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Historischer Exkurs: Eine kleine Käsekunde

Viele geniale Erfindungen verdanken wir dem Zufall – auch Käse ist da keine Ausnahme. Seit Jahrtausenden gibt es ihn, und trotzdem entstehen auch heute immer wieder neue Sorten. Die Welt des Käses ist seit eh und je dynamisch, vielseitig und vor allem eines – unglaublich lecker!

Vor rund 10.000 Jahren domestizierten die Menschen die ­Ziege, dann Schafe und Kühe. Von Anfang an wurde nach Möglichkeiten gesucht, ihre Milch haltbar zu machen. Neben Urformen von Joghurt und Kefir entwickelten die Steinzeitmenschen bald auch Käse. Wie genau dieser entdeckt wurde, ist allerdings unklar. Eine mögliche Erklärung ist, dass Menschen im Magen von gejagten jungen Wiederkäuern eine Masse aus geronnener Milch vorfanden und diese probierten. Andere Forscher nehmen an, dass Milch in Tiermägen gelagert oder transportiert wurde. Als die Steinzeitmenschen die Milch dann trinken wollten, merkten sie, dass sie fest geworden war. Sie stellten fest, dass etwas in den Mägen die Milch in eine gelartige Masse verwandelte, und fingen an, damit zu experimentieren. So merkten sie, dass man Molke freisetzt, wenn man die fest gewordene Milch – die Gallerte oder ­Dickete – zerteilt. Die Trennung des ­flüssigen vom festen Teil der Milch – dem Käsebruch – ist bis heute der erste Schritt jeder Käseherstellung.

Es braucht allerdings nicht unbedingt Lab, um Milch gerinnen zu lassen. Auch wenn man ihr Säure hinzufügt, wird sie körnig und kann so zur Käseherstellung verwendet werden. Es kann daher auch sein, dass die ersten Käse aus sauer ­gewordener Milch hergestellt wurden, die zur Haltbarmachung gesalzen wurde – oder aber dass Milch mit sauren ­Fruchtsäften vermischt wurde.

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Römische Käsekenner

Wo genau der erste Käse entstand, ist ebenfalls schwer zu sagen. Die ältesten eindeu­tigen archäologischen Nachweise stammen allerdings aus der Jungsteinzeit um 5500 vor Christus. Forscher haben in Kujawien im heutigen Polen Reste von Tonseihern gefunden. Wie Spuren von Milchfettsäuren an den Löchern beweisen, wurden diese ­eindeutig zur Käseherstellung benutzt. Wie viele für die Menschheit prägende Erfindungen, dürfte aber auch die Kunst des ­Käsemachens an mehreren Orten gleich­zeitig entstanden sein. Sicher ist, dass Käse schon früh weit verbreitet war: Die alten Ägypter aßen ihn, Homer erwähnte ihn in der »Ilias« und er wurde auch von den ­Kelten geschätzt. Spätestens mit der Ausweitung des Römischen Reichs breitete er sich in weiteren Gebieten Europas, Nordafrikas und des Nahen Ostens aus.

Auch Orte, die bereits eine Käsekultur hatten, profitierten vom römischen ­Käse-Know-how. Die meisten Bewohner ­Mitteleuropas stellten damals nämlich noch Sauermilchkäse her, die nur begrenzt haltbar waren. Die Römer hingegen waren Meister der Labkäserei, die eine Grundvoraussetzung für die Herstellung der meisten heutigen Käsesorten ist. Mit der Zeit ­entwickelte jede Gegend ihre eigene Käse­tradition je nach klimatischen Bedingungen und vorherrschender Milchtierart.

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Mönche und Bauern

Im christlichen Teil Europas spielten die Klöster eine wichtige Rolle in der Ent­wicklung einer Käsekultur. Durch die ­akribische schriftliche Dokumentation der Käsesorten und -herstellungsweisen in den Klöstern kann man sich heute ein ziemlich genaues Bild über die Entstehungsgeschichte vieler noch heute hergestellter Käsesorten machen.

Die Alpkäseherstellung entstammt allerdings der bäuerlichen Tradition. In den Sommermonaten trieben Bergbauern ihre Viehherden die Berge hoch, da auf den ­Almwiesen viel wertvolles Gras wuchs. Durch die üppige Ernährung gaben die ­Tiere mehr Milch, die für die harten Winter konserviert werden musste. Am besten ging dies durch die Herstellung großer Hartkäselaibe, die mehrere Monate haltbar waren. Mit der Zeit wurde Käse für diese Bergbewohner eine wichtige Einnahmequelle. Sie verkauften den Produktionsüberschuss an Händler, die den Käse ins Ausland brachten. Eine florierende Käsewirtschaft zwischen Alpennord- und -südseite entstand so bereits in der frühen Neuzeit.

Mit der Agrarrevolution im 18. und 19. Jahrhundert wurde die Landwirtschaft viel effizienter. Plötzlich gab es nicht nur ­genügend landwirtschaftliche Produkte für die wachsende Bevölkerung, sondern auch, um das Vieh das ganze Jahr über ausgiebig zu füttern. So konnte die Milchleistung gesteigert werden, was dazu führte, dass auch im Winter große Mengen an Käse produziert werden konnten. Im 19. Jahrhundert entstanden immer mehr Käsereien im Tal sowie die ersten Käsefabriken. Es wurde zudem durch Fortschritte in der Wissenschaft einfacher, einheitliche Käse herzustellen.

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Die Herstellung

Doch was ist Käse eigentlich? Wie bereits erwähnt, ist die Grundlage jeder Käse­herstellung die Trennung des Bruchs von der Molke und somit die Gewinnung der Trockenmasse der Milch. Auch heute noch gibt es an vielen Orten labfreie Käse aus gesäuerter Milch, es sind meist Frisch- oder Hüttenkäse. Für komplexere Käse­sorten braucht es aber Lab, dieses kann ­tierischen, pflanzlichen oder mikrobiellen Ursprungs sein. Wird die Milch durch Lab geronnen, ist der Bruch stabiler als bei der Säuregerinnung. Zudem kann durch das Zerteilen der Gallerte die Bruchgröße gesteuert werden – große Bruchstücke für Weich-, kleine Körnchen für Hartkäse. Oft wird die Milch auch erst mit Bakterien­kulturen gesäuert und dann durch Lab ­geronnen. Das hat einen Einfluss auf den Geschmack, die Milch gerinnt allerdings so auch schneller. Wegen seines tieferen ­Wassergehalts ist Käse länger haltbar als Milch, da die meisten Bakterien, Hefen und Schimmelpilze zum überleben Wasser brauchen. Zudem ist Salz ein wichtiges Konservierungsmittel. Deswegen gilt auch: Je fester und salziger der Käse, desto ­länger ist er haltbar. Bei einigen Hartkäse­sorten wird der Bruch vor dem Pressen noch in der Molke erhitzt und anschließend kräftig gesalzen – so wird noch mehr Wasser entfernt und der Käse kann sogar mehrere Jahre gereift werden.

Im Fall von Blauschimmel-, Weißschimmel- und Rotschmierkäsen werden die Käselaibe noch mit Schimmelsporen oder Bakterien inokuliert. So wird verhindert, dass andere, eventuell schädliche Pilze oder Bakterien sie besiedeln, was sie ­ebenfalls haltbarer macht.

Die Möglichkeiten, verschiedene dieser Techniken miteinander zu kombinieren, führen zu der großen Käsevielfalt der Welt. Obwohl es auf der Welt bereits Tausende Käsesorten gibt, werden immer neue ­erfunden. Viele heutige Käser und Käse­rinnen zeichnen sich durch ihre Experimentierfreude aus. So gibt es zwar einerseits einen Hang zur Standardisierung und Industrialisierung der Käseherstellung, ­andererseits aber auch unzählige kleine Käsereien, die einzigartige Schätze aus ­lokaler Milch kreieren. Es gibt daher für Käseliebhaber eine schier unendliche ­Vielfalt zu entdecken.


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© StockFood / Ramanauskiene, Justina

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Larissa Graf
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