Matthias Aldinger hat sich auf die Vergärung von Sauvignon Blanc im Beton-Ei spezialisiert.

Matthias Aldinger hat sich auf die Vergärung von Sauvignon Blanc im Beton-Ei spezialisiert.
© Christian Geisler

Sauvignon à la Allemande

Der Sauvignon boomt in Deutschland: In den letzten fünfzehn Jahren stieg die Anbaufläche von null auf nahezu tausend Hektar. Doch wie steht es um den Stil der Weine? Kann er mit den Vorbildern aus Frankreich mithalten?

Philipp Kuhn kann sich noch gut daran erinnern, wie er seine ersten Sauvignon-Blanc-Rebstöcke gepflanzt hat. Im Jahr 1993 war das – und sein Vater fragte verdutzt: »Was is des denn? Sowi… was? Des kann ich gar net ausspreche!« Doch da hatten die Stöcke bereits ihr Plätzchen gefunden im Dirmsteiner Mandelpfad – immerhin eine für große Gewächse klassifizierte Lage voller Kalk im Untergrund. »Damals musste das noch als Versuchsanbau laufen, tausend Stöcke durfte man maximal pflanzen, und die hatte ich mir aus einer Rebschule an der Loire kommen lassen.« Der Edelklon war Kuhn empfohlen worden, aber dann dauerte es erst mal zwei Jahre länger als üblich, bis sich Trauben an den Stöcken zeigten. »Den ersten Ertrag aus dem Jahrgang 1997 haben wir auf 0,375-Liter-Flaschen gefüllt, damit überhaupt ein paar Flaschen kommen.«
Aus diesem inzwischen über zwanzig Jahre alten Weinberg stammt die Reserve, mit der sich Kuhn im Falstaff-Test weit vorn platzierte. Das Alter der Reben, der Boden, der Klon – alles passt. Einzig der Ertrag ist immer noch klein. »Da hängt nicht viel drin, höchstens vierzig Liter pro Ar. Kleine Trauben mit goldgelben Beerchen.« Mit der Vergärung und dem Ausbau in gebrauchten Burgunder-Piècen setzt Kuhn bei diesem Wein einen deutlich französischen Akzent, verstärkt durch den tief gehaltenen Restzucker. Bis auf 0,5 Gramm pro Liter ist der 2015er durch­gegoren – so, wie es auch bei den Klassikern aus Sancerre und Pouilly-sur-Loire üblich ist.

Philipp Kuhn beherrscht die alkoholische Gärung aus dem Effeff – auch mit Sauvignon Blanc.
© Andreas Durst
Philipp Kuhn beherrscht die alkoholische Gärung aus dem Effeff – auch mit Sauvignon Blanc.

Der French Faktor

In Deutschland beschreiten viele Winzer einen anderen Weg und orientieren sich für ihre Sauvignon-Blanc-Weine am Riesling: späte Lese, möglicherweise sogar mit etwas Edelfäule, knackige Säure und als Gegengewicht Restsüße bis ans gesetzliche Limit für die Bezeichnung »trocken«. In der Falstaff-Probe wurde die Jury daher gebeten, für jeden Wein neben der üblichen Bewertung im 100-Punkte-System auch auf einer Skala ­zwischen null und zehn den »French Factor«, die stilistische Nähe zu einem Sauvignon Blanc aus Frankreich, zu beziffern.

Als besonders »französisch« wurde dabei der Sauvignon Blanc von Fritz Waßmer empfunden. Und vom Breisgau, wo Waßmer seine Weinberge hat, ist es ja in der Tat nicht weit bis ins Nachbarland. »Feuerstein-Noten wie ein Sancerre« bescheinigte ein Verkoster dem im Edelstahl ausgebauten 2015er, ein zweiter beschrieb ihn als »steinig«. Auf die Frage, wie diese frankophile Tönung zustande komme, verweist der Winzer zunächst auf die französischen Klone, die er gepflanzt habe – und was er anfügt, klingt bereits vertraut: »A-Klone mit einem ganz geringen Ertrag, 600 Gramm Trauben pro Quadratmeter.« Und wie sieht das Leseregime aus? »Wir lesen nicht zu spät, das Probieren der Trauben gibt dabei den Ausschlag. Wenn sie so schmecken, wie ich sie haben will, lesen wir den ganzen Weinberg in einem Rutsch.« Also hält Waßmer nichts von der gestaffelten Lese, die andere Winzer anwenden? »Ich kriege Komplexität durch drei unterschied­liche Lagen.« Kenzingen, Herbolzheim, Wagenstadt: Waßmers Sauvignon-Trauben wachsen in Luftline nur ein, zwei Kilometer voneinander entfernt, aber die unterschiedlichen Böden und der unterschiedliche Reifeverlauf in den drei Weinbergen schaffen Manövrier- und Spielmasse.

Wieder einen anderen, aber ebenso erfolgreichen Weg beschreitet Thomas Seeger aus Leimen an der badischen Bergstraße, der gleich zwei seiner Weine in der Best-of-­Auswahl platzieren konnte. »Die Lese des Sauvignons erfolgt bei mir in drei Fraktionen. Einmal relativ früh, wenn die Trauben noch nach grünem Pfeffer schmecken, dann acht Tage später, wenn die Brennessel-Aromen kommen, und vierzehn Tage später, wenn sich Stachelbeer-Aromen einstellen.« Seeger, der in Südafrika seine Begeisterung für die Sorte entdeckte, möchte seinen Sau­vignon nicht zu sehr auf der grünen Seite sehen: »Es schmeckt nicht gut, wenn’s nur sauer ist.« Dennoch ist auch Seeger Frische wichtig. Seine Sauvignon-Reben stehen an einer windoffenen Stelle oben am Hang: »Mein Großvater sagte immer, wenn man dort arbeitet, muss man für die Pferde Decken dabeihaben. Durch den Wind bleiben die Trauben lange gesund. Und einzelne faule Beerchen sortieren wir im Keller aus.«

Fritz Waßmer: frankophiler Sauvignon aus Badens idyllischem Breisgau.
Foto beigestellt
Fritz Waßmer: frankophiler Sauvignon aus Badens idyllischem Breisgau.

Eine rebbauliche Diva

Weinbaulich macht es der Sauvignon den Winzern nicht leicht. Spritzt man zu viel Kupfer, verliert man die Cassis-Aromen, denn Kupfer wirkt auf diese wie ein Schönungsmittel. Spritzt man zu wenig, greift Fäulnis um sich. Entblättert man zu viel, setzt man die Trauben der Sonne aus. Dann wird der Wein phenolisch und verliert an Frische. Entblättert man zu wenig, bilden die Blätter feuchte Kammern und Fäulnisnester. Sabine Mosbacher-Düringer, deren Sauvignon Blanc »Fumé« im Falstaff-Test mit großem Abstand Platz eins belegt hat, scheint genau den richtigen Mittelweg zu treffen. »Prinzipiell haben wir die Trauben gerne im Schatten. Aber der Sauvignon wächst ja sehr buschig. Wir nehmen daher auf der ­sonnenabgewandten Seite etwas Blätter weg, ohne die Traubenzone völlig frei zu machen.« Mit seiner Frische, aber auch mit dem subtil wirkenden Fassausbau landete der »Fumé« sowohl nach Punkten als auch beim »French Factor« ganz vorne. Der stilistisch komplett ausgereift wirkende Entwurf muss sich allerdings mit Lagen am Rand der ­Mittelhaardt bescheiden. »Die Forster Lagen bleiben dem Riesling vorbehalten«, sagt Mosbacher-Düringer. »Aber Spaß macht der Sauvignon Blanc meinem Mann und mir trotzdem.« An der Frage »Holz oder Edelstahl« scheiden sich beim Sauvignon die Geister. Seine blumigen Sortenaromen stehen schnell einmal unverbunden neben dem Holz, wenn man zu viel neue Eiche oder den falschen Fassbrand wählt. Auch das Arbeiten mit der Hefe ist kritisch, denn der Sauvignon neigt besonders zu jenen »lauten«, irgendwo zwischen Weißer Johannisbeere und Frühlingszwiebel liegenden Hefetönen, die von Fachleuten gerne – und beschönigend – mit dem Wort »Aroma­böckser« beschrieben werden.

Um die abrundende Wirkung der Hefe ohne Böcksergefahr in einem eher sauerstoff-reichen Milieu nützen zu können, verwendet das Weingut Aldinger seit dem Jahrgang 2010 ein Beton-Ei zur Vergärung und zum Ausbau von Sauvignon Blanc. »Beim Sauvignon ist ja normalerweise die reduktive Ausbauweise Standard«, sagt ­Matthias Aldinger, der sich schon in seiner Geisenheimer Diplomarbeit mit den Aromen der Sorte beschäftigte. Beispielsweise kann man den Most mit Trockeneis vor Oxidation schützen. Aber beim »Ovum« wollten wir genau das Gegenteil ausprobieren. Wir suchen nach einem Sauvignon, der besser ­reifen kann, weil er schon früh in seinem Leben mit Sauerstoff in Kontakt gekommen ist.« Der Beton nämlich führt durch seine Poren zu einer ­ähnlichen Mikrooxidation wie ein Holzfass. »Aber das ohne Gerbstoffeintrag und ohne geschmackliche Beeinflussung.« In der Falstaff-Probe waren die beiden Jahrgänge 2013 und 2012 vertreten, und der reifere Jahrgang deutete an, in welche Richtung sich diese Art von Wein entwickelt: hin zu einem weichen Sortentyp mit Schmelz und milder Säure, aber auch mit sehr ausgeprägter Würze, die sich beim 2012er mit nachgerade kümmelartigen Aromen zeigte. Die von Matthias Aldinger genannte Vorgabe »Weniger Primärfrucht, mehr Salzigkeit« erfüllen diese Weine jedenfalls vollauf.

Thomas Seeger ist Sauvignon-Blanc-Routinier.
Foto beigestellt
Thomas Seeger ist Sauvignon-Blanc-Routinier.

Starke Lagen

Wie steht es zu guter Letzt um die Terroir-Qualitäten des Sauvignons aus Deutschland? Die Antwort auf diese Frage wird vom jungen Alter vieler Anlagen erschwert: Um Bodentöne in den Wein umsetzen zu können, sollten Reben tiefer wurzeln, als es nach nur ein paar Jahren der Fall ist. Hier und da blitzten bei unserer Verkostung dennoch mineralische Noten auf. Und auch wenn die eine Typizität des deutschen Sauvignon Blanc vielleicht noch nicht erkennbar ist: Es gibt sie bereits, die starken Charaktere aus außergewöhnlichen Weinbergslagen. Zu diesen zählt eindeutig der Hohentwieler Olgaberg ganz im Süden Badens. Bis auf 530 Höhenmeter hinauf wachsen die Reben des Staatsweinguts Meersburg. Die Höhenlage, der Südhang und der schwarze Boden des erloschenen Hegau-Vulkans schaffen ein einzigartiges Reizklima für die Reben. »Und am Hohentwiel kommt der Vulkantuff nicht erst unter sieben Meter Löss«, lässt sich Guts­direktor Jürgen Dietrich zu einem Seitenhieb auf den Kaiserstuhl hinreißen. »Nach maximal einem Meter ist man auf dem Gestein. Es ist ein heißer, trockener Standort.« In der »French Factor«-Auswertung lag dieser Wein nur auf einem hinteren Rang. Gefallen hat er der Jury trotzdem. Und vielleicht ist es auf eine gewisse Art ja dann doch auch wieder französisch, sein eigenes Ding zu machen und sich um geschmackliche Vorbilder nicht allzu sehr zu scheren.

Die Top Ten der »French Factor«-Auswertung

  1. 2015 Sauvignon Blanc »Fumé« trocken, Weingut Georg Mosbacher, French Factor 7
  2. 2015 Sauvignon Blanc trocken, Weingut Fritz Waßmer, French Factor 6,5
  3. 2014 Sauvignon Blanc »Fumé« trocken, Weingut Oliver Zeter, French Factor 5,5
  4. 2015 Sauvignon Blanc »Tradition« trocken, Weingut Philipp Kuhn, French Factor 5,5
  5. 2015 Rödelseer Küchenmeister Sauvignon Blanc trocken, Weingut Paul Weltner, French Factor 5,5
  6. 2015 Leimener Herrenberg Sauvignon Blanc »S«, Weingut Thomas Seeger, French Factor 5
  7. 2015 Sauvignon Blanc trocken, Weingut Hofmann, French Factor 5
  8. 2013 Sauvignon Blanc »Ovum« trocken, Weingut Aldinger, French Factor 5
  9. 2012 Sauvignon Blanc »Ovum« trocken, Weingut Aldinger, French Factor 5
  10. 2015 Sauvignon Blanc trocken, Weingut Künstler, French Factor 5

Die Best of Sauvignon blanc finden Sie in der Bildergalerie:

Aus dem Falstaff Magazin 04/2016.

Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
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