Die wichtigsten Rāmensorten sind Shoyu (Sojasauce), Miso (fermentierte Sojapaste), Tonkotsu (Schwein) und Shia (Salz), die, hier im Bild, auf Basis von Huhn hergestellt wird.

Die wichtigsten Rāmensorten sind Shoyu (Sojasauce), Miso (fermentierte Sojapaste), Tonkotsu (Schwein) und Shia (Salz), die, hier im Bild, auf Basis von Huhn hergestellt wird.
Fotos: Stefan Gergely | Konzept & Produktion: Isabella Huber

In der Brühe liegt die Kraft: So gelingt die perfekte Rāmen

Sie gilt als das wohl langsamste Fastfood der Welt. Traditionelle Rāmen braucht in ihrer Zubereitung gut und gerne mehr als 24 Stunden – oder fünf Minuten in der Instantvariante. Der Chefkoch der »Mochi Ramen Bar« hat Falstaff in die Geheimnisse der begehrten Nudelsuppe eingeweiht. Eine Schritt-für-Schritt-Anleitung.

Das, was der Rāmensuppe Kraft gibt, sind Hühner- oder Schweinefüße. Die haben extrem viel Kollagen, so auch der Kamm des Huhns«, sagt Alexander Kunstel, während er mit sattelfestem Griff dem Huhn vor sich den Kopf abschlägt. Sobald es in seine Einzelteile zerlegt ist, die Innereien ordentlich auf einem kleinen Teller neben dem Brett, wird es zu gleichen Anteilen mit kaltem Wasser, das die Trübstoffe des Huhns herauswäscht, in einen Schnellkochtopf gegeben. So werden die normalerweise erforderlichen vierzehn Stunden Kochzeit auf zwei reduziert. »Das ist ein Tool, mit dem man Ramen zuhause leichter nachkochen kann«, sagt der Chefkoch der »Mochi Ramen Bar« am Wiener Vorgartenmarkt. Damit ist die Grundlage, das Herzstück der ikonischen japanischen Nudelsuppe, die in den letzten Jahren in verschiedensten Varianten ihren Siegeszug um den Globus feierte, bereits fertig angelegt. Eingekocht wird das gesamte Huhn, samt Herz, Leber, Magen und Füßen. Und Kernfett, dieses sei besonders wichtig, gibt Kunstel zu Protokoll. Heraus kommt eine milchige Brühe voller Fett und Kollagen, das der Suppe ihre unvergleichliche Cremigkeit verleiht. 

REZEPT: TORI PAITAN

Die Brühe wird nach dem »Nose-to-tail«-Konzept zubereitet, wobei nur Darm, Schnabel und Galle des Huhns ausgelassen werden.
© Stefan Gergely
Die Brühe wird nach dem »Nose-to-tail«-Konzept zubereitet, wobei nur Darm, Schnabel und Galle des Huhns ausgelassen werden.

Der Chefkoch nimmt sich die Zeit, Falstaff von Ouvertüre bis Epilog bei der Zubereitung seiner Rāmen zusehen zu lassen. Benötigt werden neben der Brühe noch Tare (entweder Shio, Miso oder Shōyu), Öle, Nudeln und die Toppings aus Fleisch, Gemüse oder Ei. Die genaue Zusammensetzung wird sowohl in Japan als auch in der »Ramen Bar« jeden Tag justiert. Ist das Fleisch mager, muss mehr Fett hinzu. Ziel ist, immer den exakt gleichen Geschmack zu erreichen – viel einfacher, wenn alle Zutaten frisch aufeinander abgestimmt werden können.

Bei Rāmen ist es anders als in der europäischen Küche, wo man gleich ein bisschen salzt. Wir wollen eher ›auswaschen‹. Das Ziel des Perfektionismus in Japan ist, dass jede Suppe gleich schmeckt. Wenn sie länger köchelt, oxidiert das Salz und sie schmeckt ganz anders.
– Alexander Kunstel

REZEPT: BONITO SHOYU TARE

REZEPT: RAMEN-NUDELN

Kalorien und Kommunismus 

Obwohl Rāmen fast ikonisch mit Nippon verbunden wird, liegt ihre Geburtsstätte in China. Erst im Ramen (haha) der industriellen Revolution schwamm die Nudlsuppn (sic!) nach Japan, wo sie sich aufgrund ihres hohen Kalorien- und Nährstoffgehaltes auch hervorragend als Grundlage der kräftezehrenden Reindustrialisierung während des Kalten Krieges eignete. Tatsächlich ist gut dokumentiert, wie die USA während ihrer Besetzung Japans gezielt Weizen für Rāmen-Nudeln lieferten, um die politische Situation in Schach zu halten. Es habe demnach eine direkte Verbindung zwischen Nahrungsmittelknappheit und Kommunismus gegeben. In den 1980er-Jahren entwickelte sich die Suppe auf einmal zum popkulturellen Momentum, millionenfach abgebildet. Um der Bilderflut gerecht zu werden, wurden eigene Museen eingerichtet – eines für »handwerkliche« Rāmen und eines für die berühmten Instant-Nudeln.

Hierzulande findet man sie hauptsächlich in urbanen Ballungsräumen. Tatsächlich existiert in Europa eine Spielweise, die man so nicht einmal in Japan bekommt – oder zumindest eher selten. »Auf unsere vegane Rāmen sind wir besonders stolz. Da geht es dann nicht um Kollagen, sondern um Umami aus Salz und Brühe. Es sind viel Sellerie und Pilze drin«, erklärt Kunstel. Gibt es in Wien kaum ein Rāmenlokal, das keine vegetarische Option hat, so ist in Japan das Gegenteil der Fall. Hier wird  pro Etablissement auf eine einzige Brühe gesetzt, die dann verschiedenartig ausgestattet wird. »Das Konzept, jeden Gaumen zufriedenstellen zu müssen, gibt es nur in der westlichen Welt.« Und doch scheint sich die ganze Welt ihre Finger nach den dampfenden Schalen zu lecken, die so langsam und rasant zugleich über den Tresen gereicht werden.


Foto beigestellt

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Das Imperium schlägt zurück

In der »Ramen Bar« am Vorgartenmarkt werden durchschnittlich 320 Suppen pro Tag serviert, was bedeutet, dass wöchentlich 600 Liter Brühe verkocht werden. Eine Person ist von Montag bis Freitag durchgängig damit beschäftigt, Nudeln herzustellen, und das seit sieben Jahren. Aber auch an anderer Stelle in Wien gibt es feinste japanische Fusion-Kitchen aus dem Haus »Mochi«. Da wäre das Original-»Mochi« in der Praterstraße, die beiden »O.M.K.« in 1010 und 1020, das »Kikko Bā« oder auch die »Kōbō«-Werkstatt, in der Alex Kunstel die Geheimnisse der japanischen Küche verrät. Die neueste Erweiterung im Gastro-Imperium des Gründer-Quartetts (bestehend aus Eddi und Nicole Dimant sowie Tobias Müller und Sandra Jedliczka) ist das »Cucina Itameshi« im Dogenhof. Im wohl lässigsten Restaurant Wiens treffen japanische und italienische Küche aufeinander.

mochi.at

Besonders im Winter sind Ramen das ultimative Comfort-Food, aber auch während des restlichen Jahres sorgen die feinen Nudelsuppen mit ihren vielfältigen frischen Einlagen und Toppings für reines Umami-Glück.
Vorgartenmarkt, Stand 12+29
1020 Wien
Österreich

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Erschienen in
Falstaff Nr. 02/2024

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Fee Louise Schwarz
Fee Louise Schwarz
Digital Redakteurin
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