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Ernährung in der Zukunft: Dürfen wir noch Fleisch essen?

Bald sind wir neun Milliarden, und fast alle wollen immer noch mehr Fleisch genießen. Wie soll sich das ausgehen, noch dazu, wo Rinder zu Recht als besondere Klima- und Schweine als Umweltsünder gelten? Auswege aus dem Dilemma.

Wer vergangenen Sommer durch den Salzburger Lungau gefahren ist, der konnte sie allerorten auf den grünen Matten und saftigen Almen stehen sehen: prächtige Rinder, die sich hier oben, an der köstlich frischen Bergluft, mit würzigen Kräutern und Gräsern den Bauch vollschlugen, um hernach, wohlig in der Sonne liegend, ganz gemütlich wiederzukäuen und zu verdauen. So ein Rindvieh ist schon ein besonderes Wunder der Natur. Nix als Gras fressen, aber ein richtiges Trumm von einem Tier! Wo das alles nur herkommt? Ist tatsächlich faszinierend. Weil nur ganz wenige Lebewesen in der Lage sind, aus Gras Energie zu generieren. Für den Menschen, der sonst fast alles kann, ist das völlig unmöglich. Die Kuh hingegen wächst zu einem mehr als stattlichen, zentnerschweren Wesen heran und gibt wie nebenbei auch noch zig Liter Milch am Tag. Wenn es dann ans Schlachten geht, liegen viele Hundert Kilo allerbestes Fleisch auf der Waage. Umso erstaunlicher ist, dass man die Tiere inzwischen immer seltener in ihrer angestammten Umgebung, auf der Weide, antrifft.

Dabei klingt das doch wie ein fabelhaftes Rezept, um auf nachhaltige Weise an richtig gutes Fleisch zu kommen. Und die Wissenschaft hat herausgefunden, dass Rinder, die mit Gras und Heu gefüttert werden, entscheidend weniger Methan und CO2 in ihren multiplen Mägen produzieren als mit Kraftfutter gemästete Tiere. Weil es, den Subventionen für die Landwirtschaft sei Dank, vordergründig billiger ist, werden Rinder immer öfter nur noch in Ausnahmefällen auf die Weide gelassen – deswegen sieht man sie bei uns auch immer seltener! Statt­dessen bekommen sie Mais, Getreide und anderes Kraftfutter, für das ihr Verdauungssystem gar nicht ausgelegt ist. Die gefürchteten Methanfurze sind die Folge, aber auch Entzündungen der Leber, die nur mit Antibiotika in den Griff zu bekommen sind.

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Hauptsache, das Schnitzel schmeckt?

Bei des Österreichers liebstem Fleisch, dem Schwein, ist es nicht viel anders: Die Ausscheidungen von Millionen Schlachttieren sind ein Problem für die Umwelt, von der ethischen Frage ganz abgesehen, dass wir diese intelligenten, sozialen Tiere in enge Ställe sperren, die ihren Bedürfnissen in keinster Weise gerecht werden. Aber Hauptsache, das Schnitzel schmeckt.

Das gefühlte Menschenrecht auf beliebige Mengen günstigen Fleisches wird sich auf die Dauer nicht aufrechterhalten lassen. Wie aber können wir unsere Ernährung in eine Richtung drehen, die weniger Schaden an Klima und Umwelt anrichtet, gleichzeitig aber kein Minus an Genuss und Lebensfreude bedeutet? Wie können wir dem guten Essen frönen, ohne deshalb permanent die Klimakatastrophe anzuheizen und uns am Grundrecht auf artgerechte Aufzucht zu vergehen?

Vielleicht hilft ein Blick zurück. Es ist gar nicht so lange her, dass der uralte Pakt, den der Mensch und die Nutztiere einst miteinander geschlossen hatten (Sicherheit, artgerechtes Leben und regelmäßiges Futter hier – Milch, Fleisch, Fell und Schmalz da) noch von beiden Seiten eingehalten wurde. Es ist noch gar nicht so lange her, dass Fleisch in Festtagsportionen auch nur dann, nämlich an Festtagen, auf den Tisch kam. An den anderen Tagen wurden auch Fleisch und tierisches Protein aufgekocht, nur halt in geringerem Ausmaß. In Gerichten, die durchwegs zum Kanon unserer Lieblingsspeisen gehören, von Krautwicklern bis zu gefüllten Paprika, von Speckknödeln bis Schinkenfleckerln, von Frittatensuppe bis Faschingskrapfen – weil die Knochen und das Schmalz bekanntlich auch wertvolle tierische Lebensmittel sind.

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Im Fernen Osten, wo der Fleischkonsum rapide am Zunehmen ist, verhält es sich nicht anders: Auch da ist die Küchentradition voll von herrlichen Gerichten, in denen Fleisch eher als Gewürz eingesetzt wird, von »Mapo Tofu« über »Yu-Xiang-Melanzani nach sichuanesischer Art« bis zu »Ganbian-Fisolen« oder »Dandan Noodles« und, natürlich, allerlei gefüllten Teigtaschen, bei denen Fleisch in den wohlschmeckendsten Fällen meist ebenfalls nur als eine von etlichen Zutaten zum Einsatz kommt.

In Italien ist es ohnehin seit jeher so: Die Wunderwerke der Cucina povera sind entweder komplett vegetarisch oder, wie bei der friulanischen Kraut-und-Bohnen-Suppe »Jota«, der gesamtitalienischen Minestrone, der piemontesischen »Bagna cauda« oder den neapolitanischen Arancini (und erst recht der Pizza!), nur mit vergleichsweise minimalem, würzendem Einsatz von Fisch und Fleisch.

Dass alle diese Köstlichkeiten ganz herausragendes Essen darstellen, wird niemand bestreiten. Dass man nach ihrem Genuss auch deutlich beschwingter und, im wahren Sinne, gestärkter vom Tisch aufsteht als nach Stelze, Rindsroulade oder Tournedo Rossini, ist auch kein Geheimnis. Niemand will mit Verboten dem Genuss einen Riegel vorschieben. In Wahrheit geht es ums Gegenteil: zu erkennen, dass echter Genuss nur solcher sein kann, nach dem man sich nicht bloß selbst kurzfristig großartig fühlt, sondern gleichzeitig auch weiß, dem Weiterbestand und Wohlbefinden unseres Lebensraumes Erde damit nicht entgegengestanden zu haben. In diesem Sinne: Guten Hunger!


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Erschienen in
Falstaff Future 2023

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Severin Corti
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