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Deutsche Winzer: Vorsichtiger Optimismus zur Lese

Wie sieht es mit der Weinlese in Deutschlands Regionen aus? Falstaff hat nachgefragt und mit einigen Winzern sprechen können.

Wer in diesen Tagen als Weinkenner auf die Wettervorhersagen blickt, kann schon etwas zusammenzucken: Die Meteorologen haben viel Regen im Angebot, und das bei vergleichsweise milden Temperaturen. Da fühlt man sich an Herbste wie 2006 oder 2010 erinnert, die am Ende zu einer erzwungenen Turbo-Lese führten – und zu Weinen, die teils früh verblüht sind, teils aber heute noch ausgezeichnet im Glas stehen. Aber wie sieht es in Deutschlands Regionen im Einzelnen aus? Falstaff hat bei den Weinbauverbänden nachgefragt.

Pilzdruck, aber gute Reife

»Kein einfaches Jahr«, sagt Andrea Engelmann vom Rheingauer Weinbauverband, und diese Aussage gilt natürlich nicht nur für den Rheingau. In allen deutschen Anbaugebieten, und man kann sogar sagen: In ganz Weinbau-Europa hat der feuchte Sommer zu erheblichen Problemen mit falschem Mehltau (Peronospora) geführt. Bei dieser Pilzkrankheit wird zunächst das Laub geschädigt, später können sich in den Trauben so genannte Lederbeeren bilden, die dem Wein ein pilziges Aroma und Bittertöne mitgeben, wenn sie nicht ausgesondert werden. Um solche Schäden zu verhindern, mussten die Winzer im Sommer viele Sonderschichten für Pflanzenschutzmaßnahmen einlegen.

Die Traubenreife ist indes auf einem guten Weg: »Die Oechsle haben sich gut entwickelt«, so berichtet Andrea Engelmann aus dem Rheingau, »der Riesling ist aus dem kritischen Bereich raus, übers ganze Gebiet liegen wir momentan bei etwa 78 Oechsle, in Hochheim messen die Winzer schon 85 Grad, und im Bereich Walluf oder Eltville auch schon 86 Grad«.

Preiserhöhungen wahrscheinlich

Im Gang ist die Lese in den meisten deutschen Rieslinggebieten allerdings noch nicht, Ansgar Schmitz vom Moselwein e.V. rechnet damit, dass der Beginn der Rieslinglese je nach Lage und angestrebter Weinstilistik »ab 5. bis 10. Oktober« sein wird. »Die Lage ist sehr unterschiedlich«, so Schmitz weiter, »von sehr gutem Zustand der Trauben bis hin zu Problemen mit Pero. Vor allem die Biowinzer rechnen aufgrund von Peronospora mit deutlichen Ertragseinbußen.« 

Bei den Burgundersorten und vor allem in den südlichen Weinregionen hat die Lese allerdings bereits begonnen, so etwa in Baden, wo die Lese des Müller-Thurgau bereits weit fortgeschritten ist, und diejenige des Grauburgunders begonnen hat. »Ende 70 Grad Oechsle beim Müller-Thurgau und deutlich über 80 Grad beim Grauburgunder« meldet Christina Lauber vom Badischen Wein. Die letzten zehn bis 15 Tage hätten mit ihrer trockenen Witterung und ihrem Sonnenschein die Lese gerettet. Lauber unterstreicht aber auch noch einen anderen Punkt: »Wein ist ein Naturprodukt, das nicht in beliebiger Menge verfügbar ist. Manche Regionen hatten dieses Jahr durch Frost oder Trockenheit erhebliche Mengenverluste. Dazu kommt die viele manuelle Nacharbeit, die die Winzer dieses Jahr leisten mussten. Das alles muss seinen Preis haben. Der Jahrgang 2021 ist einer, in dem der Wein Preiserhöhungen durchsetzen kann und muss.«

Auch Bernd Kern vom Rheinhessenwein e.V. betont, dass der Arbeitsaufwand dieses Jahr enorm sei: »Parzellen, die für die Ernte von Lagen- und Premiumweinen vorbereitet sind, erfahren gerade nochmals eine intensive Handarbeit, um letztlich mit gesunden Trauben auf die Zielgerade dieses Jahrgangs einbiegen zu können.« Nach einigen Niederschlägen von Freitag vergangener Woche und wegen der derzeit recht milden Witterung rechnet Kern mit einem »zügigen« Voranschreiten der Lese. Aus der Analyse bereits eingebrachter Mosten schließt er, dass »uns nach einigen äußerst sonnenverwöhnten Jahren nun ein charakteristischer Cool-Climate-Jahrgang ins Haus steht. Indiz dafür sind die aktuell gemessenen Säurewerte, die im Vergleich zu den Mittelwerten von 2006 bis 2020 um 2 bis 3 Gramm pro Liter höher liegen.«

Nervensache

Für die Winzer ist der Herbst natürlich immer auch ein Pokerspiel: Wie lange kann man die Trauben noch hängen lassen, um die Reife auszureizen? Mit Blick hierauf berichtet Kern, dass die Lese seinem Eindruck zufolge »recht besonnen vor sich geht. Der tagtägliche Entscheidungs-Kreisel zwischen Gesundheitszustand, Reifegrad und Säurefrische läuft ziemlich rund, und die anfängliche Skepsis wegen des Rückstands in der Vegetation wird durch eine positive Herausforderungs-Stimmung abgelöst.«

Auch Hermann Mengler, der Weinbauberater des Bezirks Unterfranken, attestiert den Winzern, trotz des anstrengenden Sommers noch gut in Form zu sein: »Winzer sind leidenschaftlich, und auch leidensfähig, die sind mit ihren Kräften noch lange nicht am Anschlag«. Mit der Lese des Silvaners rechnet Mengler nicht vor Anfang Oktober, der Müller-Thurgau sei mit Mostgewichten zwischen 75 und 85 Grad im Keller, »die Klimabedingungen seit Anfang September hätten fast nicht besser sein können für die Aromatik, die Weine haben zudem eine feine Struktur, und die Menge ist genau das, was der Markt braucht«.

Die Stimmung bei den Winzern, so Mengler weiter, erlebe er derzeit als recht entspannt. »2018 war viel mehr Druck, weil die Mostgewichte drohten, in kurzer Zeit durch die Decke zu gehen. Sicher, der Jahrgang 2021 war nicht leicht, aber seien wir doch mal ehrlich: Eigentlich ist es genau gekommen, wie wir es wollten: Wir wollten endlich mal wieder ein Jahr ohne Frost. So ist es, zumindest hier in Franken, gekommen. Wir wollten endlich wieder mal ein Jahr mit Niederschlägen, die uns die Wasserreserven in den Böden auffüllen. Haben wir bekommen. Und wir wollten ein Jahr mit moderaten Mostgewichten. Auch das ist eingetreten. Eigentlich ist es fast schon ein Jahrgang nach Wunsch

Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
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