Leer Stühle und eine gedeckte Tafel auf dem Dresdner Altmarkt.

Leer Stühle und eine gedeckte Tafel auf dem Dresdner Altmarkt.
© Ulrich van Stipriaan

Aktion »Leere Stühle« Dresden – Sechs Fragen

Von Dresden ausgehend machen inzwischen deutschlandweit Gastronomen mit Hilfe leerer Stühle auf ihre Not aufmerksam. Wir haben Kathleen Parma, eine der Initiatorinnen, zum Interview getroffen.

Ende März riefen einige Dresdner Gastronomen eine WhatsApp-Gruppe ins Leben. Daraus hat sich eine bundesweite Solidaritätsbewegung von Gastronomen, Hoteliers und Veranstaltern entwickelt. Unter dem Markenzeichen »Leere Stühle« machen sie auf die Nöte ihres Berufsstands aufmerksam. Ein Gespräch mit Kathleen Parma, eine der Initiatoren. Sie ist selbst Gastronomin (»IceRollsFactory«, Dresden) und Inhaberin der Online-Marketing-Agentur networksPR.

Falstaff: Frau Parma, alle Gaststätten sind geschlossen – da müssten Sie ja jetzt viel Zeit haben!
Kathleen Parma: Schon wär’s! Das Gegenteil ist der Fall: Wir sind derzeit fast rund um die Uhr damit beschäftigt, unsere Aktion »Leere Stühle« zu koordinieren und voran zu bringen.

Wie kam es zu der Initiative?
Meine Freundin und Kollegin Ute Stöhr (»Restaurant zum Schießhaus«, Dresden) und ich hatten Ende März das Gefühl, dass wir uns engagieren müssten, um auf unsere Situation aufmerksam zu machen. Wir formulierten einen Brief an den Oberbürgermeister der Stadt Dresden und gründeten eine WhatsApp-Gruppe mit Dresdner Gastronomen. Die haben sich an der Diskussion beteiligt – und 156 haben den Brief dann unterschrieben.

Und, hat’s was gebracht?
Wie man’s nimmt: Wir wurden gehört, aber die Antwort war nicht unbedingt befriedigend. Daraufhin haben wir die Gruppe erweitert, da vieles Bundes- oder Länderthemen sind. Heute sind in der Gruppe über 250 Gastronomen aus ganz Sachsen und ein Steuerberater, dessen analytischen Verstand wir sehr schätzen. In einem daraus entstandenen kleinen Team ist dann die Idee eines Briefes an den Ministerpräsidenten des Landes geboren – und eine medial wirksame Übergabe des Briefes: Ein gedeckter Tisch und leere Stühle, die die gesamte Situation bildlich auf den Punkt bringen.

Über 1000 leere Stühle auf dem Dresdner Neumarkt vor der Kulisse der Frauenkirche, ein stiller Protest und ein schönes Bild…
Ja, das hat auch dazu beigetragen, dass ab da alles Fahrt aufnahm. Wir bekamen Anfragen aus ganz Deutschland – und haben schnell das Logo mit den beiden leeren Stühle in grün, der Farbe der Hoffnung, und eine Webseite entwickelt. Über diese sowie immer noch über WhatsApp organisieren wir die ganzen Aktionen, mittlerweile in Kommunikation mit über 100 Initiativen in Deutschland!

In wie vielen WhatsApp-Gruppen diskutieren Sie denn jetzt mit?
In fünf. Aber anders geht’s ja nicht, denn wir wollen positive Signale senden. Wir machen still auf uns aufmerksam. Niveauvolle Veranstaltungen gibt’s in Dresden seit August dem Starken. Und das hat Strahlkraft: Es gab vergangenen Freitag über hundert Aktionen bundesweit mit nahezu 50.000 leeren Stühlen, die auf die Situation der Gastronomen aufmerksam machten. Prominentester Veranstalter ist übrigens Jens Weißflog, der in Oberwiesenthal ein Hotel betreibt. Zu unserer aller Freude war die Existenzangst der Branche am Wochenende Tagesthema Nr. 2, und das bundesweit.

Am vergangenen Freitag standen nun über 2000 Stühle auf dem Dresdner Altmarkt, die Forderungen und Nachbesserungswünsche konnte Benjamin Unger vom »Blauen Engel« in Aue, einer der besten Köche Sachsens, stilvoll unter der Cloche an den sächsischen Wirtschaftsminister Martin Dulig überreichen. Geht’s in dem Tempo weiter?
Es geht auf jeden Fall weiter! Hand in Hand arbeiten die Gastronomen zusammen – wenn auch mit Abstand. Diese Pandemie hat eine Solidaritätswelle ausgelöst, die jegliches Konkurrenzdenken beiseitegeschoben hat. Spannend ist allerdings, dass bei unserer Initiative wenig Lieferanten dabei sind, auch kaum Brauereien, die uns unterstützen – was ich als Fehleinschätzung bewerte. Wir sprechen die Sprache der Gastronomen. Dadurch ist die Unterstützung unserer Aktion in allen Teilen unseres Landes sehr groß. Der Hashtag #leerestuehle ist die Verbindung.

Wie geht es denn konkret weiter, was sind die aktuellen Forderungen?
Es soll am kommenden Freitag weiter gehen – am 1. Mai, dem Tag der Arbeit. Wir wollen klar machen, dass wir Gastgeber sind, Menschen, die gerne kommunizieren. Gastronomie ist auch eine Passion. Was wir fordern, was wir uns wünschen, was wichtig ist für die Gastronomen.

Da ist vor allem unsere Forderung nach einem Kurzarbeitergeld von 90% rückwirkend. Wir haben ausgerechnet, dass unseren Leuten im Service mit der jetzigen Regelung faktisch nur etwa 40 Prozent vom Nettogehalt bleiben – das kann nicht sein! Es kann auch nicht sein, dass – was man so hört – bei einer Wiedereröffnung unsere Mitarbeiter in eine Kluft gestellt werden. Wir sind Gastgeber. Wir wollen keine Öffnung um der Öffnung willen. Sie muss die Menschen berücksichtigen. Kellner mit Maske, Handschuhen oder Helm? Das ist unvorstellbar. Fühlt sich der Gast da noch wohl?

Natürlich wollen wir alle schnell öffnen, aber unter menschenwürdigen und betriebswirtschaftlich akzeptablen Bedingungen. In Dresden beispielsweise fällt gerade der Tourismus komplett weg, die Anforderungen müssen ja auch passen. Deswegen fordern wir einen Bundeszuschuss, so dass Gastronomie/Hotellerie und Veranstalter unterstützt werden, so lange geschlossen ist.

Und für die Zeit danach – ab dem Tag der Öffnung – fordern wir den Mehrwertsteuersatz von 7% auf Speisen, aber nicht nur für ein Jahr, sondern für sieben bis zehn Jahre – so lange wird es nämlich dauern, bis die Kredite zurückgezahlt sind.


Über die Webseite www.leere-stuehle.de können Aktionen angemeldet werden. Hier finden sich auch das Logo, Plakate, Pressemitteilungen u.v.m. zur Unterstützung.

Ulrich van Stipriaan
Ulrich van Stipriaan
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