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Mythos Holzfass: Bretter, die die Welt bedeuten

Die größten Weine der Welt reifen allesamt weder in Stahltanks noch in Betonbehältnissen. Ein Zufall ist das sicher nicht. Falstaff ist dem »Mythos Holzfass« auf den Grund gegangen.

Wie Kathedralen kommen sie häufig daher, die Holzfasskeller der Weingüter. Verwunderlich ist dies nicht, denn was hier geschieht, besitzt doch eine ordent­liche Portion Mystik. Der Fassausbau kennt kein Patentrezept und beruht auf dem Wissen und dem Erfahrungsschatz der Winzer. Die Wahl der Fassgröße, der Holzart und die Dauer des Ausbaus – all diese Dinge sind seit langer Zeit entscheidende Faktoren auf dem Weg hin zu großen Weinen. Der Fassausbau ist eine Methode der schonenden Oxidation, also Reifung, bei der sich ganz grundlegend verschiedene Komponenten zu einem ­harmonischen Ganzen verbinden. Der weitläufige Glaube, dass der Ausbau im Holzfass immer zu besserem Wein führt, ist hingegen eine der großen ­Unwahrheiten der Weinwelt.

Hölzernes Werkzeug

Bevor das Holzfass zum Werkzeug in der Weinbereitung wurde, nutzte man es lediglich aus praktischen Gründen. Die ­Kelten gelten als die Erfinder der aus ­Dauben zusammengesetzten Holzfässer. Sie verwendeten diese für die Lagerung sowie den Transport von Gütern und Getränken. Auf sie folgten die Römer und schließlich die Engländer, die im Mittelalter Weine aus dem französischen Bordeaux mithilfe von kleinen Holzfässern in ihre Heimat verschifften. Die Dauben für die Transportfässer wurden innen verkohlt, was dazu führte, dass Röstaromen genauso wie Gerbstoffe in den Wein übergingen. Obwohl es Holz­fässer heute in unzähligen Größen und Macharten gibt, ist bei der Kunst im Umgang mit selbigen in der Regel immer das kleine Holzfass gemeint. Dieses existiert in zwei unterschiedlichen Größen: zum einen in der 225-Liter-Variante, die ursprünglich aus dem Bordeaux stammt und Barrique heißt, zum anderen in der 228-Liter-Version aus dem Burgund, die etwas molliger daherkommt und als Pièce ­Bourguignonne bezeichnet wird. Ein vermeintlich kleiner Unterschied im Fassungsvermögen, der sich jedoch merkbar auf die Entwicklung eines Weins auswirkt, wie Sebastian Fürst vom deutschen Spitzenweingut Rudolf Fürst aus Franken ­berichtet.

Früher habe man auch mit anderen Fassgrößen experimentiert, vor allem beim ­Spätburgunder, für den das Weingut weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt ist. Gerade für diesen eleganten Wein sei die Oberfläche eines 228-Liter-Fasses jedoch optimal. Eine Erkenntnis, die sich über die letzten 35 Jahre entwickelt hat, in denen man die Fässer im Betrieb einsetzt. ­Heute arbeitet Fürst mit Fässern von fünf bis sechs unterschiedlichen französischen ­Tonnellerien, wie die Fasshersteller in ­Frankreich genannt werden, die immer wieder auf ihre Qualität hin geprüft werden. Darunter Klassiker wie Rousseau, aber auch Fässer der Boutique-Tonnellerie Minier, die täglich nur ein einziges Fass herstellt. Während die Fassproduzenten bei Fürst alle fünf bis zehn Jahre immer wieder mal wechseln, hat er beim Holz, aus dem die Fässer gefertigt werden, mittlerweile einen klaren Favoriten: Sie bestehen zu 90 Prozent aus dem raren und besonders eng­porigen Holz der ­Tronçais-Eiche, die in den etwa 10.000 Hektar großen Wäldern um die französische Stadt Nevers gedeiht. Der Ausbau in Fässern dieser Art sorgt seiner Erfahrung nach für besonders viel Frische und Feinheit in seinen Pinots Noirs, ohne sie dabei zu stark zu parfümieren.

Wenn es für mich eine Erkenntnis im Hinblick auf Holzfässer gibt, dann ist es die, dass man irgendwann daraufkommt, dass eine Herkunft und bestimmte Handschrift mit einem bestimmten Fasstyp oder Hersteller besonders gut zusammenpasst.

Französische Fässer aus Schweizer Eiche

Die kleine Schweizer Küferei Hoch Drei aus Seewen hat einige Perfect Matches bereits gefunden. Stefan Sobota, der die Küferei im letzten Jahr von der St. Jakobs ­Kellerei Schuler übernehmen konnte, beliefert unter anderem das Tessiner Weingut Gialdi sowie Thomas Studach aus Graubünden und pikanterweise auch das Château Belloy im französischen Bordeaux. Beim Toasting seiner Barriquefässer setzt Sobota auf Temperaturen um 200 Grad, was bei anderen Küfereien in etwa einem mittleren ­Toasting entspricht. Diesen Grad des Toastings bevorzugt übrigens auch Sebastian Fürst bei seinen Fässern. Beim Toasting – der Anröstung der inneren Fasswandung eines Barriques – zersetzt sich unter anderem ein Teil des im Holz vorhandenen Zuckers, was zu den bekannten Röstaromen führt. Je höher die Temperatur hierbei, desto ­stärker sind im Wein später Aromen wie Karamell, geröstetes Brot oder Kaffee wahrnehmbar. Bei niedrigeren Temperaturen, so verrät er uns, sind es eher mineralische Nuancen, die in den Vordergrund treten.

Sobota verarbeitet in seiner ­Küferei Lärchen- und Kastanienholz aus der Schweiz sowie französische und ­amerikanische Eiche. Das Gros jedoch ist Schweizer Eiche, bevorzugt der Gattung Traubeneiche, denn deren Holz ist besonders feinporig – wie das der ­Tronçais-Eiche. »Französische Eiche gilt zwar wohl immer noch als bestes Holz für die Fassproduktion. Heutzutage wird aber auch viel ­Schweizer Eichenholz nach Frankreich verkauft und daraus werden französische Fässer«, erzählt Sobota mit einem Augenzwinkern. Die Eichen sucht der Küfer, wann immer möglich, mit dem Förster direkt im Wald aus. Weil langsam gewachsenes, feinjähriges Holz das höchste Aromapotenzial besitzt, achtet er hierbei darauf, dass die Bäume auf möglichst mageren, mineralisch geprägten Böden gewachsen sind. Nachdem die Eichen gefällt und gespaltet wurden, reift das Holz für drei Jahre im Freien. Sobota erklärt:

Während dieses Reifungsprozesses, der durchaus mit dem eines Weins verglichen werden kann, werden zum einen die Gerbstoffe ausgespült, zum anderen siedeln sich Mikroorganismen an, die durch Umbauprozesse das Aromapotenzial des Holzes erhöhen.

Ein Überblick: Was man über Holzfässer wissen sollte

Feine Sache

Vor allem was den Einsatz von neuem Holz angeht, also von Barriquefässern, die zum ersten Mal belegt werden und noch stark vom Toasting geprägt sind, hat in der Weinwelt mittlerweile ein Paradigmen­wechsel stattgefunden. Gehörten intensive Röst­aromen im Wein früher noch zum guten Ton, werden heute leisere Töne angeschlagen. Sebastian Fürst etwa hat den Neuholzanteil bei seinen Top-Pinots-Noirs auf maximal 20 Prozent reduziert. Ganz darauf verzichten will er aber nicht, denn das Neuholz bietet für ihn weit wichtigere Vorteile als Röstaromen im Wein. Während der Wein im Fass lagert, verbinden sich dessen Gerbstoffe mit denen des Fasses, was in längerkettigem, hochwertigerem, also feinerem Gerbstoff resultiert. Diesen Effekt macht sich auch Hans Schwarz vom Weingut Schwarz aus dem österreichischen Burgenland bei manchen seiner Weine zunutze – vor allem bei den ­Bordeaux-Sorten. »Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass wir heute durch Keller­technik und Lesezeitpunkt derart feines Tannin hinbekommen, dass wir das Neuholz nicht mehr zwingend brauchen. Wir halten den Anteil deshalb gering, um Frucht, Frische und Spannung herauszuarbeiten«, berichtet Schwarz. Ganz im Gegensatz zu früher, als man seiner Ansicht nach grundsätzlich auf zu viel Alkohol und Holz setzte. Damit meint er nicht nur das eigene Weingut, sondern die gesamte Weinszene. In der Vinifikation gibt es eben auch Trends, wie in der Mode oder beim Essen.


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Erschienen in
Falstaff Nr. 02/2023

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Dominik Vombach
Dominik Vombach
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