Huhn in Sherry mit Morcheln.

Huhn in Sherry mit Morcheln.
© Lena Staal, Johannes Kernmayer

Cortis Küchenzettel: Französisch mit Spaniern

Natürlich schmeckt Sherry am allerbesten eisgekühlt zu ein paar meeresfrischen Tapas. Ist den Franzosen halt komplett egal, die machen lieber richtig gutes, gutbürgerliches Essen draus. Wollen wir auch haben!

Die Geschichte handelt von den Südspaniern und den ­Franzosen, ganz am Anfang aber stehen die Engländer. Die kennen sich zwar beim Essen nicht so wirklich gut aus, beim Trinken aber macht ihnen seit vielen Jahrhunderten keiner was vor. Ganz im Gegenteil. Ob Sherry oder Port, ob Madeira, Marsala oder sogar Bordeaux: Die großen historischen Namen des guten Weins (ja, da hat sich einiges geändert …) sind eigentlich fast ausnahmslos dem großen Durst der Briten zu verdanken. Die waren bekanntlich die Herren der sieben Weltmeere und feste Trinker noch dazu.

Weil sich in der Heimat eher keine brauchbaren Tropfen keltern ließen, schauten sich die Briten eben an benachbarten Küsten um. Bordeaux, wo es bis heute etliche Châteaux mit englischen Namen gibt, war so ziemlich die erste Küste mit richtig gutem Boden für Wein. Das obere Tal des Douro, bei Porto, war auch so ein Fall, auch hier sind die ­großen Portweinhäuser britischen Ursprungs. In Andalusien war es nicht anders. Die Idee, Wein mit Weinbrand zu versetzen, um ihn für Schiffsreisen stabiler zu machen, war, natürlich, auch eine ­britische Idee. Wir erkennen: Es gab eine Zeit, da war der ­britische Geist richtig wichtig für die ­Entwicklung europäischer Exzellenz.

Aber das nur nebenbei. Hier soll es ja darum gehen, dass die Franzosen so ziemlich alles, was nicht auf eigenem Boden an Wein gedeiht, die längste Zeit bloß in
den Kochtopf schütteten. Auch aus dieser Form des Chauvinismus ist Großartiges entstanden, man denke nur an Foie gras in ­Portwein, an Kalbsnieren in Madeira oder eben an Hühnerfrikassee (oder auch Kaninchen!) in Sherrysauce. Das sind Denkmäler der bürgerlichen französischen Küche, die schon immer im Wein so richtig groß geworden sind.

Der aufgespritete Wein aus der Glut Andalusiens, der durch die Reifung unter der Florhefe seinen einzigartig salzigen, würzigen und natürlich oxidierten Charakter erhält, nimmt dabei eine Sonderstellung ein. Sherry hat die Eigenschaft, beim Kochen eher dezenter zu werden – bei Port oder Madeira ist das Gegenteil der Fall. Deshalb lässt er sich durchaus in groß­zügiger Menge einsetzen, ohne die Eleganz des Gerichts zu beeinträchtigen. 

Ganz besonders gut funktioniert die Kombination mit Morcheln. Ob getrock­nete besser sind oder doch frische, ist eine Streitfrage: Von der Konsistenz sind frische natürlich unschlagbar, in Sachen Aroma tut sich bei getrockneten aber unvergleichlich mehr. Bald schon wird sich wieder Gelegenheit ergeben, die Probe aufs Exempel zu machen. Aber bis die ersten Morcheln in unseren Auen sprießen, nehmen wir so oder so mit den getrockneten Exemplaren vorlieb. In der Kombination mit dem milden Feuer der Sherrysauce spielen sie ihre Trümpfe souverän aus.

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Erschienen in
Falstaff Nr. 02/2023

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Severin Corti
Severin Corti
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