Burgunder Dekantieren? Eine heikle Entscheidung...

Burgunder Dekantieren? Eine heikle Entscheidung...
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Soll man Burgunder dekantieren?

Durch das Dekantieren bringt man den Wein zum Atmen, sagt man. Bei einem edlen Burgunder könnte das allerdings auch dazu führen, dass der Wein rasch seinen letzten Atemzug macht – und das ganz ohne Publikum.

Kraftvolle weiße Burgunder durch Dekantieren kurzfristig zu belüften, kann hilfreich sein, solange man die Temperatur im Auge behält. Den Effekt erzielt man aber auch, wenn man den Wein gut gekühlt in ein entsprechendes Glas gießt, das man abhängig von der Jahreszeit ebenfalls vorkühlen könnte. Bei roten Burgundern, die um einiges weniger Tannin mitbringen als ein robuster Bordeaux, ist indes Vorsicht geboten. Stundenlanges atmen lassen kann einem Pinot Noir wenig nützen, aber viel Vergnügen kosten. Daher Vorsicht: Gerade seine vielen, sich mit Luft innerhalb sehr kurzer Zeit ändernden Nuancen im Bukett machen viel von seinem Faszinosum aus. So mancher Weinfreund, der seinen Burgunder sportlich dekantiert, musste im Glas dann enttäuscht feststellen, dass die große Show bereits vorüber war. Denn Aromen sind flüchtig, und Sauerstoff ist der beste Fluchthelfer.

Depot ist keine Gefahr

Nur wenn ein roter Pinot noch sehr jung ist, kann man in Erwägung ziehen, den Korken bereits eine Stunde vor dem geplanten Genuss zu ziehen, aber den Wein in der Flasche zu belassen. Ist es schon längerfristig geplant, eine bestimmte Bouteille zu öffnen, dann kann man sie in einem Servierkorb für einige Zeit in Schräglage bringen. Dies macht man, damit sich ein womöglich in Bewegung gesetztes Depot wieder setzen und man dann direkt aus der Flasche einschenken kann. Sollte beim Service etwas von den Trübstoffen mit ins Glas kommen, ist das kein Grund zur Panik. Domaine-de-la-Romanée-Conti-Boss Aubert de Villaine höchstpersönlich empfiehlt: »Trinken sie das Depot eines reifen Pinot Noir einfach mit, anstatt sich auf das gefährliche Spiel einzulassen, ein Drittel der Flasche zu verlieren.« Denn Burgunder-Depot wird nicht von bitteren, körnigen Tanninen gebildet, sondern von süßen, ausgefallenen Farbstoffen. Diese Polyphenole bilden Flocken, die bei der geringsten falschen Bewegung auswirbeln.

Besonders beim Burgund lohnt sich das passende Weinglas.
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Besonders beim Burgund lohnt sich das passende Weinglas.

Formvollendeter Genuss

Das mit Abstand wichtigste Hilfsmittel, um einen Burgunder, sei es der weiße, meist im kleinen Holzfass ausgebaute Chardonnay oder der rote Pinot Noir, zur vollen Geltung zu bringen, ist aber das richtige Glas. Bereits früh haben die Weinkenner unter den Glasmachern erkannt, dass die fragilen Burgundersorten im richtigen Kelch aufblühen, während sie in gewissen Formen regelrecht versauern. Kein anderer Wein hat ein so facettenreiches und faszinierendes Bukett wie ein großer Blauburgunder.

Der Perfektionist Claus Riedel entwarf mit dem Burgunder Grand Cru ein durchaus voluminöses Glas, der Kelch öffnet sich aus einer Kugelform in eine breite Tulpe mit dezent ausgeweiteter Lippe. Dieses Genussinstrument betont die Aromen, unterstreicht die Süße der Frucht, die Form selbst balanciert die Säure und bändigt den Alkohol, der weniger stark betont wird. Den Burgundergläsern aller Hersteller ist heute gemeinsam, dass sie dem Wein viel Raum geben und einen breiten Durchmesser aufweisen, von dem durch einen sich verjüngenden Duftkanal die ganze Pracht der Pinotblume förmlich zur Nase hinaufgehoben wird. Keine Sorte profitiert daher vom richtigen Glas so sehr wie der Burgunder. Wer hier spart, bringt sich selbst um das halbe Vergnügen.


Gläser-Tipp

Riedel Burgund Grand Cru Sommelier
Klassisch, eindrucksvoll, ausdrucksstark.
riedel.com, € 79,–

Riedel Performance Pinot Noir und Chardonnay
Top-funktionell und ein echter Hingucker.
riedel.com, € 49,90 (2 Stück)

Zalto Denk’Art Burgunderglas
Für kraftvolle, expressive Pinots.
Fachhandel, ca. € 82,– (2 Stück)


Erschienen in
Falstaff Nr. 02/2022

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Peter Moser
Peter Moser
Wein-Chefredakteur Österreich
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