Weingut Meyer-Näkel stellt »Lost Barrels« vor

Im Jahrhunderthochwasser an der Ahr verlor das namhafte Dernauer Weingut fast alles. Auch 350 Barriques schwammen aus der Lagerhalle davon. Nur neun konnten gerettet werden. Die haben Dörte und Meike Näkel jetzt einzeln abgefüllt – die rund 2500 Flaschen können ab Dezember subskribiert werden.

Für den Jahrgang 2019 dekorierte Falstaff das Weingut Meyer-Näkel mit der Auszeichnung für die »Kollektion des Jahres«. Die Frage, wie der Nachfolgejahrgang ausgefallen ist, lässt sich nun immerhin in Umrissen rekonstruieren. Denn die Schwestern stellten am 18. November mit einem Menü bei Tim Raue in Berlin die Weine aus neun Barriques vor, die in der Flut intakt geblieben waren und in den Tagen nach der Katastrophe gerettet werden konnten. Jedes der Fässer hat seine eigene Geschichte, die auch auf dem Etikett Ausdruck findet, wo die GPS Koordinaten des Fundorts aufgeprägt und mit einem Lack aufgedruckt sind, der im Dunkeln fluoresziert – eine Erinnerung an die Tage nach der Katastrophe, als es keinen Strom und kein Licht gab.

Dank handschriftlicher Aufzeichnungen konnten die mit Nummern und eingebranntem Betriebslogo gekennzeichneten Fässer eindeutig zugeordnet werden: Drei Fässer enthielten Wein aus der Dernauer Lage Pfarrwingert, zwei aus dem Hardtberg desselben Orts, je ein Fass enthielt Weine aus Ahrweiler Daubhaus, Walporzheimer Kräuterberg, Neuenahrer Sonnenberg und Marienthaler Trotzenberg. Alle neun sind selbstredend Spätburgunder. Das Bild, das sich aus diesen Kelterungen vom Jahrgang gewinnen lässt, zeigt einen Jahrgangstyp mit dichtem, aber reifem Gerbstoff, mit schöner Fülle und einer komplexen Verbindung aus Frucht und Würze. Qualitativ auf ähnlichem Niveau wie 2019, wenngleich durch die stoffigere Anlage vielleicht sogar noch potenzialreicher als der exzellente Jahrgangsvorgänger.

»Jedes Fass war ein Mutmacher«

Für die Näkel-Schwestern war die Präsentation dieser Weine ein emotionaler Moment. Sie wurden am Fluttag in der Barriquehalle beinahe eingeschlossen und waren in akuter Lebensgefahr. Nur mit knapper Not konnten sie durch das letzte erreichbare Fenster ins Freie gelangen, wo sie von der Flut mitgerissen wurden und sich mit Glück an einen alten, hohen Baum klammern konnten. Acht Stunden lang mussten sie auf das Fallen des Wasserpegels und auf Hilfe warten. Nachdem sie vom Baum herabgestiegen waren, hätten sie schon ein paar Stunden später mit den Aufräumarbeiten begonnen – mit einfachen Schaufeln gegen Tonnen von Schlick und Unrat. »Jedes Fass, das irgendwo gefunden wurde, war ein Mutmacher«, erinnert sich Meike Näkel. Und Dörte Näkel fügt an: »Und wenn man aus den Trümmern nach oben geschaut hat, dann sahen die Weinberge wunderschön aus wie immer.«

Auf der Website lost-barrels.com kann man sich für die Subskription der Flaschen in eine Interessentenliste eintragen. Zudem werden die Dauben der geleerten Fässer von der Forge de Laguiole zu Kellnermessern verarbeitet werden. Die verlorenen und wiedergefundenen Weine werden in den nächsten Wochen außer in Berlin auch noch in Bangkok und in New York präsentiert werden – Orte, die Tim Raue in seinem begleitenden Menü aufnahm.

Ebenso wie den Atlantik, den das am weitesten entfernt aufgefundene Fass beinahe erreicht hätte. Leider was dieses übrigens wie zahlreiche andere, von denen die Familie Näkel Kenntnis erhielt, nicht mehr nutzbar: Ein Weinkenner aus Nijmegen in den Niederlanden schickte eine E-Mail und ein Foto eines Meyer-Näkel-Fasses, das er beim Spaziergang am Strand im Schilfgras gefunden hatte. Leider war der Inhalt größtenteils ausgelaufen und der Rest nicht mehr genießbar.

 

Die Fässer im Tasting >


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Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
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