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New England: Die stille Schönheit

In den New-England-Staaten im äußersten Nordosten der USA begann im frühen 17. Jahrhundert die Besiedelung durch englische Auswanderer. Heute gilt diese Ecke als eine der liberalsten des ganzen Landes.

New England ist einer der ältesten Teile der USA und bezeichnet die sechs nordöstlichsten Bundesstaaten, die allesamt mit malerischen Landschaften und einer vielfach noch unberührten Natur verzaubern. Nicht von ungefähr ist diese Ecke des riesigen Landes nicht nur für Amerikaner, sondern auch für Touristen eines der Topreiseziele. Und gerade im Herbst, wenn die Blätter der Bäume in den prächtigsten Gelb-, Orange- und Rottönen leuchten und der »Indian Summer« ins Land fällt, ist New England mit seinen Wäldern, Weiten und der einzigartigen, dünengesäumten Atlantikküste einmalig schön.

Rhode Island ist der kleinste Bundesstaat New Englands wie generell der USA – und ein Juwel an der Küste. Drei Autostunden nordöstlich von New York City liegt hier Newport, bis heute ein beliebter Sommersitz für vermögende Familien aus New York und anderen Städten. Wenn es im Juli und August in der Metropole glühend heiß und durch die hohe Luftfeuchtigkeit noch dazu unerträglich schwül wird, sorgt hier eine stete Brise vom Atlantik für angenehme Frische. Das erkannten bereits die Spitzen der Gesellschaft im so genannten »Gilded Age« (»Vergoldetem Zeitalter«), jener Phase wirtschaftlichen Aufschwungs in Folge des amerikanischen Sezessionskriegs, der die Jahre 1870 bis 1900 kennzeichnete. Es war eine Phase voller Innovationen und wirtschaftlicher Neuerungen, in der unzählige Vermögen gemacht, Familien reich und damit auch gesellschaftlich bedeutend wurden. Als Zeichen ihres Aufstiegs ließen sie prächtige Herrenhäuser errichten – und Newport war dafür oft die erste Wahl. 

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Die oberen Zehntausend

Eines der beeindruckendsten Beispiele dafür ist Vanderbilt Mansion, auch bekannt als »The Breakers«. Der Sommersitz der Eisenbahn-Dynastie ist ein überdimensionaler Palazzo im Stil der italienischen Neo­renaissance mit 70 Zimmern und kann heute noch besichtigt werden. Das Anwesen wurde in den 1890er-Jahren erbaut und ist eines der bekanntesten Herrenhäuser der USA. Und der Name »The Breakers« kam daher, dass sich die Wellen des Atlantiks an den Felsen der Landzunge, auf der das Anwesen steht, lautstark brachen. An diesem Küstenabschnitt gibt es heute einen malerischen, rund fünf Kilometer langen Spazierweg, den Cliff Walk, der an »The Breakers« und weiteren historischen

Herrenhäusern wie dem »Beechwood«, dem »Rough Point« oder »The Waves« vorbeiführt und eine atemberaubende Sicht auf die Narragansett Bay bietet. Das »Beechwood« war das Zuhause von Caroline Astor, der Königin der amerikanischen High Society in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Es hatte 39 Räume und einen Ballsaal für 400 Gäste. Heute ist es im Besitz von Larry Ellison, dem Chef des Softwareriesen Oracle, der es für  etwas mehr als zehn Millionen Dollar gekauft hat.

 

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Wenn nach solch einem Spaziergang Appetit aufkommt, empfiehlt sich etwa die berühmte Quahog- oder Venusmuschel. Sie ist nicht nur das offizielle Schalentier des Bundesstaates, sondern wird auch hervorragend verkocht, etwa im »Clarke Cooke House«, das ursprünglich 1780 erbaut wurde. Oder man kehrt bei »Aunt Carrie’s« in Narragansett ein, einem Paradies für gedämpfte Muscheln, Hummer und frisch gegrillten Schwertfisch, der gleich vor Ort zerlegt wird. Die legendären Clam Cakes sind es jedoch, für die das Lokal ­bereits in vierter Generation berühmt ist.

Wer nicht bloß über den Tag hierher kommt, findet in und um Newport zahlreiche Unterkünfte, die ihre Gäste ins »Gilded Age« zurückversetzen. Im pittoresken »Castle Inn« aus dem Jahr 1875 beispielsweise hat man einen wunderbaren Blick auf Küste und Meer. Auch das »Chanler at Cliff Walk« und das »The Vanderbilt« sind empfehlenswert. Und wer direkt am Strand nächtigen will, kann aus zahlreichen Beach Cottages auswählen, die angeboten werden.

Bannisters Wharf, Newport
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Bannisters Wharf, Newport

weiter nach Cape Cod …

Eine gute Autostunde und einen Bundesstaat weiter liegt Cape Cod. Die malerische Halbinsel in Massachusetts lockt mit kilometerlangen unberührten Stränden, charmanten historischen Dörfern, unzähligen Leuchttürmen und besten Meeresfrüchten. Provincetown im Norden der Halbinsel ist eine der größten Ortschaften auf Cape Cod. Aus dem einst portugiesischen Walfänger- und Fischerdorf entwickelte sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine angesehene Künstlerkolonie, heute die älteste noch existierende Künstlerkolonie der USA. Ein Grund dafür ist das spezielle inspirierende Licht. Die zahlreichen Galerien und Museen (etwa Provincetown Art Association and Museum) stehen hier auf der To-do-Liste, aber auch eine Whale-Watching-Bootstour. Oft kann man die riesigen Meeressäuger aber sogar vom Strand aus gut beobachten. 

»The Lobster Pot«, zu Deutsch der Hummertopf, ist seit 1979 eine kulinarische Institution des Städtchens. Jakobsmuscheln, Blackened Tuna Sashimi oder Austern Rocke-feller sind hier immer frisch. Als Hauptspeise drängen sich Hummer und Steaks auf. Und dann gibt es natürlich noch Lobster Rolls, jene in der ganzen Region omnipräsenten Hummerbrötchen, die man unbedingt probiert haben sollte. 

… und Martha’s Vineyard

Ein weiteres Highlight in New England ist Martha’s Vineyard. Mit der Autofähre benötigt man von Cape Cod gerade einmal 45 Minuten dorthin. Und einmal angekommen, sollte man zunächst einmal tief einatmen, den die Luft hier ist ungewöhnlich salzhaltig, und viele Besucher kommen gerade auch deshalb hierher. Die Insel hat aber auch darüber hinaus extrem viel zu bieten, etwa die sogenannten »Gingerbread Cottages«. Damit sind kleine Holzhäuser gemeint, die mit ihren zahlreichen Verzierungen und bunten Farbakzenten tatsächlich an Lebkuchenhäuser erinnern. Was im 19. Jahrhundert als Teil eines Campingplatzes einer Methodistengemeinde begann, ist heute eine historischer Besonderheit in der Ortschaft Oak Bluffs. Dreihundert dieser ursprünglichen Gebäude sind noch erhalten, und der Architekturstil wird als »Zimmermannsgotik« bezeichnet.

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Martha’s Vineyard lässt sich in drei Stunden mit dem Auto erkunden, die Insel ist aber auch perfekt für eine Radtour geeignet. So oder so, Kulinarik ist ein wichtiger Bestandteil jedes Aufenthalts. So kann man zum Beispiel auf der Veranda des »Bettini«im »Harbor View Hotel« in Edgartown den Tag wunderbar ausklingen lassen, mit einem Cocktail in der Hand und dem Blick aufs Meer, bevor man es sich auf den roten Lederstühlen dieses Gourmetrestaurants bequem macht. »Bettini« serviert raffinierte amerikanische Spezialitäten mit Küstenschwerpunkt, zum Beispiel gegrillten Oktopus und Schwertfisch aus dem Golf von Maine, aber auch Lamm, Huhn oder Ente, und die Weinkarte ist beeindruckend. Tatsächlich hat das Restaurant im Jahr 2022 den »Wine Spectator’s Award of Excellence« gewonnen.

Die »Raw Oyster Bar« ist ein weiterer Hotspot in Edgartown, und das Highlight sind – logisch – Austern. Übernachten lässt es sich perfekt im »Charlotte Inn«, einem alten Kapitänshaus aus 1864. Vom Essen bis zur Einrichtung ist hier alles erstklassig, darüber wachen die Eigentümer Gery und Paula Canover. In jedem Raum finden sich Antiquitäten, der Charme Neuenglands ist hier bis in den letzten Winkel vorhanden und erinnert an längst vergangene Zeiten.

Martha’s Vineyard oder kurz »The Vineyard« zieht seit Jahrzehnten Amerikas Eliten magisch an, so ist etwa Expräsident Bill Clinton ein riesiger Fan der Insel, und auch die Geschichte des Kennedy-Clans ist seit Jahrzehnten mit dem Eiland verbunden. Aufgrund der Unberührtheit der Natur drehte übrigens Steven Spielberg sein frühes Meisterwerk »Der Weiße Hai« über weite Strecken auf Martha’s Vineyard.

Die Insel ist nur 260 Quadratkilometer groß, die sechs Städte Edgartown, Oak Bluffs, Vineyard Haven, West Tisbury, Chilmark und Aquinnah liegen über die gesamte Insel verteilt zwischen unbewohntem Grünland, Dünen und Sandstränden. Jedes der Städtchen hat seine eigene persönliche Note. Während es Strandfans eher nach Aquinnah und West Tisbury zieht, ist das Partyvolk zumeist in Oak Bluffs zu finden. Und wer von allem ein bisschen was will, der sucht sich am besten eine Unterkunft in Edgartown mit seinen kopfsteingepflasterten Straßen und historischen Häusern. Hier gibt es auch die besten Hotels auf der Insel, zum Beispiel das »Faraway Martha’s Vineyard«. Es ist eines der neuesten Hotels auf der Insel in einem der ältesten Gebäude: Das einstige Kelley House aus dem Jahr 1742 wurde renoviert, neu gestaltet und hat immer noch den Charme von Edgartown, jedoch mit einem modernen Facelift.

Bleibt noch die Frage: Wird auf Martha’s Vineyard tatsächlich Wein gemacht? Nun, bewirtschaftete Weingärten gibt es heute keine mehr, obwohl wilde Weinreben auf der ganzen Insel zu finden sind. Doch der letzte Weingarten der Insel wurde im Jahr 2008 nach fast 40 Jahren Betrieb geschlossen, als die Besitzer starben. Seither muss jede Flasche Wein importiert werden.

Oak Bluffs, Martha's Vineyard
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Oak Bluffs, Martha's Vineyard

Zuletzt nach Nantucket

Wie Martha’s Vineyard ist auch das bezaubernde Nantucket mit seinen malerischen Stränden, sanften Dünen und Küstenpfaden nur mit der Fähre oder per Flugzeug zu erreichen. Die 125 Quadratkilometer kleine Insel hat im wahrsten Sinne eine reiche Geschichte, die bis ins 17. Jahrhundert zurückreicht. Die gleichnamige Insel-Hauptstadt Nantucket war einst die Walfangmetropole der Welt. Walfang-Kapitäne waren wohlhabend, denn vor allem das Walöl war damals sehr wertvoll und für die Beleuchtung der Häuser unverzichtbar.

Heute kann man in den Häusern der Kapitäne übernachten, etwa im »Jared Coffin House«, und über das Kopfsteinpflaster der einstigen Pettycoat Row spazieren. Die heutige Center Street wurde im 19. Jahrhundert so genannt, weil die Frauen die Geschäfte übernahmen, während die Männer Pottwalen hinterherjagten. Heute ist Nantucket u. a. die Lieblingsinsel von US-Präsident Joe Biden und seiner Frau Jill. Die Kombination aus bestens erhaltenen historischen Häusern, unglaublich schöner Natur und modernem Luxus machen es aber natürlich zu einem beliebten Rückzugsort für die Reichen und Schönen dieser Welt. Das hat aber auch eine kleine Schattenseite: Ein Hotelzimmer kostet auf Nantucket im Sommer im Durchschnitt 694 Dollar pro Nacht – so viel wie nirgendwo sonst auf der Welt.

Rhode Island

The Breakers

Eines der prächtigsten Herrenhäuser in den USA – 70 Zimmer, bei denen man aus dem Staunen nicht mehr heraus kommt. 

44 Ochre Point Ave, Newport, RI 02840

newportmansions.org


Aunt Carrie’s 

Seafood, Muscheln und die legendären Clam Cakes sind es, weswegen man hierher kommen sollte.

1240 Ocean Rd, Narragansett, RI 02882

T: +1 401 7837930, auntcarriesri.com


clarke cooke house 

Restaurant-Institution, frische Austern sind hier der Hit. Chef Ted Gidley war zuvor bei Daniel Boulud.

24 Bannister’s Wharf, Newport, RI 02840

T: +1 401 8492900, clarkecooke.com


 

Castle Inn 

Entweder im Herrenhaus oder in einem der Cottages am Strand stilvoll übernachten. 

590 Ocean Drive Newport, RI 02840

T: +1 888 4661355


Chanler at Cliff Walk 

Bezauberndes Luxushotel mit Geschichte am Cliff Walk, hier wird die Eleganz des »Gilded Age« gelebt.

117 Memorial Boulevard, Newport, RI 02840

T: +1 401 8471300 thechanler.com


The Vanderbilt

Das 33-Zimmer-Herrenhaus wurde 1908 von einem Vanderbilt-Erben erbaut und kürzlich komplett renoviert. Terrasse mit Blick auf den Hafen von Newport. 

41 Mary Street, Newport, RI 02840

T: +1 833 2428850, aubergeresorts.com/vanderbilt/


Cape Cod 

Musst See: Sonnenuntergang

Die Sonnenuntergänge auf Cape Cod sind legendär. Zum Beispiel am Rock Harbor Beach in Orleans oder am Old Silver Beach in North Falmouth sowie vom Cape Cod Canal aus.


Liz’s Cafe Anybody’s Bar 

Reichhaltiges und gutes Frühstück bis 14 Uhr.

31 Bradford St, Provincetown, MA 02657

T: +1 508 4139131, lizscafeptown.com


The Lobster Pot

Eine Institution in Provincetown! Lobster gibt es nach Gewicht, die französische Fischsuppe ist Kult.

321 Commercial St, Provincetown, MA 02657

T: +1 508 4870842, ptownlobsterpot.com


Chatham Bars Inn 

1914 als erstes Luxushotel in Cape Cod erbaut und 2015 für 100 Millionen Dollar renoviert.

297 Shore Road, Chatham, MA 02633, 

T: +1 508 9450096, chathambarsinn.com


Provincetown Art Association and Museum

460 Commercial Street, Provincetown, MA 02657

T: +1 508 4871750, paam.org


Kennedy Legacy Trail

Die Kennedys haben bis heute ein Anwesen im Süden von Cape Cod. Bei dem 90-minütigen Rundgang lernt man viel über den Einfluss der Familie auf das Städtchen und Cape Cod. Start beim JFK Hyannis Museum.

397 Main Street, Hyannis, MA 02601

jfkhyannismuseum.org


Martha’s Vineyard

Must-See 

Must see: Gingerbread Cottages

Die Holzhütten erinnern an Lebkuchenhäuser.

80 Trinity Park, Oak Bluffs, MA 02557


Bettini

Das Restaurant im »Harbor View Hotel« hat stets die frischesten Angebote von lokalen Bauernhöfen, Fischern und Märkten auf der Karte.

131 N Water St, Edgartown, MA 02539

T: +1 508 6273761, harborviewhotel.com


19 Raw Oyster Bar 

Die Austern sind frisch aus dem Meer rund um die Insel, dazu gibt es Lobster Rolls und Burger. 

 19 Church St, Edgartown, MA 02539

T: +1 774 2240550, 19rawoysterbar.com


Faraway Martha’s Vineyard 

Das historische Kelley House wurde neu gestaltet, einschließlich der Restaurants »The Newes From America« und »Pelican Club«. 

23 Kelly St, Edgartown, MA 02539

T: +1 855 6911187, farawaymarthasvineyard.com


The Charlotte Inn 

Luxuriös und museal, außer in den Gästezimmern sind keine Handys oder Computer erlaubt. Die Suiten sind mit antiken Lampen und Seidenstoffen dekoriert.

27 South Summer St, Edgartown, MA 02539

T: +1 508 6274751, thecharlotteinn.com


nantucket

jared coffin house

Ehedem das erste Herrenhaus, heute eines der schönsten Hotels auf der Insel. Der »Tap Room« ist zudem fester Bestandteil der Gastroszene.

29 Broad St, Nantucket, MA 02554

T: +1 800 2482405, jaredcoffinhouse.com


wauwinet

Einzigartiges Anwesen inmitten der Dünen direkt am Meer. Das hoteleigene Restaurant »Topper« serviert u. a. Austern, die keine 300 Meter vom Hotel entfernt geerntet werden.

120 Wauwinet Rd, Nantucket, MA 02584

T: +1 508 2280145, wauwinet.com

Erschienen in
Falstaff Nr. 07/2023

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Angelika Ahrens
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