Erde zu Erde … Auch ohne spirituellen Überbau ist diese Feststellung absolut zutreffend. Ohne fruchtbaren Boden gäbe es kein Leben auf unserem Planeten, wie wir es kennen. Entsprechend gut sollten wir auf »unsere« Erde aufpassen.

Erde zu Erde … Auch ohne spirituellen Überbau ist diese Feststellung absolut zutreffend. Ohne fruchtbaren Boden gäbe es kein Leben auf unserem Planeten, wie wir es kennen. Entsprechend gut sollten wir auf »unsere« Erde aufpassen.
© Honey & Bunny | Ulrike Köb | Daisuke Akita

Honey & Bunny: Letzte Chance für unsere Erde

Nahezu jedes Lebensmittel, von dem wir uns ernähren, stammt auf die eine oder andere Weise aus der Erde. Und auch als Speicher des klimaschädlichen Gases Kohlendioxid ist Humus unersetzbar. Dennoch gehen wir mit unserem Boden um, als hätten wir unendliche Ressourcen davon. Ein möglicherweise fataler Irrtum.

Im Spätsommer und Frühherbst geht es ja oft ums Gehen. Vor Wirtshaus- oder Hüttenbesuchen legen wir jetzt besonders gerne einen mehr oder weniger anstrengenden Fußmarsch zurück. Etwas Bewegung in und die Aussicht auf eine bevorzugt bergigere Landschaft sind nun ein beliebtes Vorspiel für deftige Brettljausen, Bier aus der Flasche oder frisch gespritzten Wein. Beim Gehen selbst sollte der Untergrund weicher sein als im Alltag. Während wir normalerweise über Holz- und Steinböden, Waschbetonplatten oder Asphalt schreiten, erfordert eine Wanderung Wald- und Wiesenwege, also primär erdige Böden. Die schöne Landschaft sollte auch unter unseren Füßen sicht- und spürbar sein.

Allerdings wollen wir die Erde, deren angebliche oder echte Weichheit wir beim Gehen so genießen, nur selten auch sehen. Ein brach liegendes Feld gilt gemeinhin als hässlich. Ein Garten benötigt Blüten, Früchte und Blätter, um für uns ansehnlich zu sein, aber keinesfalls blanke Erde! Fruchtbarer Boden ist bestenfalls unsichtbar. Und am allerschlimmsten ist das Heimbringen von Erde an den Wanderschuhen. Dann mutiert der Wanderwegsboden flugs zum »Schmutz«, den man sich in die Wohnung oder ins Haus getragen hat und der da, am Ende gar in Küche oder Esszimmer, absolut überhaupt nichts zu suchen hat. 

Dabei stammt so gut wie jedes Essen (mit Ausnahme von Fischen, Meeresfrüchten und Salz) aus der Erde, also aus diesem Dreck, den wir nicht daheim haben wollen. Jede Pflanze wächst in und aus der Erde. Jedes essbare Tier frisst – je nach Platz in der Nahrungskette – Pflanzen oder aber Tiere, die zuvor Pflanzen gefressen haben. Ohne Erde wäre menschliches Leben schlicht nicht möglich. Ohne Erde stirbt die Menschheit aus.

»Kohlendioxid-Killer« Erde

Fruchtbarer Boden versorgt uns mit Leben und obendrein mit Lust. Abgesehen davon speichert er Kohlendioxid. Pflanzen verwandeln diesen gasförmigen Klimawandler in Stärke und lagern mithilfe ihrer Wurzeln einen nennenswerten Anteil davon im Erdreich ein. Je tiefer der Boden ist, desto mehr Kohlendioxid kann er aufnehmen. Und je mehr Lebewesen im Humus wirtschaften, desto tiefer reicht dieser. Auch deswegen ist Biodiversität so wichtig. So schafft zum Beispiel eine bewirtschaftete, artenreiche Almwiese die tiefsten Böden – und damit die effizientesten CO2-Speicher. Solch eine Wiese ist sogar effizienter als Wald: Eine Vielzahl unterschiedlichster Pflanzen, die selektiv von Rindern gefressen und verdaut werden, dabei produzierter Dünger und Abermillionen von Würmern, Insekten, Bakterien und anderen Kleinstlebewesen erschaffen gemeinsam gesündesten Lebensraum, lebensnotwendigen Wasserspeicher und höchst effiziente Kohlendioxidlagerstätten – besser geht’s nicht. 

Boden? Weg damit!

Fruchtbarer Boden ist eine der wertvollsten Ressourcen, die wir haben, und man möchte meinen, dass deswegen Politik und Gesellschaft gut darauf aufpassen. Doch leider ist genau das Gegenteil der Fall. Die alltägliche Bodenversiegelung schreitet rapide voran. Allein in Österreich werden pro Tag (!) im Schnitt 13 Hektar fruchtbares Land, das entspricht der Größe von 20 Fußballfeldern, versiegelt. Aus der angeblich so beliebten und sicher extrem wertvollen Natur machen Bürgermeister, Immobilienentwickler und Investoren so wichtige Dinge wie Autobahnen, Parkplätze, Einkaufszentren und Gewerbegebiete. Das bringt kurzfristig einfach mehr Rendite. Wir zerstören fruchtbare, lebensnotwendige, uns alle ernährende Erde, beuten sie aus, betonieren sie zu und machen schnelles Geld daraus. Am Ende ist diese (fast) unwiederbringlich verloren – die Renaturierung versiegelter Flächen braucht viele Jahrzehnte. So geht Verantwortung …

Dazu kommt: Versiegelter Boden vernichtet nicht nur Lebensraum für Tausende Arten und das Potenzial, Essen zu produzieren, sondern er verschwendet auch Wasser. Das immer knapper werdende und überlebensnotwendige Element rinnt auf Beton und Asphalt einfach ab und zischt so unverwendet in Richtung Weltmeere, statt im Boden gespeichert zu werden. Für unsere Nahrungsmittelversorgung ist das langfristig gefährlich. Wissenschaftler der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) prognostizieren wegen des massiven Wasserverlustes durch fortschreitende Bodenversiegelung einen Rückgang der landwirtschaftlichen Erträge in Österreich um 35 Prozent – uns zwar schon bis zum Jahr 2040! Derartige Entwicklungen werden auch besorgniserregende Folgen für die Lebensmittelpreise haben. Solch fahrlässiger Umgang mit Grund und Boden ist nicht zuletzt auch sozialer Sprengstoff.

Es geht hier um uns selbst!

Boden zu schützen heißt, uns Menschen zu schützen. Nicht die Bewahrung der Natur, sondern die Bewahrung der Menschheit steht auf dem Spiel. Insofern sollten wir schön langsam eine Symbiose von Erde und Mensch anstreben. Wir sind ein Teil der Natur, nicht ihre Beherrscher. Immerhin ist uns die Biosphäre ein paar Hundert Millionen Jahre Evolution voraus und bringt jede Menge Expertise zu funktionierender Kreislaufwirtschaft mit. Unternehmer wie der Biobauer Alfred Grand haben das bereits vor Jahrzehnten kapiert. Er stellt auf seinem Bauernhof am Wagram aus abgefallenen Blättern und anderen »Abfällen« der Natur exzellenten Biodünger her. Pure Energie statt Kunstdünger aus der Fabrik. Auch immer mehr Köche wie Josef Floh aus Langenlebarn setzen sich mit dem Thema Erde auseinander. Da kommen auch einmal Humusstangerl auf den Tisch – also der verkochte Komposthaufen –, während Floh dazu einlädt, über Erde zu diskutieren und sie als essenziellen Bestandteil der Kochkunst zu betrachten. Es wäre nicht verkehrt, wenn auch einige Politiker zuhören würden.

© Honey & Bunny | Ulrike Köb | Daisuke Akita

Honey & Bunny

Sonja Stummerer und Martin Hablesreiter studierten Architektur. Während eines Arbeitsaufenthalts in Tokio begannen sie sich für Food-Design zu interessieren, seither gestalten und kuratieren sie Ausstellungen und Filme, realisieren »Eat-Art-Performances« und schreiben bzw. illustrieren Bücher.


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Erschienen in
Falstaff Nr. 06/2023

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Sonja Stummerer
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