Toni Mörwald ist nicht »nur« Koch, sondern auch als Unternehmer und Autor höchst erfolgreich.

Toni Mörwald ist nicht  »nur« Koch, sondern auch als Unternehmer und Autor höchst erfolgreich.
© Stefan Gergely

Toni Mörwald: »Ganz großer Genuss braucht Zeit«

Der Spitzenkoch spricht im Interview über sein Herzensprojekt, das sich über Jahre gezogen hat: Geschmack als extremes »Gewohnheitstier«, kulinarische Trends versus Tradition, ob und wie er seinen Gästen in Sachen Geschmacksbildung nachhilft und welche gesellschaftlichen Verhaltensmuster ihm besondere Sorge bereiten.

1989 übernahm er mit nur 22 Jahren das elterliche Wirtshaus in Feuersbrunn am Wagram. Heute führt er ein Gastro- Imperium mit mehreren Restaurants und Hotels, Catering, Kochschule, Delikatessenshops sowie eigener Produktlinie. Aber Toni Mörwald ist nicht nur einer der renommiertesten Köche Österreichs, sondern auch als Autor höchst erfolgreich.

Sein neuestes Werk »365 Rezepte für jeden Tag« wurde von den Juror:innen der Gastronomischen Akademie Deutschlands in der Kategorie »TV & Promiküche« mit Gold ausgezeichnet. Der Preis wird seit 1960 vergeben und gehört zu den renommiertesten Kochbuch-Wettbewerben in der Branche. In diesem Jahr wurden insgesamt 103 Bücher von 44 europäischen Verlagen und Verlagsgruppen eingereicht. Es ist bereits der zweite Preis für das opulente Werk: »365 Rezepte für jeden Tag« wurde heuer auch schon mit dem swiss gourmetbook award ausgezeichnet

Die Arbeitsstunden seien gar nicht zu beziffern. »Es ist ein Herzensprojekt von mir, das sich über Jahre gezogen hat. Von der Idee bis zur Fertigstellung sogar Jahrzehnte«, so Toni Mörwald im Gespräch mit Falstaff.

Falstaff: 103 Bücher von 44 europäischen Verlagen wurden beim 57. Literarischen Wettbewerb der Gastronomischen Akademie Deutschlands eingereicht. Sie haben mit »365 Rezepte für jeden Tag«  in der Kategorie »TV & Promiküche« die Goldmedaille gewonnen. Wie groß sind Freude und Überraschung darüber?

Toni Mörwald: Natürlich sind solche Auszeichnungen große Freude, Ehre und auch die Bestätigung unserer Bemühungen. Schon bei der Produktion waren wir der Überzeugung, ein ganz großes Küchenwerk zu entwickeln und trotzdem sind wir überrascht, dass wir in so kurzer Zeit gleich zwei Mal Gold abholen dürfen. Tolle Sache.

Was macht das Buch so besonders, dass es ja auch schon beim swiss gourmetbook award ausgezeichnet worden ist?

Gute Frage. Vielleicht die Vielseitigkeit und die Praktikabilität. Dieses Buch bringt Anregungen durchs ganze Jahr, durch alle Saisonen, zu allen Anlässen. Es vereint Modernität mit Klassik, es spricht Kochanfänger genauso an wie Profis. Junge genauso wie ältere. Die Fotos sind sensationell, die Grafik extrem schön. Es ist wirklich gut gelungen.

Sie behaupten ja von sich selbst, dass Sie zu jeder Zeit und zu jedem Anlass das passende Gericht parat haben. Welches davon ist Ihr persönliches Highlight und zu welchem Ereignis wird es aufgetischt?

Kalbsbraten am Christtag – der Mörwald´sche Familienklassiker. Weihnachten ohne Kalbsbraten wäre für die gesamte Familie, als würden wir den Christbaum oder die Krippe weglassen – also undenkbar.

Von welchen Faktoren hängt es eigentlich ab, ob eine Speise den vorherrschenden Geschmack der Menschen trifft, oder nicht?

Der vorherrschende Geschmack wird sehr stark von Trends bestimmt. Unser Geschmack ist ein extremes »Gewohnheitstier«. Ich wundere mich immer noch, wie stark wir uns an Geschmacksrichtungen gewöhnen können. Als Kinder, aber auch im Erwachsenenalter.

Extreme Geschmäcker wie z.B. Kaffee, Wein, Oliven, schmecken Kinder kaum. Und trotzdem gewöhnen wir uns mit der Zeit so sehr an diese Geschmäcker, dass wir oft nicht mehr davon lassen wollen. Sushi beispielsweise ist auch ein Phänomen für mich. In meiner Kindheit wäre es undenkbar gewesen rohen Fisch in Österreich zu essen. Sogar glasig gebraten wurde Fisch als Gesundheitsrisiko eingestuft. Heutzutage kann man mit Sushi, Sashimi, Fischtartar und Ceviche kaum was falsch machen. Diese Gerichte mag praktisch jeder.

Kulinarische Trends versus Tradition: Was entspricht gerade dem Zeitgeist? Welche geschmacklichen Kombinationen sind in Vergessenheit geraten?

Trends sind auch für die traditionelle Küche sehr wichtig. Es muss auch in der Kulinarik eine Weiterentwicklung geben. Nicht alles was alt ist, war gut oder entspricht modernen Anforderungen. Nichts desto trotz braucht unsere kulinarische Gesellschaft mehr denn je eine starke Tradition, auf der wir aufbauen können. Hausmannskost, Familienkost, Traditionsrezepte, all das ist wichtig weiter gegeben zu werden.

Und wohin geht eigentlich der Trend?

In letzter Zeit ist der Faktor Zeit in der Kulinarik abhanden gekommen. Ganz großer Genuss braucht jedoch Zeit: Zeit zur Beschaffung, Zeit zur Zubereitung, Zeit zum Essen.

Ein gutes Schwein oder ein gutes Huhn zu mästen, braucht Zeit. Große Weine brauchen Zeit —  irgendwann haben wir begonnen unsere Weine als Jungweine zu trinken, eine ganz große Verschwendung aus meiner Sicht. Ein langzeitgeführter Teig ist nicht nur besser, sondern auch bekömmlicher. Eine vernünftige Paradeisersauce, braucht zwei  Stunden, um alle Geschmäcker zum ganz großen Ganzen zu verbinden. Ich könnte noch so viele Beispiele nennen. Meine vielverehrte Haute Cuisine nimmt sich oft nicht mal die Zeit, das Essen heiß zum Gast zu bringen, oft essen wir lauwarm.

Dass wir alle keine Zeit mehr haben für so lebenswichtige Dinge wie Essen, in einer Gesellschaft die täglich mehrere Stunden ins Handy starrt, um irgendwelche Skurrilitäten zu verfolgen, macht mir wirklich Sorge.

Wie helfen Sie Ihren Gästen in Sachen Geschmacksbildung nach?

Unsere Gäste brauchen keine Nachhilfe von uns, moderne Gäste sind wissend und mündig, und das ist gut so. Anspruchsvolle Gäste haben uns seit jeher zu Höchstleistungen aufgefordert. Diesen Weiterentwicklungsprozess nehme ich gerne täglich in Angriff.

Wie gehen Sie an die Sache heran, wenn Sie ein neues Gericht komponieren? Inwieweit hat sich Ihre Herangehensweise über die Jahre verändert?

Schon immer ist Inspiration die wichtigste Komponente für meine Neu- und Weiterentwicklungen. Inspirationen bekomme ich täglich von Lebensmittelproduzenten, von meinem Umfeld, von Ausflügen und Reisen. Ich schaffe es, viele Einflüsse aufzunehmen und in meine kulinarische Welt zu implementieren. Und damit geht’s ans Probieren, Verbessern, Verwerfen und wieder von Neuem zu beginnen. Zufall, Versuch und Irrtum gehören immer dazu.

Der Legende nach wäre ja Feuersbrunn plötzlich ohne Gasthaus gewesen, als ihre »Tante -Rikki« zum Traualtar schritt, und Ihr Vater nicht eingesprungen wäre und Sie somit in frühester Kindheit im elterlichen Gasthof mit dem Geschmack der großen weiten Welt in Berührung gekommen sind. Was hat Sie damals in Sachen Sensorik am meisten geprägt?

Das Aufwachsen auf einem gemischten Bauernhof, der Umgang mit den Jahreszeiten, mit regionalen Produkten sowie die demütige Ehrfurcht von unseren Nutztieren: Ich habe erlebt, welche Leidenschaft meine Mutter und meine Großmutter in deren Küchen legten. Das war schon alles sehr, sehr bodenständig.

Den Geschmack der großen, weiten Welt hab ich erst als junger Erwachsener kennen gelernt. Mich zog es immer schon fort und dann aber auch immer zurück nach Feuersbrunn.

Toni Mörwald über die Marke »Mörwald«, Wertschätzung gegenüber Gastronomen, No-Show-Gebühr und welche Eigenschaften ein Küchenchef haben muss, lesen Sie in Kürze bei unseren Kolleg:innen von Falstaff Profi.


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Julia Emma Weninger
Julia Emma Weninger
Chefredakteurin Online
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