Foto bereitgestellt

Internationaler Tag des Bieres: „Es ist unser Auftrag zu zeigen, dass Bier viel mehr sein kann“

Sollte das Reinheitsgebot aufgeweicht werden? Das wünschen sich viele Brauer. Timm Schnigula ist keiner von ihnen. Im Gespräch erzählt der Münchner wie viel Potenzial in dem alten Gebot steckt.

Das Reinheitsgebot steht in der Kritik. Es sei zu streng, schränke die Kreativität ein und vergraule so potenzielle Biertrinker. Besser sei es, Zutaten wie Kräuter oder Früchte zu erlauben, um den rückläufigen Konsum in Deutschland zu stoppen. Timm Schnigula von der Münchner Brauerei »Crew Republic« sieht das anders. Auch, weil die Geschmacksmöglichkeiten innerhalb des Reinheitsgebots noch gar nicht ausgenutzt werden.

 

Wie stehen Sie zum Reinheitsgebot?

Jedes unserer Biere brauen wir nach dem Reinheitsgebot. Nicht weil wir sie nicht anders herstellen dürften, sondern weil wir die Limitation durch die vorgegebenen Rohstoffe super finden. Es ist spannend für uns, uns im Rahmen des Reinheitsgebotes auszutoben.

Gibt es mit der Verpflichtung zu Wasser, Hopfen, Malz und Weizen denn so einen großen Spielraum?

Die meisten denken, dass die vorgegebenen Zutaten dazu führen würden, dass alle Brauer das gleiche Bier brauen. Daraus schließen sie dann: Bier? Langweilig! Dabei gibt es überhaupt keinen Grund, diesen Schluss zu ziehen. Das Reinheitsgebot steht nicht im Widerspruch zur Vielfalt. Das zeigen wir mit jedem Bier, das wir brauen: Wie viele verschiedene spannende, intensive und charaktervolle Biere man im Rahmen dieser Beschränkung brauen kann.

Die 1500 Brauereien in Deutschland brauen mehr als 8000 verschiedene Biere, davon schmeckt keins wie das andere.

Das sehe ich tatsächlich etwas anders. In Deutschland ist die geschmackliche Vielfalt in den letzten Jahrzehnten sicherlich etwas verloren gegangen. Wir haben sehr viele verschiedene Biere, aber viele davon schmecken austauschbar. Bei CREW Republic haben wir uns das Gegenteil auf die Fahnen geschrieben, bei uns steht der einzigartige Geschmack und die Vielfalt im Vordergrund.

Wie gelingt das?

In dem man sich mit den Rohstoffen auseinandersetzt. Mit verschiedenen Malzsorten, mit Hopfensorten. Aber natürlich auch mit verschiedenen Brauverfahren und Techniken.

Fördert eine Einschränkung die Kreativität?

So kann man es sehen, vor allem, wenn man die Vielfalt von Bier zeigen möchte. Die traditionelle Beschränkung auf Hopfen, Malz, Hefe und Wasser gibt und doch die Möglichkeit – eigentlich die Pflicht – mit Hopfensorten, Malzsorten, verschiedenen Hefen und unterschiedlichen Brauverfahren alles aus den Rohstoffen herauszukitzeln. Das Reinheitsgebot öffnet somit den Raum für Kreativität. Aber das bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass wir traditionelle Biere aus dem Ausland nicht genau so gerne trinken, die zum Beispiel mit Kräuterzusätzen und Fruchtanteilen gebraut werden. Das finde ich auch super spannend. Aber nur, weil mir das schmeckt, heißt es ja nicht, dass wir das im Rahmen des Reinheitsgebots hier in Deutschland auch so machen müssen. Vielfalt können wir auch anders zeigen.

Die Biervielfalt in Deutschland war früher um einiges größer als sie heute scheint.

Früher hat man sich viel mehr mit Spezialmalzen beschäftigt, mit Hopfensorten und Techniken. Und daraus einzigartige Biere in verschiedensten Sorten gebraut. Im Craftbierbereich kommt das jetzt auch wieder. Und auch einige klassische Brauereien trauen sich mehr zu experimentieren. Da findet eine kleine Wiederbesinnung darauf statt, was alles innerhalb des Reinheitsgebots möglich ist.

Was ist der Reiz?

Das kitzelt uns: Wie weit kann man geschmacklich gehen? Damit meine ich natürlich nicht: Wie kreativ kann man dabei sein, was man alles ins Bier wirft. Sondern: Wie gut können wir unser Handwerk ausleben? Je nachdem welche Hopfensorten man verwendet oder zu welchem Zeitpunkt im Brauprozess man sie verwendet, schmeckt das Bier anders. Das Malz hat einen Einfluss, die Hefe, sogar das Wasser, das wir verwenden hat einen Einfluss auf den Geschmack.

Sie arbeiten mit traditionellem Handwerk. Tut es da manchmal weh, dass viele Biertrinker Craftbier kategorisch ausschließen?

So viele sind es hoffentlich nicht. Mein Eindruck ist, das sich die meisten Biertrinker gerne mit Bier beschäftigen. Die Haltung »Oh, das ist ein neues Bier, eine neue Brauerei – die kann ja gar nichts sein«, ist da glaube ich nicht so weit verbreitet. Es herrscht aber sicherlich bei manchem eine gewisse Skepsis vor, wenn ein Bier nicht seinem gelernten Geschmack entspricht. Dann wird in Frage gestellt, warum das denn anders schmeckt, ob das nicht nach dem Reinheitsgebot gebraut ist, was man da denn reinmischt.
Und genau hier müssen wir meines Erachtens ansetzen. Bei CREW Republic wollen wir wieder zeigen, dass Bier ein spannendes vielfältiges Produkt ist. Gerade im Rahmen des Reinheitsgebots, wo aller Geschmack ausschließlich aus den 4 Rohstoffen Hopfen, Malz, Hefe und Wasser kommt. Geschmacksvielfalt durch klassisches Handwerk im Rahmen des Reinheitsgebots.

Woran liegt es, dass Biertrinker mit neuen Biersorten nicht warm werden?

Ich glaube, es ist schwierig, das zu verallgemeinern. Die fehlende Vielfalt in der Vergangenheit führt aber sicherlich bei manchem zu Skepsis. Die Brauereien in Deutschland haben sich in der Vergangenheit auf wenige und immer die gleichen Sorten konzentriert. Daran haben sich die Konsumenten gewöhnt. In den Köpfen steht das Reinheitsgebot jetzt synonym für: Bier muss Pils, Weißbier oder Helles sein, alles abseits davon ist kein Bier. Es ist unser Auftrag zu zeigen, dass Bier viel mehr sein kann.

Wenn Brauer sagen, man müsse das Reinheitsgebot auflockern, neben Hopfen, Malz, Weizen und Wasser auch weitere Zutaten zulassen, um mehr Menschen für’s Biertrinken zu begeistern – machen die es sich dann zu leicht, weil sie sich nicht die Mühe machen, alles Mögliche aus dem Handwerk zu machen?

Nein, das kann man so pauschal sicher nicht sagen. Aber unser Standpunkt ist: Bevor uns die Spielmöglichkeiten ausgehen, innerhalb des Reinheitsgebots – da ist noch ein weiter Weg zu gehen.


NICHTS MEHR VERPASSEN!

Melden Sie sich jetzt für unseren Newsletter an.

Moritz Hackl
Mehr zum Thema
Bier
Best of Bier: Falstaff Bier Trophy 2023
Mehr als 250 Biere wurden verkostet und bewertet. Das sind die Sieger aller Kategorien.
Von Benjamin Herzog, Conrad Seidl, Anna Horngacher, Harry Mittermaier, Michael Kolarik-Leingartner, Roland Graf, Karl Trojan
Rezeptsammlung
Rezept-Ideen: Kochen mit Bier
Biergenuss endet nicht im Glas, der Gerstensaft verleiht auch Speisen eine besonders genussvolle...
Von Redaktion