(Trink-)Wasser ist die wichtigste Ressource der Welt. Und unser Umgang mit Wasser wird spielentscheidend sein, wenn es um die Zukunft der Menschheit geht.

(Trink-)Wasser ist die wichtigste Ressource der Welt. Und unser Umgang mit Wasser wird spielentscheidend  sein, wenn es um die Zukunft der Menschheit geht.
© Honey & Bunny | Ulrike Köb | Daisuke Akita

Honey & Bunny: Wahrer Luxus

In Abwandlung eines alten Spruchs könnte man sagen: Wasser ist nicht alles, aber ohne Wasser ist alles nichts. Denn sicher ist: Der Wasser-Schatz, über den wir im Alpenraum verfügen, ist mit nichts aufzuwiegen. Und unser Umgang mit dem kostbaren Nass entscheidet über die Zukunft der Zivilisation.

»Still oder prickelnd?« Diese Frage zieht uns regelmäßig den Nerv, mehr noch, sie deprimiert uns regelrecht! Warum will man uns im punkto Leitungswasserqualität nahezu flächendeckend paradiesischen deutschsprachigen Raum partout Flaschenwasser aufschwatzen? In allen drei Ländern bietet die Wasserleitung für gewöhnlich allerhöchste Qualität. Selbst in den Großstädten fließt beste Ware aus dem Hahn. Das Wiener Hochquellwasser ist legendär gut. Das ist ein unfassbarer Luxus und – wie wir selbst erfahren mussten – ziemlich einzigartig. In London atmeten wir mit jedem Glas Leitungswasser starken Chlorgeruch ein – angeblich wird in Großbritanniens Hauptstadt jeder Schluck Wasser sieben Mal getrunken. Dazwischen findet eine Aufbereitung statt, die merkbare olfaktorische und vielleicht auch unbemerkt weitere Spuren hinterlässt. In Tokio trugen wir ein Jahr lang jeden Tag zwei bis drei Liter Wasser aus dem Architekturbüro, in dem wir arbeiteten, nach Hause. Denn dort gab es einen Wasserfilter, der zumindest klinische Gerüche aus dem Leitungswasser entfernte.

Bei der Aufbereitung von Leitungswasser wird meist auf »chemische Methoden« gesetzt, also zum Beispiel auf den Einsatz von Chlor, um damit Bakterien abzutöten. Das ist eigentlich eine gute Idee, denn diese klitzekleinen Lebewesen können böse Krankheiten wie zum Beispiel die Cholera verursachen. Der 1843 geborene deutsche Arzt und Mikrobiologe Robert Koch entdeckte den tödlichen Zusammenhang zwischen verseuchtem Wasser und Infektionskrankheiten. Ihm verdanken wir unter anderem das Konzept der modernen Hygiene und unseren Respekt vor Bakterien.

»Gute« & »Böse« Bakterien

Aber wir Menschen tragen auch etwa drei Milliarden (oder zwei bis drei Kilo) Bakterien verschiedener Arten in unserem Magen-Darm-Trakt mit uns herum, die wir unbedingt brauchen. Jeder Mensch ist also Bakterien-Wirt – und das ist auch gut so, denn ohne diese winzigen Gäste in unserem Körper könnten wir nicht überleben. Sie helfen bei der Verdauung, sorgen für unsere physische und psychische Gesundheit und lösen bei schlechter Bewirtung Krankheiten aus – die Forschungen dazu haben gerade erst begonnen. Sicher ist aber bereits jetzt: Wir sollten unsere Magen-Darm-Gäste nicht vergraulen oder gar umbringen – aber genau das machen wir etwa, indem wir gechlortes Wasser trinken.

Jedes Lebensmittel, jedes Produkt, das hergestellt wird, verbraucht Wasser, manche davon eine unfassbar große Menge. Man bezeichnet diese Daten als virtuellen Wasserverbrauch.
© Honey & Bunny | Ulrike Köb | Daisuke Akita
Jedes Lebensmittel, jedes Produkt, das hergestellt wird, verbraucht Wasser, manche davon eine unfassbar große Menge. Man bezeichnet diese Daten als virtuellen Wasserverbrauch.

Wasser ist Menschenrecht

Aber Chlor im Trinkwasser hin oder her, der westlichen Welt steht ausreichend trinkbares Wasser zur Verfügung. Ganz anders sieht die Situation in der Dritten Welt aus. Laut Schätzungen der Vereinten Nationen haben mehr als zwei Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Wasser, Tendenz steigend. Bis zum Jahr 2040 werden darunter 600 Millionen Kinder sein. Jeder Schluck unsauberes Wasser kann Infektionskrankheiten oder andere Gesundheitsschäden verursachen. Verunreinigtes Wasser ist unter Umständen sogar tödlich. Immerhin: Im Jahr 2010 erklärte die UNO-Vollversammlung den Zugang zu sauberem Wasser zu einem Menschenrecht. Dem war allerdings ein jahrzehntelanges politisches Ringen vorausgegangen. Vor allem Abfüller von Flaschenwasser und private Wasserversorgungsunternehmen hatten vehement dagegen gearbeitet. Still oder prickelnd?

Der Klimawandel verschärft die weltweite Wasserkrise weiter. Hochwertiges Trinkwasser wird immer weniger. Dennoch übernehmen international tätige Abfüllunternehmen Wasserrechte in allen Teilen der Welt. Und das Geschäft läuft gut, denn Knappheit treibt die Preise hoch. Zunehmende Wasserkonkurrenz provoziert gleichzeitig rund um die Welt bewaffnete Konflikte, Flucht und Migration. Aber auch den wasserreichen Ländern rund um den Alpenkamm drohen Versorgungsengpässe. Ein Abschmelzen der Gletscher könnte aus den wasserspeichernden Gebirgen einfache Abflüsse machen. Die fruchtbaren und CO2-speichernden Hänge drohen auszuspülen und abzurutschen. Ein karger Steinhaufen anstelle einer biodiversen Kulturlandschaft würde Donau, Rhein oder Rhone aber kaum noch Zufluss liefern.

© Honey & Bunny | Ulrike Köb | Daisuke Akita

Davon betroffen wäre auch die reiche Landwirtschaft Europas. Die Produktion von Essen erfordert bekanntlich sehr viel Wasser. Eine der ersten und wichtigsten Leistungen der Menschen war das Ersinnen, Konstruieren und Bauen von Bewässerungsanlagen. Das machte das Zweistromland zu einer Wiege der Zivilisation, die Verteilung der beiden großen Ströme Chinas auf riesige Agrarflächen ließ die erste und innovativste Hochkultur der Welt entstehen. Bis heute werden Seen und Flüsse auf Feldern verteilt, um Essen zu erzeugen. Der Nil oder der Colorado River erreichen ihre Mündungen nicht mehr, denn ihr Wasser wird vorher aufgebraucht. Bis zu 4.000 Meter tief wird bereits gebohrt, um Wasserreservoirs mit viel fossiler Energie auf durstige Felder zu pumpen. Diese Lagerstätten haben aber keine Zuläufe – einmal leer, immer leer.

Übrigens: Ein Kilogramm Brot »enthält« etwa 1.300 Liter Wasser. Die Produktion von einem Kilo Rindfleisch erfordert mit zirka 15.000 Litern Wasser mehr als das Zehnfache. Man spricht bei solchen Berechnungen von virtuellem Wasserverbrauch. In Österreich, Deutschland und der Schweiz liegt der tägliche Wasserverbrauch pro Person um die oder knapp über 4.000 Litern. Wasser ist lebensnotwendig und wunderschön. Wasser ist ein Menschenrecht und es schmeckt fantastisch. Wasser ist wahrer Luxus. Und eine sichere Versorgung, wie wir sie in unseren Breiten haben, ist ein unschätzbar wertvolles Geschenk. Das sollten wir uns regelmäßig vor Augen führen, wenn wir den Wasserhahn aufdrehen.


Nichts mehr verpassen!

Melden Sie sich jetzt für unseren Newsletter an.

© Honey & Bunny | Ulrike Köb | Daisuke Akita

Honey & Bunny

Sonja Stummerer und Martin Hablesreiter studierten Architektur. Während eines Arbeitsaufenthalts in Tokio begannen sie sich für Food-Design zu interessieren, seither gestalten und kuratieren sie Ausstellungen und Filme, realisieren »Eat-Art-Performances« und schreiben bzw. illustrieren Bücher.

Erschienen in
Falstaff Nr. 05/2023

Zum Magazin

Sonja Stummerer
Martin Hablesreiter
Mehr zum Thema
Die Versorgung der Massen, ob in den Großstädten der Welt oder  auf dem Schlachtfeld, wie bei den Alten Römern, ist eine der größten Herausforderungen für die Lebensmittelproduktion.
Gruß aus der Küche
Honey & Bunny: Brot und Spiele
Bereits die alten Römer haben den unwiderstehlichen Reiz der Verbindung von kulinarischer...
Von Sonja Stummerer, Martin Hablesreiter
Snack Attack im Käfersupermarkt: Bei Weitem nicht alles, was in Südostasien verkocht und verzehrt wird, findet vor dem strengen Auge mitteleuropäischer Konsumenten Gnade.
Gruß aus der Küche
Honey & Bunny: Andere Länder...
… andere Speisezettel. Was in Südostasien auf den Teller kommt, ist manchen Zeitgenossen...
Von Sonja Stummerer, Martin Hablesreiter
Vielvölkerstaat Al Andaluz: In Andalusien lebten über viele Jahrhunderte Araber, Berber, Juden, Iberer und Nachkommen der Römer friedlich Seite an Seite, kultivierten ihre kulinarischen Traditionen und verschmolzen diese miteinander.
Gruß aus der Küche
Honey & Bunny: Multikulti kulinarisch
Nahezu acht Jahrhunderte lang regierten arabische Eroberer die südlichste Provinz Spaniens. Unter...
Von Sonja Stummerer, Martin Hablesreiter
Gruß aus der Küche
Honey & Bunny: Globaler Zuckerguss
Das Künstlerduo Honey & Bunny wandelt auf den Spuren des Zuckers und landet unter anderem bei...
Von Sonja Stummerer, Martin Hablesreiter
Pasta alleine macht noch keine mediterrane Küche aus … Immerhin sind die Mittelmeer-Anrainerstaaten in Europa und Nordafrika höchst divers, auch in kulinarischer Hinsicht.
Gruß aus der Küche
Honey & Bunny: Mehr als Mittelmeer
Das Künstlerduo Honey & Bunny über die Legende von der gesunden mediterranen Küche und welche...
Von Sonja Stummerer, Martin Hablesreiter
Den Schweinen gehört unsere ungeteilte kulinarische Aufmerksamkeit – was sich in einem Jahreskonsum von knapp unter 50 Kilo niederschlägt.
Gruß aus der Küche
Honey & Bunny: Wir armen Schweine
Kein Tier ist den Primaten ähnlicher als das Schwein. Trotzdem – oder genau deshalb? – essen...
Von Sonja Stummerer, Martin Hablesreiter
So einhellig die Christenheit zu Weihnachten Jesu Geburt in einem Stall in Betlehem feiert, so unterschiedlich sind die damit verbundenen kulinarischen Traditionen.
Gruß aus der Küche
Honey & Bunny: Das Fest der Feste
Weihnachten kulinarisch, das ist heute alles andere als eine einheitliche Erzählung. Vielmehr...
Von Sonja Stummerer, Martin Hablesreiter
Gruß aus der Küche
Honey & Bunny: Tokio calling
Während einer Reise in die japanische Hauptstadt erlebte »honey & bunny« nicht nur allerlei...
Von Sonja Stummerer, Martin Hablesreiter