Das Restaurant von David Bouley im Stadtviertel Tribeca.

Das Restaurant von David Bouley im Stadtviertel Tribeca.
© Leonard Zhukovsky/Shutterstock

David Bouley: Legendärer US-Sternekoch mit 70 Jahren gestorben

»Ich befolge keine Rezepte... Man wird kein guter Koch, wenn man Rezepte befolgt«, schrieb David Bouley zu Lebzeiten auf seiner Homepage.

Das war nicht nur sein Motto, er mochte auch keine gedruckten Speisekarten in seinen Restaurants. Oft forderte er seine Gäste auf, sich ganz in seine Hände zu begeben. »Genuss ist eine Frage des Geschmacks. Mit dem Intellekt zu kochen ist wunderbar. Aber was die Leute wollen, ohne darüber nachzudenken, das kommt von der körperlichen Erfahrung des Geschmacks«, sagte Bouley 2012 dem »Wine Spectator«.

Bouley war nicht nur einer der besten, sondern auch einer der innovativsten Köche Amerikas. Bekannt wurde er vor allem durch sein New Yorker Vorzeige-Restaurant »Bouley«. Nun ist er im Alter von 70 Jahren in seinem Haus in Kent, Connecticut, an einem Herzinfarkt gestorben, wie seine Frau Nicole Bertelme bestätigte. Chefkoch Bouley war bekannt für seine akribischen Standards und seinen unermüdlichen Drang, neue kreative Wege in der Küche zu gehen. Er übertrug die französische Nouvelle Cuisine auf die amerikanische Küche, prägte das Fine Dining in New York, war einer der ersten Köche in den USA, der Degustationsmenüs kreierte und er ebnete den Weg für die »Farm to Table«-Bewegung und war Mentor für Generationen von Köchen. Bouley war mit Daniel Boulud, Alain Ducasse und Jean-Georges Vongerichten ein Vorreiter des New American-Style.

Große Anteilnahme innerhalb der Branche

New Yorks Restaurantgrößen würdigen den verstorbenen Koch und Gastronom: »Er war derjenige, der mich zum allerersten Mal in New York willkommen hieß, mir einen fantastischen Brunch zubereitete und mich davon überzeugte, nach New York zu ziehen«, schrieb Küchenchef Daniel Boulud auf Instagram. »Er war ein Genie und wir haben das Glück, ihn als Teil des New Yorker kulinarischen Erbes zu haben.« Und der ehemalige Times-Kritiker Brian Miller: »Ich habe David und sein brillantes Team dreimal an verschiedenen Orten getestet. Seine Restaurants verströmten immer den Duft von erstaunlicher Intelligenz und unendlicher Innovation. Was für ein historischer Verlust für unsere Branche.«

Celebritiy-Chef Charlie Palmer nannte ihn »einen Helden unserer Branche«. Chefkoch Jason Neroni sagte, er bewundere Bouley als Künstler und »innovativen Koch, einen Saucenzauberer, wie es ihn noch nie gegeben hat und nie wieder geben wird«.

2020 verlieh ihm die französische Regierung den Titel eines Ritters im Orden für landwirtschaftliche Verdienste (er hatte die doppelte Staatsbürgerschaft). Für seine Mission für gesunde Lebensmittel und die Lehre von gesunder Ernährung, erhielt Bouley Lifetime Achievement Awards vom Zöliakie-Zentrum der Columbia University und dem Rogosin Institute.

Geboren in Storrs, Connecticut, verbrachte er seine Sommer damit, auf der Farm seiner französischen Großeltern Kühe zu melken und Butter herzustellen. Nach seinem Studium an der University of Connecticut arbeitete er in Restaurants auf Cape Cod und ging dann zum Studium nach Frankreich. Dort entdeckte er sein Interesse für Essen und Kultur und fand sich bald in einer der Küchenbrigaden wieder. Unter anderem im renommierten Moulins de Mougins bei Roger Verge in der Nähe von Cannes, bei Paul Bocuse in Lyon und bei Paul Haeberlin in der Auberge de L’Ill in Illhaeusern.

Exotische Zutaten und französische Kochtechnik

Nach seiner Rückkehr nach New York kochte er in einigen der besten französischen Restaurants der Stadt, darunter »Le Cirque« und »La Cote Basque«. Als der Gastronom Drew Nieporent 1985 das Restaurant »Montrachet« im TriBeCa-Viertel in Downtown Manhattan eröffnete, war Bouley (sprich: boo-Lay) mit von der Partie. Seine einfache, aber elegante Küche machte das »Montrachet« schnell zu einem kulinarischen Hotspot. Es war eines der ersten modernen französischen Restaurants, das schon bald von der New York Times mit drei Sternen ausgezeichnet wurde. Innovative Gerichte wie geräucherte Auberginen mit gerösteten Pinienkernen, gebratene Ente mit Wildpilzen, Lauch und Perlzwiebeln in einer Rotweinsauce mit Zimt oder Räucherlachs in einer Mousse mit Sevruga-Kaviar kamen offenbar auch bei den Testern gut an.

In seinem ersten eigenen Restaurant »Bouley«, das er von 1987 bis 2017 an wechselnden Standorten betrieb, machte er die New Yorker neugierig auf japanische Menüs, Gemüsesoßen und lokal angebaute Zutaten. Der Eingang an der Ecke Hudson und Duane Street war ständig mit reifenden Äpfeln gefüllt. Im Jahr 2015 wurde Bouley bei den Taveler's Choice Awards von TripAdvisor als bestes Restaurant in den Vereinigten Staaten und auf Platz 14 weltweit ausgezeichnet.

Für Küchenchef Kerry Heffernan war er ein Mentor, wie für einige andere auch. Heffernan arbeitete mit ihm im Montrachet und führte später mit ihm das Bouley ein: »Für uns Köche war es überwältigend, schwärmt Heffernan gegenüber Falstaff. „Wir lernten von ihm die Liebe zum Detail, all die kleinen Techniken, die Art, die Zutaten zu betrachten. Er war ein Genie. Die meisten Köche sind nur Handwerker, die ihre Sache gut machen. Aber er war einer der wenigen Künstler. Es ist eine Sache, die technische Fähigkeit zu haben, etwas zu kreieren. Aber es ist etwas anderes, die Nuancen zu finden. Er hatte das Gespür eines Alchimisten für Geschmack und Textur.«

Wenn er lächelte, wusste man, dass etwas Besonderes passiert war

Sein Fokus auf die Verwendung der besten, manchmal exotischen Zutaten in Kombination mit klassischen französischen Kochtechniken wurde in den 1990er Jahren und darüber hinaus zu seinem Markenzeichen. Auch sein Lächeln hatte Aussagekraft: »Dieses Lächeln, das er hatte, wenn etwas funktionierte. Es war sicher nicht einfach, dieses Lächeln zu bekommen. Aber wenn er lächelte, wusste man, dass etwas Besonderes passiert war.«

Schon früh verbannte er Butter und Schlagsahne aus der Küche und entwickelte konzentrierte Gemüsepürees und andere leichtere Zutaten. Die Gäste waren erstaunt, keine schwere französische Küche vorzufinden. Da David Bouley aber als Perfektionist galt, warteten sie manchmal sehr lange auf einzelne Gänge, der Chef nahm sich einfach Zeit. Wem das nicht passte, der konnte gehen. Bouley war damals schon eine Berühmtheit.

Die legendäre »Fisch-Geschichte«

Und er hatte seine eigene Art: Von mehreren Weggefährten hört man noch heute die legendäre »Fisch-Geschichte«: Chef Bouley ließ sich frischen Fisch liefern. Und Fisch zuzubereiten war für ihn etwas ganz Besonderes. Die ersten beiden Lachsbestellungen bereitete er schonend mit cremigem Brunnenkressereis, Erbsenpüree und Erbsensaft zu. Es war perfekt. Er schien sehr zufrieden zu sein. Fünf Minuten später kam der Kellner mit dem nicht gegessenen Lachs zurück. In der Küche wurde es still. Der Kellner sagte, die Gäste wollten stattdessen die Garnelenvorspeise. Der Manager sagte, dass das Paar dachte, der Lachs sei nicht frisch. Bouley wurde rot im Gesicht. Er kochte weiter und sagte nach einer Weile: „Sag ihnen, dass ihr Dinner beendet ist.« Die Gäste waren verwirrt. Offenbar hielten sie die Aufforderung zu gehen für einen Scherz. Sie wollten doch nur die Garnelen probieren, das Essen habe doch gerade erst begonnen. »Meine Damen und Herren«, sagte der Manager und schüttelte den Kopf, »Chef Bouley hat ihr Dinner beendet.«

Im Laufe der Jahre eröffnete der innovative Küchenchef Restaurants, veränderte sie, erfand Neues. Er widmete sich dem Brotbacken. Aus dem Bouley machte er die »Bouley Bakery«. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 verwandelte er die Bäckerei unweit von Ground Zero in eine Basis, von der aus er Feuerwehrleute und Polizisten versorgte. Später wurden jedoch Vorwürfe laut, es habe Ungereimtheiten bei der Finanzierung durch das Rote Kreuz gegeben.

© James Kent

Harte Arbeit und viel Leidenschaft

Fasziniert von der reichen kulinarischen Tradition und Vielfalt Österreichs eröffnete er 1999 das österreichisch inspirierte »Restaurant Danube«. Bouley war bekannt dafür, kulinarische Grenzen auszuloten und innovative Restaurants zu schaffen. Die New York Times schrieb damals einen Artikel mit dem Titel: »Bouley, in seiner Klimt-Periode«. Bouley sei der Stanley Kubrick unter den New Yorker Köchen – schwer einzuschätzen, den meisten Berichten zufolge schwierig im Umgang, aber immer in eine Richtung weisend, die geradewegs zum nächsten großen Ding zu führen scheint. Zu einer Zeit, als sich der Rest der Welt nach Asien orientierte, ging Bouley den umgekehrten Weg. Nach Wien. »Sein Wiener Schnitzel, mit einer makellos leichten und fettfreien Kruste, macht nicht den Fehler, originell sein zu wollen«, schrieb die Times. Aber neben einer Handvoll Klassikern gab es auch »Bouley Bakery«. Thunfisch und Garnelen mit mariniertem Fenchel in Key-Lime-Dressing. Serviert in einer feinen Sauce, die mit Senfkörnern und Ingwer gewürzt.

1999 erhielt die Bäckerei schließlich vier Sterne von der New York Times und zwei Michelin-Sterne, bevor sie 2008 den Standort wechselte und in »Bouley Restaurant« umbenannt wurde. Das Danube erhielt ebenfalls zwei Michelin-Sterne. Unermüdlich auf der Suche nach Neuem benannte er das »Danube« 2011 in »Brushstroke« um und arbeitete mit dem Tsuji Culinary Institute in Osaka zusammen, um japanische Esskultur und Produkte zu verbreiten und gleichzeitig amerikanische Zutaten zu integrieren. Das Restaurant wurde mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet, schloss aber ebenfalls 2018. Danach startete er eine Reihe mit Vorträgen und Abendessen über gesunde Ernährung mit dem Titel »The Chef & the Doctor« (Youtube). Dafür arbeitete er mit Dutzenden von Experten zusammen.

Dann kam die »Bouley Test Kitchen«, ein privater Veranstaltungsort und Lernzentrum für Gastköche. Bouley at home wurde geschlossen, als die Pandemie ausbrach. In dieser Testküche hat auch Michelin-Sternekoch Jamal James Kent für den Bocuse d’OR trainiert (Crown Shy 1 Stern, SAGA 2 Sterne und die Bar Overstory, ehemaliger Chefkoch des 11 Madison Park). Der Grund, warum ich heute da bin, wo ich bin, ist, dass ich ihm beim Kochen zusehen konnte, sagt Kent gegenüber Falstaff: »Als ich ein Teenager war, arbeitete ich mit ihm im Bouley und später in der Testküche. Ich konnte ihm beim Kochen zusehen und das Restaurant beobachten. Was mich wirklich beeindruckt hat, war, dass er sein ganzes Leben lang gekocht hat. Er war ein verrückter Wissenschaftler. Er hatte ein Handy zum Aufklappen, seine Brille war angeklebt. Sein Hauptinteresse galt den Zutaten, der Beschaffung der Lebensmittel, der Technik und dem Unterricht.«

Zuletzt betrieb der geniale Koch David Bouley kein Restaurant mehr in New York. Er ist der einzige in den USA geborene Koch, der seit 1985 von jedem Restaurantkritiker der New York Times besprochen wurde. Pete Wells schrieb: »Mr. Bouley geht neue Wege, die niemand sonst geht, und er geht weiter als jeder andere. Während andere Küchenchefs Restaurants in der ganzen Welt eröffnen, blieb er zeitlebens primär Tribeca treu«.


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Angelika Ahrens
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