Italiens Aromen sind für jede Jahreszeit passend, man muss nur die richtigen Barkeeper fragen.

Italiens Aromen sind für jede Jahreszeit passend, man muss nur die richtigen Barkeeper fragen.
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Aperitivo: Italien für zu Hause

Die Aperitivo-Kultur verkörpert für viele den Sommer. Wir präsentieren Cocktail-Varianten von Top-Bartendern, mit denen sie sich den Italienurlaub ins Glas holen können.

Zunächst müssen drei Dinge geklärt werden. Erstens ist es in diesen Zeiten mit den Zeiten anders: Gemeinsames Mittagessen mit den Kollegen fällt sowieso flach, der Feierabend-Drink auch – kein Indiz für eine passende Saison also. Zweitens ist man sich nicht einmal in der Bartender-Bubble so recht einig, ob das mit dem Aperitivo nun eine saisonale oder eine tageszeitliche Angelegenheit ist. Und drittens: »Aperitivo« – ein missverständlicher Begriff, der im Deutschen zwar den Aperitif, also das alkoholische Getränk zum Anregen des Appetits bezeichnet, im Italienischen jedoch jede Art von mit Freunden genossenen Drinks in Kombination mit Antipasti meint. Ob das nun ein Wein, ein Bier oder der Negroni ist.

Falco Torini ist Markenbotschafter bei Schweppes und somit vertraut mit allem, was prickelnd, bitter, herb und frisch im Glas sein muss: »Heutzutage ist es bei so vielen kreativen Bars auf der Welt schwer zu sagen, was genau die Drinks einer Nation ausmachen. Natürlich denke ich bei einem italienischen Drink aber vor allem an die Aperitif-Kultur im Süden. Das hat zum einen viel mit den bekanntesten Drinks Italiens zu tun, zum anderen – und damit verknüpft – natürlich auch mit den bekanntesten Spirituosen Italiens, die zum Großteil für dieses leichte, anregende Trinken berühmt sind«, so Torini.

Ein »zu früh« gibt es nicht

Und das ist sie, die italienische Cocktailkultur: irgendwo zwischen einer Campari-Werbung, dem, was wir in deutschsprachigen Landen als Aperitivo-Kultur bezeichnen – also dem Aperitif – und dem italienischen Aperitivo, also jedwedem Alkohol mit Snacks. Diese Adaption des vermeintlichen Dolce Vita in das frühe Trinken zeigt auf halbwegs charmante Art, wie wir uns den italienischen Lebensstil vorstellen möchten: irgendetwas Rotes im Glas mit Alkohol, und zwar früher als eigentlich erlaubt.

Wobei das Peroni zur italienischen Trinkkultur genauso gehört wie das Augustiner zur deutschsprachigen. Um 15 Uhr auf der Piazza sitzend, läuft es also unter Aperitivo, nach der Arbeit an der Alster allerdings unter Aperitif. Denn der Aperitif muss, ganz im Gegensatz zum Digestif, den Appetit und Speichelfluss anregen, wozu bittere Zutaten wie Wermut, Campari oder auch Champagner imstande sind.

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Die schönste Ausrede für Alkohol vor 16 Uhr

Bei der Neuköllner Barbetreiberin des »Thelonious« und Falstaff-Barfrau des Vorjahres, Laura Maria Marsueschke, besteht die klassische Hausbar der italienischen Drinks aus Wermut, Bitter- und Kräuterlikören, Verjus und Fruchtlikören. Für sie ist der Aperitivo vor allem eines: die schönste Ausrede, bereits vor 16 Uhr einen sitzen zu haben. Ihr fällt auf, dass die Nachfrage nach Wermut-Tonics in den letzten Jahren zugenommen hat; dennoch findet sie es hilfreich, Aperitif-Cocktails proaktiv zu empfehlen, da vielen Menschen für das frühe Getränk oftmals wenig Originelleres als ein Bier einfällt.

Und auch wenn es sich bei 25 Grad schöner trinkt, bleibt die italienische Liga der Drinks für sie eine Frage der Uhrzeit, nicht der Saison. So könnte sie sich auch einen warmen Aperitivo vorstellen: Roter Wermut, Grand Marnier und Pimentlikör, aufgegossen mit heißem Wasser und Zimtstange – fertig ist der italienische Feierabend im Februar. Was es in ihren Augen in puncto Aperitivo-Kultur zu vermeiden gilt? »Der Gedanke, dass es ein ›zu früh‹ gibt. Gibt es nicht.«

Von der Piazza über die Hütte auf die Terrasse

So zumindest trinkt es sich in Berlin, während man sich in Italien wähnt. Dabei dreht sich die Welt auch in Italien weiter. Bei dem Südtiroler Bartender und Gastronomen Hannes Andergassen aus Kaltern beispielsweise dreht es sich beim Thema rund um den italienischen Cocktail keineswegs bloß um den Aperitif. Und einmal ganz davon abgesehen: »Generell ist jeder Alkohol ein Appetitanreger – im Falle des Bombardino ist er allerdings besser als Nachtisch geeignet«, so Andergassen.

Und auch der Eierlikör-Drink mit obligatorischem Sahnehäubchen entwickelt sich weiter: So heißt der Bombardino mit Whisky »Scozzese«, der mit Rum »Pirata« und der mit Espresso »Calimero« – der klassische Ort für sie alle ist die Skihütte. Ganz offensichtlich ragt der italienische Cocktail über den Rand der Aperitivo-Kultur hinaus, so verschwommen diese auch sein mag. Schließlich sei der Aperitivo ein »365-Tage-Ereignis«, das nicht nur in Italien nicht mehr wegzudenken sei, erzählt Andergassen.

Thomas Pflanz gewinnt dem Grundrezept des legendären Cocktails mit seinem »Negroni Celentano« neue Aroma-Facetten ab.
© Hildegard Bar
Thomas Pflanz gewinnt dem Grundrezept des legendären Cocktails mit seinem »Negroni Celentano« neue Aroma-Facetten ab.

Manche mögen's heiß

Trends, die Andergassen in den vergangenen Jahren verzeichnet hat, reihen sich definitiv in jene Entwicklungen ein, die auch an den deutschsprachigen Tresen spürbar waren – Food Pairings, wohin man auch sieht, eine Entwicklung weg vom Tumbler und hin zum Stielglas sowie die »Mocktails: eine schmerzhafte Wortschöpfung zur leichten alkoholischen oder ganz alkoholfreien Alternative zu den Klassikern«, erklärt Andergassen.

Immerhin, der Negroni als absoluter Klassiker unter den italienischen Drinks wird eine stabile Säule im Kreise der hochprozentigen Cocktails bleiben, auch wenn es hier ebenfalls Neues zu berichten gibt: Der Zürcher Buchautor Peter Jauch (zuletzt: »Gin: Das Buch«, AT Verlag) trinkt seinen Negroni gern mit weißem Wermut und einem Navy Gin oder V.J.O.P.: »Je nach Tageszeit bestelle ich noch ein trockenes Tonic dazu«, so Jauch. Abgeschaut hat er sich das in der Münchener »Goldenen Bar« von Klaus St. Rainer. Und diesen »Negroni on Tonic« verleibt er sich gern auch schon einmal um 12 Uhr am Mittag ein.

Falco Torini, Schweppes Brand Ambassador, ehemals »Ory Bar«, rückt die alkoholfreie Aperitivo-Variante ins Rampenlicht.
© Miranda Bar
Falco Torini, Schweppes Brand Ambassador, ehemals »Ory Bar«, rückt die alkoholfreie Aperitivo-Variante ins Rampenlicht.

Wenn es um heiße Aperitivo-Drinks geht – immerhin ist es noch herzlich kalt –, fällt dem Gin-Experten vor allem die Londoner Hot-Drinks-Kultur ein; zunächst einmal nicht besonders italienisch, im Prozedere allerdings schon. Immerhin hat man in London auch mehr Zeit, sich an Alternativen des klassischen Aperitivo anzupassen. Etwa mit dem »Hot Negroni«, mit dem Sipsmith derzeit die Londoner Dachterrassen bespielt: Hierfür werden 25 ml Sipsmith London Dry Gin mit 25 ml Campari und 25 ml Sweet Vermouth mit rotem Früchtetee in der Teetasse verrührt und mit frischer oder getrockneter Orangenscheibe garniert.

Torini sieht die Trends der Zeit ähnlich wie Andergassen im alkoholfreien Drink – gerade in puncto Frühjahr und den guten Vorsätzen. Hierfür schlägt er einen alkoholfreien Americano vor. Saluti!

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Juliane Eva Reichert
Autor
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