzer aus dem Burgenland stammt, ist durchaus kein Zufall: Die Elite der Natural-Wine-Macher des Landes, die seit einigen Jahren die angesagtesten Restaurants der Welt mit ihren durchaus ungewöhnlichen Weinen beliefert, ist nun einmal in ihrer Mehrheit im Burgenland zu Hause. Und es sind just diese hierzulande oft immer noch am Rand wahrgenommenen Vertreter der Minimal-Intervention-Philosophie in Weingarten und Keller, die die Weinnation Österreich nun sogar in der Weltmetropole des Genusses vertreten.

© Ingo Pertramer

In Paris aufploppen

Das »Septime« von Starchef Bertrand ­Grébaut ist so ein Ort. Sternekoch Grébaut, der erst diesen Herbst beim international wohl nobelsten – von Ferran Adrià, ­Massimo Bottura und René Redzepi abwärts frequentierten – Buchverlag Phaidon in London einen Prachtband von einem Kochbuch herausgebracht hat, ist mit seinen Restaurants »Septime«, »Clamato«, »La Cave« und »D’une île« längst ein Fixstern am Firmament der neuen, coolen Lokalszene der französischen Hauptstadt.

Das »Septime«, von der »New York Times« als »so köstlich, dass man vor Glück errötet« beschrieben, hat eine ausschließlich mit Weltstars der Naturweinszene bestückte Karte, darunter international fieberhaft gesuchte Großmeister wie den Champagner-Magier Jacques Selosse oder den kultisch verehrten Gott des Jura-Weins Jean-François Ganevat. Und mittendrin? Christian Tschida aus Illmitz, der mit seinem Himmel auf Erden, mindestens so aber mit dem roten Felsen I + II, dem Laissez-Faire und den anderen ob ihrer Frische und Tiefe stets aufs Neue beeindruckenden Weinen längst zu den Überwinzern der Szene zählt.

Tschida ist so etwas wie der Erzengel der heimischen Winzer, wenn es um die Verkündigung geht, dass weniger auch beim Weinmachen im Zweifel mehr ist – im Weingarten ebenso wie im Keller. Aber dazu später mehr. Schließlich ist es auch anderen Kollegen gelungen, Paris vom Burgenland aus zu erobern. Stefanie, Susanne und ihr Bruder Georg Renner aus Gols etwa, internationalen Connaisseurs längst als die »rennersistas« bekannt, sind unter anderem im neuen ­Restaurant »A.T« von Pierre Gagnaires bestem Schüler Atsushi Tanaka vertreten, in einer kleinen Gasse gleich beim legendären Gourmettempel »Tour d’Argent«. Der junge Japaner zählt mit seiner unerhört ästhetisierten, auf wenige in Perfektion dargebrachte Elemente konzentrierten, dezidiert französischen Küche zu den Topadressen der jüngeren Pariser Dining-Szene.

Erich und Michael Andert aus Pamhagen mögen hierzulande für viele noch unterhalb des Radars fliegen, in Frankreich aber ist das lässige Brüderpaar längst eine Größe. Auch seine Weine gibt es im »Septime«, ebenso im legendären »Chateaubriand« von Iñaki ­Aizpitarte, der in den frühen Tagen der »World’s 50 Best« schon einmal den fünften Platz – und damit das bei Weitem beste Restaurant Frankreichs – für sich reklamieren konnte. Das Restaurant mit dem täglich wechselnden, aber immer aufregend köstlichen Sechsgangmenü um unglaublich wenig Geld setzt seit seinen frühen Tagen auf Naturweine und auf eine offene, der Welt zugewandte Ausschenkphilosophie. Dass man hier auch um Mitternacht noch einen Platz zum Essen bekommt, ist halt ein wahres Attribut einer Weltstadt – davon können wir im Osten nur träumen.

Das ist freilich in Kopenhagen nicht anders, obwohl die Stadt gerade als Top-Spot des Fine Dinings schlechthin gehandelt wird. Mit »Geranium« und, natürlich, »Noma« sind gleich zwei lokale Adressen an der ­absoluten Spitze der legendären Fressliste genannt, und in beiden wird burgenländischer Naturwein mit besonderer Vorliebe ausgeschenkt. »Noma«-Sommelier Mads Kleppe, der nach den Seriensiegen seines Restaurants längst auch als bester Sommelier der Welt gelten darf, ist sogar bekannt dafür, dass er in die Weinbegleitungen der saisonal wechselnden Menüs von René Redzepi so gut wie immer einen Wein von Christian Tschida mit einbaut.

»Christian ist ein wirklich enger Freund«, sagt Kleppe, »und wir verstehen uns ganz außerordentlich gut – auch bei dem, was wir von einem Wein erhoffen und erwarten. Außerdem hat er eine so souveräne Diversität in seinen Weinen, vom vergleichsweise traditionell gemachten Non-Tradition der frühen Jahre bis zu den richtig exotischen, fruchtigen Ausdrücken, die er in Himmel auf Erden einfängt. So springen mir Tschidas Weine gerade dann, wenn es knifflig wird, wenn René ein echt schwierig zu kombinierendes Gericht entwickelt, immer wieder ­ideal zur Seite.«

Die Dänen und das Burgenland

Österreichs und des Burgenlands besonders hohes Standing in Dänemark hat aber auch sehr wesentlich mit Sebastian Nellemann zu tun. Der Vinothekar gründete schon vor vielen Jahren Österreich Vin, eine auf heimischen Wein spezialisierte Weinhandlung im Zentrum Kopenhagens. Die wunderhübsche Weinbar »Ved Stranden« gehört ebenso dazu, dementsprechend prominent wird auch die burgenländische Naturwein­szene dort gefeaturt. Mit Pittnauer, Velich, Claus Preisinger, Gut Oggau, ­Meinklang, Christian Tschida, Moric, ­Koppitsch und, nicht zuletzt, dem großen Franz Weninger hat Österreich Vin eine exemplarische Auswahl der besten Winzer des Bundeslands im Portefeuille.

Und die Dänen lieben es: Wer an einem lauen Sommerabend an der im Stadtzentrum gelegenen Weinbar vorbeischlendert, wird unzählige Gruppen attraktiver junger Menschen entdecken, die sich am nahen Kanal niedergelassen haben und, wenn nicht immer, dann meistens, ein köstliches Fläschchen burgenländischen Weins mit dabeihaben.

Auch in London war es ein wagemutiger Importeur, der dem heimischen Naturwein zum Durchbruch in den richtig heißen Hütten der Stadt geholfen hat. Peter Honegger ist noch dazu selbst Österreicher und sein »Newcomer Wines« nicht bloß eine Weinbar mit angeschlossenem Weinhandel, sondern auch ein Ort, wo manche der richtig angesagten Chefs der Weltstadt sich immer wieder spontan hinter die Grillplatte klemmen, um quasi aus dem Handgelenk geniale Gerichte zu heimischen Weinen zu kreieren. Hier ist Markus Altenburger aus Jois seit der allerersten Stunde Teil des Sortiments. Dass seine Weine im viel gerühmten »Lyle’s« oder dem – vielleicht noch angesagteren – »Clove Club« von Isaac McHale (wo sich auch Philip Rachinger seine ersten Sporen verdiente) auf der Karte stehen, ist eindeutig Honeggers Verdienst.

»Die Londoner sind wirklich heiß auf Weine, die möglichst klar und ungeschönt ihr Terroir abbilden«, sagt Altenburger, der seinen inzwischen legendären Natur-Neuburger Betont aus dem Betonei ursprünglich nur für den britischen Markt entwickelt ­hatte. »Hier sind einfach echte Weinkenner zu Hause«, sagt Altenburger, »es ist ja kein Wunder, dass die Briten von Sherry bis ­Bordeaux an der Entwicklung vieler heute ganz großer Weine wesentlichen Anteil hatten.« Es ist also nur logisch dass Altenburger, bei vielen hier immer noch als durchaus klassischer Leithaberg-Winzer abgespeichert, die richtig funky schmeckenden Sachen inzwischen ausschließlich für den nichtösterreichischen Markt abfüllt.

»Ich mag zum Beispiel feine, fast durchsichtige Rotweine, die durchaus gekühlt getrunken werden ­wollen«, sagt Altenburger, »also hab ich mich da ein bisserl gespielt im Keller.« Resultat der »Spielerei«: In England werden ihm diese neuen Altenburger-Roten geradezu aus der Hand gerissen – in Österreich hingegen sind sie nicht einmal auf dem Markt. »Man darf seine Klientel nicht verschrecken«, sagt Altenburger, »aber so wie meine traditionellen Stammkunden inzwischen akzeptieren, dass unsere Weine nicht mehr filtriert sind, so werden sie irgendwann in Zukunft auch diese hellen, spannenden ­Rotweine nicht mehr missen wollen.«

Auch Judith Beck aus Gols ist zwischen Brooklyn und Bangkok vor allem mit ihrer filigranen Bambule-Linie erfolgreich. »Ich wundere mich selbst immer wieder«, sagt die Winzerin, »wie unheimlich stark meine Naturweine im Ausland gefragt sind, während sie in Österreich nur eine winzige Minderheit erreichen.« Tatsächlich wird man es außerhalb der kosmopolitisch geschulten Bubble rund um die Wiener Spitzenrestaurants in Wien schwer haben, ein Restaurant mit Naturweinsortiment zu finden, das die Vielfalt der Köstlichkeiten tatsächlich ab­bildet. In Oslo, im famosen Drei-Sterne-»Maaemo« hingegen ist das problemlos möglich. Auch der grandiose Kreativ-Inder »Gaggan« in Bangkok ist dafür bekannt, ein ziemlich erschöpfendes Arsenal heimischer Top-Naturwinzer auf Lager zu haben.

»Ich liebe die österreichischen Weine«, bekannte der grandiose Showman bei einem seiner gar nicht so seltenen Wien-Besuche. Nur: Klassischen Grünen Veltliner aus der Wachau oder vor Frucht berstenden Sauvignon Blanc aus der Steiermark meinte der Mann damit nicht – die hatte er noch nicht einmal verkostet. Nein: Es sind Namen wie Judith Beck und Claus Preisinger, wie Michael Wenzel aus Rust oder Martin Nittnaus, die die Augen des Starchefs zum Leuchten bringen.

Und was ist mit Amerika? Dort ist der heimische Wein seit Jahrzehnten etabliert, dort sind »die etablierten Sternerestaurants ähnlich wenig offen für Naturwein, wie das bei uns auch oft ist«, sagt Claus Preisinger. Umso mehr freut der Ausnahmewinzer sich darüber, in einer kleinen Weinbar in Brooklyn gelistet zu sein, wo es ganz herausragendes Essen und ebensolche Musik gibt. Kein Wunder, schließlich ist »The Four Horsemen« das Lokal des früheren Frontmans der legendä­ren Dance-Punk-Band LCD Soundsystem, James Murphy. Mit einem Ex-»Noma«-Koch am Herd und einer Weinkarte mit allem, was in der Natural-Wine-Szene Rang und Namen hat, gilt sie nicht zufällig als Lieblingslokal des »New York Times«-Restaurantkritikers Pete Wells.

Ein paar echte Fine-Dining-Spots gibt es aber auch, etwa das großartige »Lord Stanley« in San Francisco, ein richtig entspanntes Sternelokal, das etwa die Weine der rennersistas ausschenkt. »Ich kenne das Lokal ehrlich gesagt gar nicht«, lacht Steffi Renner, »aber so ist das, seit wir Naturwein machen: Die allermeisten unserer Kunden sind so weit weg, dass ich sie unmöglich auf die Schnelle einmal besuchen kann.« Was aber auch etwas Schönes hat: So weiß man, dass ihre herausragenden Weine durchaus auch ganz allein bestehen können.


Severin Corti
Severin Corti
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