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Besuch am »Gutshof Weng«: Was wir über die Fleischerzeugung der Zukunft lernen können

Sie leben in der ländlichen Idylle, hören den ganzen Tag Mozart und lassen sich rund um die Uhr in den eigenen vier Wänden massieren: Achtung, hier handelt es sich nicht um ein paar anspruchsvolle Pensionäre, die sich einen schönen Lebensabend gestalten, sondern um die Murnau Werdenfelser Rinder, die auf dem »Gutshof Weng« in Amerang zuhause sind. Von dem luxuriösen Lifestyle der Rinder, deren Rasse vom Aussterben bedroht ist, konnte sich Falstaff bei einem nicht minder anspruchsvollen Besuch auf dem Hof jüngst selbst ein Bild machen.

Kulinarischer Auftakt

Die Reise startete allerdings nicht im Chiemgau selbst, sondern mit einem Frühstück im »Carl&Sophie Spree Restaurant« in Berlin Moabit. Der bayerische Unternehmer Ernst Freiberger, der in den 1970er Jahren in Berlin mit einer Fabrik für Tiefkühlpizzen erfolgreich wurde, besitzt nun neben mehreren Reha-Kliniken und Immobilien auch Restaurants wie das »Carl&Sophie« in Moabit und das »Dieselhaus« an der Museumsinsel. Auch der »Bio Gutshof Weng«, der in seiner Chiemgauer Heimat Amerang gelegen ist, gehört zu Freibergers Projekten zwischen Bayern und Berlin. Der Gutshof beliefert die beiden Restaurants in Berlin exklusiv mit Bio Rind- und Schweinefleisch, die Tiere werden sozusagen In-House großgezogen, wie uns beim Frühstück mit Blick auf die Spree erklärt wird.

Einige Stunden später, angekommen im bayerischen Idyll, führt uns ein kurzer Spaziergang vom Hotel »Das Stein« vorbei an einem vor tiefblauem Himmel thronenden Maibaum direkt auf das Gelände des »Gutshof Weng«. Dort werden wir zunächst von den Küchenteams von »Dieselhaus« und »Carl&Sophie« mit einer Brotzeit begrüßt, die uns sofort von der Qualität des hier hergestellten Fleisches überzeugt: herrliche Pastrami, verschiedene Arten Speck und Schinken und kleine Würstchen mit Kren.

Anspruchsvolle Bewohner

Es folgt eine Führung über den Hof. Wir gelangen zunächst vorbei an den Ställen zur Schweinewiese, auf der sich die rund zwanzig »Bunte-Bentheimer«-Schweine, die aktuell hier gehalten werden, gerade im Schlamm suhlen. »Bunte Bentheimer« ist eine alte Schweinerasse, die rosa-schwarz gefleckt ist und sich nicht für Massentierhaltung eignet, weshalb sie kaum noch zu finden ist. Man hat sich nach Gesprächen mit diversen Spitzenköchen aus Geschmacksgründen für genau diese Rasse entschieden.

Das Besondere an ihrer Haltung auf dem Hof ist nicht nur die Biolandwirtschaft, sondern die Größe des Auslaufs, die die Vorgaben der Biozertifizierung um ein Vielfaches übersteigt. Zudem haben die Tiere ein längeres Leben als in der Fleischwirtschaft üblich.

All InKuhsive

Weiter geht es zu den eingangs schon erwähnten Murnau Werdenfelser Rindern. 53 von ihnen warten auf uns im Stall, aus dem neben vereinzelten Muhs, die sanften Töne einer Mozart-Sonate erklingen. Das verbessert nämlich nicht nur die Laune der Tiere, sondern auf lange Sicht auch die Qualität des Fleisches.

Zudem werden wir Zeugen einer Kuhmassage, die jedoch nicht, wie wir es uns vorgestellt hatten, von einem eigens dafür angestellten Therapeuten, sondern von einer im Stall stehenden Maschine durchgeführt wird. Das ist allerdings umso besser für die Tiere, die selbst entscheiden können, wann sie Lust haben, sich durchkneten zu lassen.

Gegenentwurf zur Massentierhaltung

Dass die Rinder einen glücklichen Eindruck machen, liegt aber nicht nur an diesen Annehmlichkeiten, sondern daran, dass sie doppelt so lange leben als sonst in der Fleischwirtschaft üblich– nämlich drei Jahre, wobei auf dem »Gutshof Weng« auch mit der Herstellung von Fleisch von über 10-17 Jährigen Kühen experimentiert wird.

Fleisch von älteren Tieren gilt z.B. in Spanien schon als Delikatesse, kommt hierzulande aber noch eher selten zum Einsatz. Die enge Zusammenarbeit mit Küchenchef Steve Großmann aus dem »Dieselhaus« und Küchenchef Martin Höse aus dem »Carl&Sophie« erlaubt die langsame Findung der optimalen Haltungsdauer.

Besonders beeindruckt hat uns, dass die Kälber auf dem Gutshof bei den Müttern aufwachsen und die Milch der Kühe ganz den Kleinen zu Gute kommt. Dies gestaltet das Leben der Rinder von Anfang an frei vom Stress der Trennung, der sowohl in der Milchwirtschaft als auch in der Fleischwirtschaft gängig ist.

Genussvolles Finale

Zum Abendessen servieren Großmann und Höse ein Menü, dass sowohl die Philosophie ihrer Küche als auch nochmals die Qualität des Fleisches vorführt: Klassiker wie Schweinefilet und geschmortes Rind kommen neben Banh Mi und Amatriciana auf den Tisch. Besonders das geschmorte Rind mit Süßkartoffelpüree und Soja-Zitrus Jus, das aktuell auf der Karte im Carl&Sophie zu finden ist, begeistert.

Den größten Qualitätsunterschied zwischen herkömmlichem Fleisch und dem Biofleisch vom »Gutshof Weng« schmecken wir beim Schweinefilet, das traumhaft zart und geschmackvoll ist. Zum Menü schenkt Sommelier-Legende Gunnar Tietz, der seit neuestem Gastgeber im »Carl&Sophie« ist, unter anderem Wittmann Riesling Morstein 2016 und Bernhard Huber Malterdinger Spätburgunder Alte Reben 2015 aus, beide ebenfalls auf der Weinkarte im Restaurant zu finden.

Abstecher ins Oldtimermuseum

Am nächsten Morgen, den Kopf voller Eindrücke vom Vortag, finden wir uns zu einem Weißwurst Frühstück à la »Dieselhaus« in Ernst Freibergers Oldtimermuseum im Herzen von Amerang ein. Das EFA Mobile Zeiten Museum ist eine Hommage an Ernst Freiberger Senior, der leidenschaftlich gern Autos sammelte. Nachdem die fantastischen Weißwürste samt Brezen verspeist wurden, steht der letzte Programmpunkt an: eine Tour im alten Mercedes-Cabrio von Amerang zum Chiemsee.

Während der See und die Alpen dahinter vor uns erscheinen, reflektieren wir nochmal etwas über das gestern Erlebte:

Hat man die Haltung der Rinder und Schweine am Gutshof einmal selbst begutachtet und das daraus entstandene Fleisch probiert, kommt man zu dem Schluss, dass sämtliche Fleischwirtschaft ausschließlich nach diesem humanen Muster betrieben werden sollte. Allerdings zeigt sich an den Zahlen– gerade einmal 2800 kg Fleisch werden hier im Jahr produziert– dass das nicht einmal den Bedarf der beiden Berliner Restaurants deckt, die exklusiv damit beliefert werden. Ein bis vier der Fleischgerichte auf den Speisekarten kommen aus eigenem Betrieb in Amerang, das restliche Fleisch wird – in ausgezeichneter Qualität– von anderen Betrieben bezogen.

Wegweiser für bewussten Fleischkonsum

Der »Gutshof Weng« setzt insofern einen sehr hohen Standard, von dem man sich wünschen würde, dass er auf die gesamte Gastronomie übergreift. Ein Standard, der allerdings beim aktuellen Angebot nicht konsequent eingehalten werden kann. Um ihn zu erfüllen, müsste realistischerweise wohl das gesamte Fleischangebot massiv heruntergefahren werden, denn diese Haltungsmethoden funktionieren, zumindest zum aktuellen Zeitpunkt, nicht auf der ganz großen Skala.

Was Ernst Freiberger in Amerang geschaffen hat, ist sehr beeindruckend und gleichzeitig ein weiterer Hinweis auf die Gretchenfrage im Punkto Nachhaltigkeit und Humanität in der Gastronomie: Wie auf Dauer umgehen mit dem Fleischkonsum?


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Maria Wollburg
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