Der NFT-Markt hat sich in den letzten Jahren rasant entwickelt, von den ersten digitalen Sammlerstücken bis hin zur Integration in Kunst, Musik und Genusswelt. Manche sehen bereits eine neue Ära angebrochen.

Der NFT-Markt hat sich in den letzten Jahren rasant entwickelt, von den ersten digitalen Sammlerstücken bis hin zur Integration in Kunst, Musik und Genusswelt. Manche sehen bereits eine neue Ära angebrochen.
© katjen / Shutterstock, Aliaksei / Shutterstock

Wie NFTs die Weinwelt revolutionieren

Non-Fungible Tokens sind der jüngste Trend in der Weinwelt. Immer mehr Produzenten bringen Weine und Spirituosen mit digitalem Mehrwert auf den Markt. Aber wie funktioniert das? Und was genau haben die Kunden davon? Ein Überblick.

Zwei Komma fünf Millionen US-Dollar – für diese Summe wurde im letzten Jahr eine ­Magnumflasche Château Avenue Foch aus dem Jahr 2017 versteigert. Nicht wundern, wenn Ihnen dieser Champagnerproduzent unbekannt ist, denn bei der bisher teuersten Champagnerflasche der Geschichte geht es weniger um den prickelnden Inhalt als um das ganze Drumherum.

Das Drumherum ist in diesem Fall die Flasche, also das Gefäß selbst. Darauf sind Illustrationen von sogenannten »Bored Apes« abgedruckt, von einem Algorithmus generierte und vom Computer ausgeführte Zeichnungen von Cartoonaffen. Dahinter steckt wiederum der »Bored Ape Yacht Club«(der aktuell mit schweren Vorwürfen zu kämpfen hat), eines von mehreren Projekten eines amerikanischen Unternehmens, das auf einen Wert von vier Milliarden Dollar geschätzt wird. Das Geschäftsmodell hinter dem »Bored Ape Yacht Club« funktioniert so, dass es insgesamt 10.000 verschiedene »Bored Ape«-Affenillustrationen gibt, die sich alle optisch voneinander unterscheiden und die an betuchte Interessenten verkauft werden (Madonna soll einen »Bored Ape« besitzen, Justin Bieber oder Gwyneth Paltrow ebenso). Die computergenerierten Zeichnungen stellen also im Grunde 10.000 einzigartige digitale Kunstwerke dar. Diese digitalen Cartoonkunstwerke werden verkauft, und zwar in Form von NFTs – digitalen Nachweisen der Einzig­artigkeit der Kunstwerke (mehr dazu später). Und der Wert des 2,5-Millionen-Dollar-Champagners besteht einerseits in anderthalb Litern französischem Edel­sprudel, andererseits in den NFTs für die aufgedruckten Affenillustrationen, die man gleichzeitig mitkauft (auf die Flasche gedruckt werden ja nicht mehr als Reproduktionen dieser Kunstwerke, so wie auch ein Poster von der »Mona Lisa« nur eine Reproduktion von da Vincis Original ist).

Einem italienischen Investoren-Brüderpaar war das diese Summe wert. Und die beiden, Giovanni und Piero Buono, halten auch gar nicht hinter dem Berg damit, dass sie den Champagner nur aus Spekulationsgründen erwarben: »Wir haben nicht vor, ihn zu trinken, sondern hoffen, dass die Flasche im Wert steigen wird.« Die Chancen dafür stehen gar nicht schlecht, denn um NFTs, die digitalen Besitznachweise für Güter unterschiedlichster Art, hat sich in den vergangenen Jahren ein regelrechter Hype entwickelt, an dem nun immer öfter auch Hersteller von edlen Weinen und Luxusspirituosen teilhaben möchten – so wie eben das Champagnerhaus Avenue Foch. Dabei gehen die einzelnen Anbieter allerdings höchst unterschiedliche Wege.

Was sind NFT und Token?

Um die wachsende Bedeutung von NFTs für den Weinhandel besser zu verstehen, sollten zunächst die wichtigsten verwendeten Begriffe definiert werden. Sowohl NFT als auch Token stammen aus der Welt der Kryptowährungen, also jener rein digitalen Vermögenswerte, die – meistens auf der Basis dezentraler, auf viele einzelne Computer verteilter Datenbanken (»Blockchain«-Technologie) – primär als Spekulationsobjekte oder geldähnliche Tauschobjekte fungieren. Als Token wird dabei so gut wie jedes digitale Kapital, jeder digitale Vermögenswert bezeichnet. Manche Tokens kann man im Internet beliebig tauschen oder auch damit Leistungen oder Waren bezahlen, weil sie immer den gleichen Wert behalten. Solche Tokens nennt man »fungible« oder austauschbar. Auf der digitalen Seite zählen Bitcoins dazu, im analogen Leben würde man auch Euros als »fungible« bezeichnen, weil sie immer gleich viel Wert sind – zehn Euro sind zehn Euro, ob in einer Banknote oder in zehn Ein-Euro-Münzen.

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Als »Non-Fungible Token« oder NFT bezeichnet man hingegen digitale Vermögenswerte, die einzigartig sind und daher nicht durch etwas vergleichbar Gleichwertiges ersetzt werden können. Man kann sie theoretisch natürlich mit analogem Geld kaufen, wenn man sich über den Preis einig wird – ähnlich einem Kunstwerk oder einem anderen Gegenstand von ideellem Wert. Aber – um beim Fall des Millionen-Champagners zu bleiben – auch dann erhält man dafür nicht mehr als eine Flasche Schaumwein (die idealerweise beim Hersteller sicher verwahrt bleibt, bis man sie wieder verkauft oder vielleicht doch einmal öffnen möchte) und – und jetzt kommt der NFT-Clou – einen einmaligen, nicht duplizierbaren Code, der als Besitznachweis für das digitale Originalkunstwerk gilt, das als Reproduktion die Flasche ziert. Hier eben die Cartoonaffen.

Wo werden NFTs gehandelt?

Ein NFT ist also mit einer Besitzurkunde zu vergleichen, welche die Authentizität und/oder die Einzigartigkeit eines physischen oder digitalen Vermögenswertes garantiert. Wenn man das so programmiert, auch inklusive aller Auskünfte über die bisherigen Eigentümer, Verkaufspreise etc. Gespeichert werden alle diese Informationen eben in einer dezentralen Datenbankkette (Blockchain!) auf unzähligen Rechnern rund um die Welt, was Fälschungen oder Manipulationen nahezu unmöglich macht. Weil aber im Grunde jeder Internet­user einen NFT erstellen kann, könnte beispielsweise eine rare Flasche Wein, die damit verknüpft ist, immer noch gefälscht sein. Es sei denn, sie wird direkt vom Hersteller als NFT erworben. Gehandelt werden NFTs auf Plattformen wie opensea.io, bezahlt wird primär mit Kryptowährungen wie Ethereum oder xDai. 


NFT-Vorteile

So profitieren Kunden

Fälschungssicherheit:
NFTs können mit Besitzurkunden verglichen werden. Sobald sie vom Hersteller erworben werden, sind sie auch ein Echtheitszertifikat. 

Transparenz:
Ein NFT kann jegliche Auskünfte über ein Produkt beinhalten: bisherige Eigentümer, Verkaufspreise, Herstellung oder Menge.
Dies ermöglicht maximale Transparenz. 

Wertsteigerung:
Beim Gros der NFTs im Wein- und Spirituosenbereich handelt es sich um rare Sammlerstücke, weshalb mit einer Wertsteigerung gerechnet werden kann.

Die Weinwelt entdeckt NFT

Bislang haben die meisten Weingüter, die NFTs aktiv nützen, physische Flaschen mit Token verknüpft, in Anlehnung an die erfolgreichen NFTs aus der Kunstwelt häufig zusammen mit digitaler Kunst. Dom Perignon etwa brachte im Jahr 2021 gemeinsam mit der Sängerin Lady Gaga eine auf je 100 Stück limitierte ­Auflage des 2019er und des 2006er Rosé als NFT auf den Markt, jede Flasche begleitet von einer digitalen, animierten Version der Flasche. Im selben Jahr kreierte Château Angélus aus einem ganzen Fass seines »Grand Vin 2020« ein NFT inklusive 3D-Kunstwerk, das für 100.000 Dollar veräußert wurde. Auch Penfolds stieg in das Geschäft ein und bot ein Fass »Magill Cellar 3« aus dem Jahr 2021 als NFT an. Verkauft wurde es innerhalb von Sekunden für rund 90.000 Euro, wie Amanda Green, Global Digital Director des Unternehmens, berichtet. Laut ihrer Aussage wollte man so die Zielgruppe der sogenannten »New ­Luxurians« erreichen.

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Diese »New Luxurians« lieben Luxusmarken, sind digital versiert und gelten als absolute Trendsetter – junge, finanzkräftige Menschen, die rare Weine lieber als NFT-Package erwerben, als sie klassisch über Subskriptionen oder den Sekundärmarkt zu beziehen.

Danielle Barich, Web3 Development Director der Cognac-Marke Hennessy, sieht NFTs ebenfalls als neuen Weg, um Marken und Verbraucher miteinander zu verbinden. Im Falle von Hennessy geht es dabei inzwischen auch um besondere Erlebnisse, die den Konsumenten durch den Erwerb eines NFTs ermöglicht werden. Für die Mitglieder des NFT-Netzwerks »Friends With Benefits« bot Hennessy beispielsweise einen besonderen Token an, der Zugang zur Eröffnungsveranstaltung der »Art Basel Miami« ermöglichte, sowie die gemeinsame Kreation einer limitierten VSOP-Flasche mit einem Künstler, die wiederum nur Inhaber des NFTs erwerben können. Die Mitglieder des global agierenden NFT-Weinclubs »dVin«, der diesen Mai an den Start ging, erhalten ebenfalls nicht nur Zugang zu raren Flaschen, sondern auch zu Erlebnissen, die sich sonst nicht kaufen lassen. Die lebenslange Mitgliedschaft bei »dVin« ist auf 4.000 Personen limitiert, gehandelt werden die dafür nötigen NFTs zwischen 5.000 und 9.000 Dollar. Als Mitglied erhält man exklusiven Zugang zu privaten Verkostungen und Partys mit Spitzenwinzern, kann aber etwa auch bei der ersten Weinlese der Bhutan Wine Co. im Himalaja teilnehmen. 

Danielle Barich, Web3 Development Director bei Hennessy, entwickelt 
limitierte NFT-Editionen für betuchte Kunden.
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Danielle Barich, Web3 Development Director bei Hennessy, entwickelt limitierte NFT-Editionen für betuchte Kunden.

Fälschungssichere NFTs

Auf der Plattform blockbar.com, wo hauptsächlich Luxusspirituosen und Weine gehandelt werden, wird von den meisten Herstellern explizit mit dem Zugang zu limitierten Auflagen geworben – für Wein- wie Spirituosensammler ein schlagendes Argument, vor allem hinsichtlich der Echtheit der Produkte. Zudem lagern die raren Sammlerflaschen bei blockbar.com unter optimalen Bedingungen, bis das NFT ­eingelöst und die physische Flasche bezogen wird.

Besonders die Fälschungssicherheit ist auch für Amanda Green von Penfolds ein großer Vorteil: »Fälschungen sind im Luxusbereich ein großes Problem. Da die Blockchain es jedem ermöglicht, die Eigentumsverhältnisse und die Geschichte eines Produkts nachzuvollziehen, werden wir weiter in diesem Bereich experimentieren.«

Wein-NFT von vinID: Mit einem eigenen NFC-Tag am Flaschenhals können per Smartphone die Echtheit überprüft und weitere Infos abgerufen werden.
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Wein-NFT von vinID: Mit einem eigenen NFC-Tag am Flaschenhals können per Smartphone die Echtheit überprüft und weitere Infos abgerufen werden.

Bei der Schweizer Firma vinID erwirbt der Kunde neben der physischen Flasche einen »digitalen Zwilling« des Weins als NFT, den er in seiner Blockchain-Wallet, gleichsam seinem digitalen Portemonnaie, speichert. Die Wallet dient somit auch als Weinarchiv, in dem Notizen zum Wein ­erfasst werden können. »Bei uns befindet sich an jedem Flaschenhals ein NFC-Tag, das – sobald es durchgeschnitten oder entfernt wird – über einen Chip meldet, dass die jeweilige Flasche geöffnet ­wurde«, berichtet Sebastian Schier, Managing Director von vinID. Damit werde auch die ­Möglichkeit, eine Originalflasche eines raren Weins in krimineller Absicht mit billigem Wein wieder zu befüllen, eliminiert. Über die vinID-App kann der ­Konsument außerdem Informationen über den Wein schnell mit dem Smartphone abrufen, indem er es an den Flaschenhals hält. ­Produzenten können zudem mit Kunden in Kontakt treten und sie mittels Push-Nachricht über neue Jahrgänge, die optimale Trinkreife eines Weins und anderes mehr informieren.

Inwiefern sich diese und weitere Möglichkeiten, die NFTs bieten, im Weinbereich künftig etablieren bzw. für Investoren rechnen werden, kann derzeit nur vermutet werden. Einerseits gibt es großen Enthusiasmus, andererseits warnen manchen Finanzexperten bereits davor, dass sich NFTs als Spekulationsblase herausstellen könnten, die irgendwann platzen wird. Man wird sehen.


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Erschienen in
Falstaff Nr. 05/2023

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Martin Kubesch
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