An einem der schönsten Aussichtspunkte der Bodenseeregion liegt Schloss Arenenberg.

An einem der schönsten Aussichtspunkte der Bodenseeregion liegt Schloss Arenenberg.
© Helmut Fidler

Herrgotts Kegelspiel: Genusswandern am westlichen Bodensee

Fruchtbarer Boden auf der Höri, malerische Vulkane im Hegau: Das sind die besten Zutaten für einen kulinarisch wertvollen Aktivurlaub am Südzipfel Badens.

Das »s’Äpfle« sei vermutlich das einzige Bistro Europas mit einem Michelin-Stern, sagt Christopher Wolfram von Prack, Besitzer des Seehotels »Villa Linde« in Bodman-Ludwigshafen. Das hat folgenden Hintergrund: Nachdem das Lokal 2019 in dem frisch renovierten Anwesen am Wasser eröffnete, stieg es in nur elf Monaten zu einem wahren Gourmettempel auf, der von überall her Genießer anlockte. Doch Küchenchef Kevin Leitner ging, aus dem Restaurant wurde schließlich ein Bistro. Nun kann es sich auch 2023 noch mit dem Michelin-Stern schmücken, wenn auch für vergangene Leistungen.

Von Prack steht hinter dem kulinarischen Downsizing aus Nachhaltigkeitsgründen. »Ich kann es nicht mehr verantworten, dass Kobe-Beef aus Japan mit dem Container einmal über die Weltmeere zu uns geliefert wird«, sagt er. Oder im Winter Erdbeeren aus Südamerika. »Wir sollten wieder einen Bezug zu den Jahreszeiten entwickeln und uns darauf besinnen, was in der Region wächst.« Das kann sich freilich sehen lassen.

Seit 1920 existiert das Hotel »Linde« oberhalb des Hafens von Bodman am Bodensee.
Foto bereitgestellt
Seit 1920 existiert das Hotel »Linde« oberhalb des Hafens von Bodman am Bodensee.

Genüssliche Route

Wer von einem der Hegauer Vulkanberge hinüber zum Bodensee schaut, überblickt ein fruchtbares, reiches Land. Was hier im milden Klima Südbadens aus der Erde kommt, landet oft gleich auf dem Teller eines örtlichen Restaurants. Regional und saisonal, dieser Anspruch wird in vielen Küchen ernst genommen. 

Die westliche Seite des Bodensees mit dem Hegau und der Halbinsel Höri ist eine Region in Süddeutschland, in der sich Wandern und Genießen auf unangestrengte Weise verbinden lassen. Der 53 Kilometer lange Premiumweg »SeeGang« führt nicht nur geradewegs am »s’Äpfle« vorbei. Wer die genüssliche Route entlang des Wassers von Überlingen nach Konstanz absolviert, kann die Tour sogar mit einem Zwei-Sterne-Dinner im »Ophelia« abschließen. Oder im »San Martino«.  

Rund um die sieben markanten Vulkane im Hegau, die Heimatdichter Ludwig Finckh mal »Herrgotts Kegelspiel« nannte, sind zehn zertifizierte Premiumwanderwege entstanden, die sagenhafte Panorama-Ausblicke auf die Alpen bieten. Sanfte Hügel, verwitterte Burgruinen und liebliche Wälder, Obstgärten und Weinberge prägen die Landschaft. In den hübschen Altstädtchen von Tengen und Engen lässt sich bestens einkehren. 

Premiumwandern auf dem Seeweg zwischen Konstanz und Überlingen.
© REGIO Konstanz-Bodensee-Hegau e.V.
Premiumwandern auf dem Seeweg zwischen Konstanz und Überlingen.

Höchste Weinlage im Land

Eine Stärkung finden Wanderer auch im »Gasthaus Kreuz« in Singen. Sebastian Kopitzki tischt hier Gutbürgerliches mit internationalem Dreh auf, von Zwiebelrostbraten bis Hamachi. Alles Gemüse komme von der Insel Reichenau, sagt er, Trüffel direkt von einer nahen Plantage. »Ich versuche, meine Küche so regional wie möglich zu gestalten.« Mehr als eine Seite hat die Speisekarte nie.  

Singens Hausberg ist der Hohentwiel mit imposanter Festungsruine. An den sonnigen Südwesthängen befindet sich auf 560 Metern die höchste Weinlage Deutschlands, der Elisabethenberg. Die Monopollage wird vom Weingut Vollmayer bewirtschaftet. Der Familienbetrieb stellt vegane Bio-Weine her, vor allem aus Burgunder-Rebsorten, aber auch aus Müller-Thurgau, Chardonnay und Sauvignon Blanc. In der neuen Weinvilla können Aktivurlauber sich erholen, die Tropfen des Weinguts bekommen sie aber überall in der Umgebung. »Wir arbeiten viel mit Gastronomen aus der Region zusammen, auch aus Nachhaltigkeit«, sagt Lisa Vollmayer, eine der drei Schwestern aus vierter Familiengeneration.  

Am letzten Freitag im Juni lädt Familie Vollmayer zu Weingenuss im Freien ein.
Foto bereitgestellt
Am letzten Freitag im Juni lädt Familie Vollmayer zu Weingenuss im Freien ein.

Das »Falconera« in einer alten Fachwerkmühle auf dem Schienerberg auf der Höri setzt ebenfalls auf das, was vor der Haustür wächst. »Ich koche nach den vier Jahreszeiten, was Mutter Natur hergibt«, sagt Küchenchef Johannes Wuhrer, der sich als »Gemüsefanatiker« bezeichnet. Seit 2004 verteidigt er seinen Michelin-Stern mit geradlinigen Kreationen, die keine Schickimicki-Kochkunst sein wollen. »Ich bin einfach gestrickt und demütig vor dem, was ich an Zutaten bekomme.« 

Das gleiche lässt sich über Hubert Neidhart sagen, der nicht weit entfernt im »Grünen Baum« in Moos auf Ingredienzien wie die Höri-Bülle setzt, eine besonders milde rote Zwiebel, und auf Fangfrisches aus dem Bodensee: Hecht, Schleie, Rotauge. »Die Fischsuppe ist unser Aushängeschild. In meinen Wanderjahren in der Bretagne sagte mir der Küchenchef, das funktioniere mit Süßwasserfischen nicht«, erzählt Neidhart. Der Mann musste sein Urteil später zurücknehmen.  

Wer die Spezialitäten der Region kennenlernen will, kommt am besten zu den Kräuter- oder Genusswochen an die Westseite des Bodensees. Der spektakuläre Rheinfall liegt übrigens gleich um die Ecke, drüben in der Schweiz in Schaffhausen. Wer fit ist, kann in einem Tag von Singen hinüberwandern. 

Adressen

Falconera
In dem Sterne-Restaurant im Wallfahrtsort Schienen auf der Höri bieten Johannes Wuhrer und seine Frau Anne seit gut 20 Jahren Gourmet-Küche und saisonale Spezialitäten.
Zum Mühlental 1, 78337 Öhningen
T: +49 7735 2340, falconera.de

Gasthaus Kreuz
Eines der ältesten Gasthäuser in Singen, seine Geschichte reicht bis ins Jahr 1310 zurück. Deutsch-französische und regionale Einflüsse bestimmen die Karte. Das Dessert am besten nicht aussparen.
Mühlenstraße 13, 78224 Singen
T: +49 7731 5919706, kreuz-singen.de

Grüner Baum
Das Traditionsrestaurant in Moos ist für seine Fischspezialitäten bekannt. Solide Bodensee-Küche, modern interpretiert. Koch Hubert Neidhart ist Genussbotschafter Baden-Württembergs.
Radolfzeller Straße 4, 78345 Moos
T:  +49 7732 54077, gruenerbaum-moos.de

Weinvilla Vollmayer
Die zum Weingut gehörende Unterkunft bietet acht stilvoll eingerichtete Zimmer auf einem der höchsten Weinberge Deutschlands. Blick direkt auf die Rebstöcke, oben thront Burg Hohentwiel.
Weingut Elisabethenberg 1 , 78247 Hilzingen
T: +49 7731 60470, weinvilla-vollmayer.de

S’Äpfle Bistro
Das Lokal mit Seeblick ist in der historischen Villa Linde untergebracht. Früher musste man wochenlang auf einen Tisch warten, heute geht es unkomplizierter.
Kaiserpfalzstraße 50, 78351 Bodman-Ludwigshafen
T: +49 7773 959930, seehotelvillalinde.de

Erschienen in
Falstaff Nr. 04/2023

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Philipp Laage
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