Lösen sich die chinesischen Investments in Bordeaux langsam in Luft auf?

Lösen sich die chinesischen Investments in Bordeaux langsam in Luft auf?
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Bordeaux: Exodus der chinesischen Investoren?

In den letzten Jahren führte China nicht nur die Bordelaiser Export-Statistik an – auch immer mehr Châteaux wechselten in chinesischen Besitz. Doch jetzt scheint sich dieser Trend umzukehren.

Es begann etwa um die Jahrtausendwende: Für chinesische Investoren schien Bordeaux ein Land, in dem sich Gold schürfen ließe. Da ihre Landsleute zuhause immer mehr Interesse am bordelaiser Rotwein entwickelten, schien der Kauf eines Château samt seiner Weinberge ein krisensicheres Investment: Wäre zuhause in China erst einmal ein guter Name für das Weingut aufgebaut, so das Kalkül der Investoren, ließe sich der mit geringen laufenden Kosten erzeugte Wein mit hohen Gewinnmargen im Reich der Mitte an die wohlhabenden städtischen Eliten verkaufen. Damals stiegen auch Prominente auf Bordeaux-Gütern ein, so etwa die Schauspielerin Zhao Wei oder der Milliardär Jack Ma.

Ein – wie sich dann herausstellen sollte, trauriger – Höhepunkt dieser Welle war der Verkauf des namhaften Fronsac-Weingut Château de la Rivière im Jahr 2013 für einen vermuteten zweistelligen Millionenbetrag. Als der Verkäufer, der französische Geschäftsmann James Gregoire, den aus Hong Kong stammenden Käufer Lam Kok nach Abschluss der Transaktion zu einem Helikopterflug über die Weinberge einlud, stürzte der von Gregoire gesteuerte Hubschrauber in die Dordogne und kostete beide Geschäftsleute sowie den 12-jährigen Sohn des Käufers das Leben.

Anti-Korruptions-Gesetze zügeln den Bordeaux-Durst

Da die chinesische Regierung etwa zeitgleich strengere Corporate Governance Richtlinien erließ und damit ein Grund für den Kauf von Bordeauxweinen – nämlich von teureren Marken als Werbegeschenk – entfiel, sanken die Exporte von Bordeauxweinen nach China bereits im Jahr 2014 um nahezu ein Fünftel. Doch auch im unteren und mittleren Preissegment scheint die Zeit des Wachstums offenbar vorbei – und viele Weingutsbesitzer, die ihr Château oder ihre Châteaux erst vor wenigen Jahren erworben haben, stoßen die Besitztümer wieder ab. Bordeaux’ Tageszeitung »Sud Ouest« zitiert eine Mitarbeiterin von »Christie’s« in Bordeaux mit der Aussage, derzeit stünden etwa 50 von Chinesinnen und Chinesen gehaltene Weingüter zum Verkauf. Das wäre etwa jedes dritte Weingut, das sich in chinesischem Besitz befindet. Und ein Mitarbeiter der Behörde »SAFER«, die in Frankreich die Käufe und Verkäufe landwirtschaftlicher Flächen beobachtet, gibt ebenfalls in »Sud Ouest« zu Protokoll, dass er aktuell kein signifikantes Interesse chinesischer Investoren auf Käuferseite mehr feststelle. 

Die Tibetanische Antilope verwandelt sich zurück in Château Senilhac

Des einfacheren Marketings wegen hatten einige chinesische Investoren ihren Weingütern sogar Namen aus der Symbolwelt ihrer Heimat verliehen, Namen wie »Lapin Impérial« (kaiserlicher Hase) oder »Antilope tibétaine« (tibetanische Antilope). Diese Praxis rief in Bordeaux einige Polemik hervor, so äußerte Vorsitzende des Weinbauverbands Pomerol, Jean-Marie Garde, die Befürchtung, es könne das Renommee der ganzen Region beschädigen, »wenn sich alle großen Châteaux in Hasen und Antilopen verwandeln«.

Mit Blick auf die »tibetanische Antilope« zitiert »Sud Ouest« nun jüngst den Bürgermeister des Orts Saint-Seurin-de-Cadourne im nördlichen Haut-Médoc, Gérard Roi, mit der Aussage, der chinesische Investor habe nach der Übernahme 2017 angekündigt, den Wein zum Exportschlager zu machen und Schloss und Weingut herauszuputzen. All diese Hoffnungen seien jedoch »wie ein Soufflé zusammengefallen«. Eine Zeitlang seien nicht einmal mehr die Reben richtig gepflegt worden. Inzwischen wird der Wein wieder unter seinem alten Namen angeboten.

Es sei aber nicht so, fügt Roi an, dass alle chinesischen Besitztümer schlecht verwaltet würden, auf dem Gebiet seiner Gemeinde gebe es mit der Domaine Andron einen weiteren Betrieb in chinesischem Besitz, und der behaupte sich recht gut. Auch das bereits oben erwähnte Château de la Rivière sowie das ebenfalls seit einiger Zeit in chinesischer Hand befindliche Cru Classé Bellefont-Belcier in St. Émilion sind für unverändert gute, oder zuletzt sogar steigende Weinqualität bekannt.


Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
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