Tim Raue und Günther Jauch.

Tim Raue und Günther Jauch.
© Nils Hasenau

Tim Raue eröffnet Potsdamer »Villa Kellermann« wieder

Der Sternekoch eröffnet mit Günther Jauch im Herbst ein Restaurant. In historischem Ambiente wollen sie auch den Sonntagsbraten wieder etablieren.

»Es wird gut, es wird casual und es wird ein großartiger Ort für kulinarischen Genuss mit einer familiären Note und Herzlichkeit«, verspricht Spitzenkoch Tim Raue bei der Baustellen-Begehung in der komplett eingerüsteten Villa Kellermann in Brandenburgs Hauptstadt. Es staubt, es lärmt und die Sägegeräusche dröhnen kraftvoll rings um das mondäne Treppenhaus des historischen Anwesens. Einige der Räume deuten mit frischer Farbe und opulenten Stuckaturen bereits vielversprechend die Aura der alten und neuen Zeit an. Im September sollen dann fröhliches Gemurmel und der köstliche Duft von Königsberger Klopsen und Makrele nach Hausfrauen Art die vier Salons durchwabern. »Zuletzt wurden hier einige Szenen für die Fernsehreihe ›Babylon Berlin‹ gedreht. Die Ausstattung hat unsere Planung für die Räume durchaus inspiriert«, berichtet Raue und ergänzt: »Preußisch Blau ist nun Mal meine Lieblingsfarbe und ziert daher die Wände im Elefantensalon.« Es geht zügig voran. Ein Jahrzehnt im Dornröschenschlaf ist beendet.

Eröffnung für Herbst 2019 geplant

Optimistische Erwartungen und wehmütige Erinnerungen vermochte bereits jene Nachricht zu wecken, die Ende 2018 kursierte und die Wiederbelebung der legendären Villa Kellermann in Potsdam ankündigte. Bereits das Gerücht, Berlins quirliger Sternekoch Tim Raue würde in dem altehrwürdigen Gemäuer eine Gastronomie planen, elektrisierte die Gourmets der Region. Offiziell wurde nichts bestätigt, Raues Umfeld und Agentur hüllten sich in beredtes Schweigen.

Anfang April bekannte sich dann Günther Jauch als Eigentümer der Immobilie und bestätigte gleichzeitig, dass nach den umfangreichen Renovierungsarbeiten zum Herbst eine Gastronomie eröffnen wird, die von Tim Raue kuratiert wird. Zwei langjährige Weggefährten des 45-Jährigen werden den Alltag des neuen Restaurants verantworten: Christopher Wecker als Küchenchef und Patricia Liebscher als Gastgeberin.

Bewegte Geschichte

Viele Potsdamer und auch Berliner erinnern sich noch gut an das »Ristorante Villa Kellermann« des Potsdamer Gastronomie-Pioniers Maximilian Dreier. Kurz nach dem Mauerfall richtete er in der Villa sein italienisches Feinschmecker-Restaurant mit der unvergleichlichen Atmosphäre ein. Insbesondere der herrliche Garten mit Blick auf den heiligen See und den Neuen Garten sowie das Marmorpalais auf der gegenüberliegenden Uferseite sorgte dafür, dass selbst die Anreise aus Berlin stets lohnte.
Jener Potsdamer Ortsteil namens Berliner Vorstadt entwickelte sich in der Nachwendezeit rasch zum Villen durchwobenen Hochsicherheitstrakt für die Potsdamer Prominenz mit anonymen Klingelschildern und zahllosen Überwachungskameras. Bis Anfang 2009 blieb die Villa Kellermann mit ihrem Restaurant und den wechselnden Kunstausstellungen einer der raren Orte, an denen ein öffentlicher Zugang zum Ufer auch dem Normalbürger möglich war. So manche Träne floss, als Dreiers Restaurant die Villa verlassen musste. Eine Erinnerung blieb noch eine Weile in seinem Restaurant »Massimo 18« im Holländischen Viertel, wo ein Wandgemälde der Villa Kellermann den idyllischen Hof zierte.
Der Potsdam-Mäzen Günther Jauch wohnt zurückgezogen in jener Berliner Vorstadt und war seinerzeit selbst in dem Uferrestaurant zu Gast, das er nun wiederbeleben möchte. Dabei stand das Anwesen oft nicht unter einem guten Stern. Ursprünglich 1914 luxuriös mit Speisenaufzug und Tankstelle im Garten erbaut für den preußischen Zeremonienmeister von Hardt. Später enteigneten die Nationalsozialisten den jüdischen Bankier Emil Wittenberg und das Gebäude wurde von der Wehrmacht genutzt. Nach dem Zweiten Weltkrieg zog der »Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands« ein. Dessen Mitbegründer, der Schriftsteller Bernhard Kellermann, ist der Namensgeber der Villa bis heute. Nach der Wiedervereinigung entbrannten ständige Querelen um das 2.700 Quadratmeter große Grundstück samt Villa. Eigentumsstreitigkeiten, mögliche Nutzung als Spielbank, Schikane gegenüber dem Gastwirt, Zwangsversteigerung und zuletzt ein Jahrzehnt im Dornröschenschlaf.

Kulinarische Vorfreude

Nun erwacht die Vorfreude auf eine neue kulinarische Top-Adresse in Brandenburgs Landeshauptstadt. Das garantiert der Name Tim Raue, der mit seinem »Restaurant Tim Raue« die Riege der Berliner Küchenmeister anführt. Dort bekannt für seinen Kochstil mit eleganten asiatischen Einflüssen, den er auch auf hoher See mit seinem Restaurantkonzept »Hanami« für Tui Cruises präsentiert. Seine »Colette«-Restaurants in Berlin, München und Konstanz folgen hingegen französischen Brasserie-Einflüssen. Dazu gesellen sich Projekte auf Sylt und in St. Moritz.
Für Potsdam setzt Raue nun ein Konzept fort, das er bereits 2013 in den historischen Gemäuern der Bötzow-Brauerei in Berlin Prenzlauer Berg inszenierte. »La Soupe Populaire« lautete der Name und bot eine köstliche, eine pfiffig inspirierte Berlin-Brandenburgische Küche und zugleich eine Hommage an die Kochkünste seiner Großmutter.
Einige Gerichte verrät der vielseitige Küchenkünstler bereits: Ostseelachs mit Tomate und Anis, Kopfsalat mit Petersilie und Zitrone, Kürbiscremesuppe mit geräucherter Paprika, Mandarine und Teigtaschen von Koriander-Frischkäse. Preislich liegen die Vorspeisen und Desserts zwischen 9 und 19 Euro, die Hauptgänge zwischen 19 und 28 Euro. »Aber es soll familiär sein und so gibt es samstags und sonntags auch Kaffee und Kuchen und Mittagstisch ab 12 Uhr. Warum beleben wir nicht wieder die alte Tradition des Sonntagsbratens?« fragt der 45-jährige.

Auch Weine, insbesondere aus Deutschland, Frankreich und Italien, spielen eine wichtige Rolle in der Villa Kellermann. Und so war es auch Raues Vertrauens-Sommelier, der sympathische André Macionga, der den Kontakt von Raue und Jauch vermittelte, nachdem er die Weine des Moderators unter die Lupe genommen hatte. Günther Jauch setzt an der Saar die Familientradition des Weinbaus fort und bewirtschaftet das Weingut von Othegraven in Kanzem. Bevor dann aber in Potsdam ein Ockfener Bockstein oder Wawerner Herrenberg ausgeschenkt wird, ist noch einiges zu tun.
Raue umreißt die Herausforderungen: »Der Innenbereich ist auf bestem Wege mit dem Spiegelsaal, dem Elefantensalon und den beiden grünen Salons mit insgesamt 120 Plätzen. Für den wunderschönen Garten mit Seeblick sind derzeit nur 30 Plätze genehmigt.« Raue hofft auf mehr, denn den Blick gen Sonnenuntergang möchten sicher viel mehr Gäste genießen. »Aber auch diese Uferseite zählt, wie der neue Garten gegenüber, zum Weltkulturerbe der UNESCO und jede bauliche Maßnahme wird da natürlich extrem sorgfältig geprüft.«
In den nächsten Wochen will Raue noch mehr in Potsdam und Umgebung unterwegs sein: »Die Erzeugnisse der Region werden eine Rolle bei unseren Gerichten spielen und so schaue ich mich derzeit auf den Märkten um, lerne die Metzger und Obstweinproduzenten kennen und will einen großartigen Pilzlieferanten finden.«
Ab September kommen die Köstlichkeiten auf die Teller. Wir freuen uns darauf!

Info

Villa Kellermann
Mangerstraße 34
14467 Potsdam

Öffnungszeiten ab September: MI–SO: 18 bis 24 Uhr; SA+SO: ab 12 Uhr
www.villakellermann.de

Peter Eichhorn
Peter Eichhorn
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