Zwischen Hightech, Tradition und Ästhetik haben zahlreiche Weingüter Istriens Räume erschaffen, die das Zusammenspiel von Architektur und Genuss unübersehbar machen.
Von reinem Wein ist da schon lange nicht mehr die Rede. Seit geraumer Zeit bilden Architektur und Vinophiles in Istrien eine gemeinsame Disziplin. Ein Blick ins malerische Tal von Momjan auf das dort ansässige Weingut Kozlović findet immer Berechtigung und nicht nur deswegen, weil es einst das erste augenfällige Designergut der Region war. Der eindrucksvolle Bau des weltweit gefragten Zagreber Stararchitekten Željko Burić punktet mit einem 2.200 Quadratmeter großen Weinkeller auf drei Etagen, der mit grauen Streben harmonisch in den Weinhang eingebettet wurde. Der unterirdische Keller wirkt fast wie eine eigene Stadt. Oben im Freien nimmt dann der Ausblick den Atem. Wie eine offene Panoramabrücke ragt eine Degustationsterrasse über den Weingarten in die Landschaft. Beim Betreten des Atriums wird klar: Das hier ist mitunter eine Bühne für Kunstevents und exklusive Gourmetpräsentationen. Antonella und Gianfranco Kozlović, die das Unternehmen in der vierten Generation führen, sind als Trendsetter bekannt. Neben herbizidfreiem Anbau, der heutzutage selbstverständlich sein sollte, arbeitet Kozlović an einer digitalen Datenbank, um den Zustand der Trauben immer genau überwachen zu können. Gegründet zu Zeiten der altösterreichischen Monarchie feiert das Weingut 2024 120-jähriges Bestehen. Man darf jetzt schon gespannt sein, was das Jubiläumsjahr parat halten wird.
An seiner Präsenz hat Giorgio Clai in Krasica, südlich von der Stadt Buje, in den vergangenen Jahren gearbeitet. Man erinnert sich an Zeiten, als der Winzer seine Schätze noch in einer einfachen Garage verkaufte. Heute überprüft man seine anspruchsvollen, tiefgründigen Patrioten aus biologischem Anbau auf Herz und Nieren in einem schlicht-modernen Verkostungsraum mit Glasfront. Mehr als 20 Jahre hat Giorgio, gebürtig aus Kroatien, in Triest ein Lokal geschupft. Kein Wunder also, dass er seine Weine gerne als »Vini naturali« bezeichnet.
Natural geht es im 2018 eröffneten »Heritage-Wine-Hotel Roxanich« weiter. Urlaub am Weinbauernhof ist ja an sich schon eine feine Sache, doch istrische Winzer wie Mladen Rožanić sind in Sachen Unterkunft noch einen gehörigen Schritt weitergegangen. So kombinierte Kroatiens Architektur-Großmeister Idis Turato in Motovun ein historisches Weinlagerhaus aus der altösterreichischen Monarchie mit cooler Architektur und frechem Styling. Leder-Himmelbetten treffen im Haus auf knallbunte Retro-Tapeten. »Bei der Wahl des Designs haben wir uns für eine Mischung aus historischen und zeitgenössischen Stilrichtungen entschieden, wie sie für die italienische Ästhetik der 1960er-Jahre typisch war«, erklärt Lara Rožanić, die Tochter des Winzers und Hotelmanagerin. Besonders authentisch wird Architektur immer dann, wenn lokale Stimmigkeit und dauerhafte Relevanz für eine Region gegeben sind. Beim Blick in den »Water Mirror«, ein nur vier Zentimeter tiefes Wasserbecken am Anwesen des Hertiage-Wine-Hotels, spiegelt sich die umliegende Landschaft und abends natürlich auch der Sonnenuntergang wider. Sehr gelungen.
Neu in der Nachbarschaft ist das Weingut Tomaz. Ambitioniert minimalistisch im Keller, viel Cortenstahl und istrisches Gestein für das Auge – Vergänglichkeit und Verwitterung sind hier ausdrücklich erlaubt. Baulich ausgedehnter agierte man direkt am Meer im »Grand Park Hotel Rovinj«. Kaskadenartige Bauweise, begrünte Dächer, Park, Wellnesscenter und Yachthafen als Landmarks. Silvia Trippolt-Maderbacher, Autorin und Istrien-Kennerin, sieht das Thema Design und Architektur der Region allerdings etwas differenzierter. »So richtig knackig-auffällige Design-Meilensteine wie Kozlović oder die großen High-End-Hotels in Rovinj rücken in Hinblick auf bauliche Ansprüche in den Hintergrund. Das Augenmerk liegt auf Erhalt des reichen architektonischen Erbes Kroatiens.«
Und so werden derzeit vor allem historische Weiler und Dörfer zu Luxusressorts und Unterkünften wie etwa das »Palazzo Rainis Hotel & Spa« in Novigrad, umgebaut. Das Fundament jedes Baus ist bekanntlich die Haltung, mit der man den ersten Stein gesetzt hat und mit der man dem fertigen Werk gegenübertritt. Klaudio Ipša ist sich dessen nicht erst seit der Revitalisierung seines Oliven- und Weinguts Ipša 2021 bewusst. Holzbalken an der Decke, ein weiß gefliester Kamin, dezente Holzregale und eine stimmige Bronze-Terracotta-Farbenwelt. In diesem Setting lässt sich der auf bis zu 420 Meter Seehöhe gewachsene Wein und das Olivenöl der bis zu 200 Jahre alten Bäume präsentieren, probieren und im Kontext erleben. Tipp: In Vodnjan im lässigen Verkostungsraum von Familie Chiavalon, Gewinner des Olivenöl-Oscars »Il Premio Magnifico« 2022, vorbeischauen! Mutet mit grünen Fliesen und luftiger Terrasse an wie ein Coffeeshop für sensationell gutes Olivenöl. Häppchen to go gibt es auch.
Auch im Verborgenen formt die Zeit den Raum. Dafür bleiben wir im Hinterland. In Sveti Petar u Šumi (auf Deutsch »Sankt Peter im Wald«) versteckt sich nahe einem Forst das Weingut In Sylvis. Quasi mitten im Nirgendwo haben Lara and Marko Zgrablić einen kleinen, modernen Kubus installiert. Das Gefühl, wie bei Freunden im Garten zu sitzen, wird (nur auf Reservierung) von traditioneller »Istrian Cuisine« begleitet. Zwischen dem Zirpen der Grillen und dem Gesang der Nachtigallen ranken sich in Brtonigla authentische Bauernhöfe, sogenannte Stancija, und historische Glockengiebel kleiner Kirchen auf Feldern empor. Die vinophile Besonderheit dieses istrischen Abschnitts: Es liegt auf vier verschiedenen Bodenarten, die gleichzeitig alle Bodenarten Istriens vertreten und sich alle genau hier und nur auf diesem Gebiet treffen. Im Juni begeht man das Festival der istrischen Malvasija, im Herbst lässt man Pilze hochleben.
Zwischen Brtonigla und Buje ist das Bio-Weingut Veralda – architektonisch aber eher Betonklotz als Paukenschlag – auf dem besten Weg, sich zu etablieren. Federführend ist hier Luciano Visintin, der Kopf hinter den Weinen und der Mann, der die Entwicklung des Weinguts in den vergangenen Jahren maßgeblich geprägt hat. Völlig neue Wege beschritt Visintin bei der Geburt des ersten Rosés in der Weingeschichte Kroatiens, der gänzlich aus Refošk-Trauben gewonnen wurde. Insider sagen: Mit seinem Pet Nat habe das Weingut aktuell nahezu ein Alleinstellungsmerkmal in Istrien. »Sie gehören zu den ganz wenigen, die einen unfiltrierten, hellrosa Pet Nat auf Terroir-Basis machen«, unterstreicht Christian Buechler, Geschäftsführer des kroatischen Onlineshops »Delicije«. Dem Schaumwein attestiert er Frische, Fruchtigkeit und die Eigenschaft, als idealer Aperitif oder Begleiter zu leichten Sommergerichten die nächste Jahreszeit einzuläuten. Ja und was wäre Istrien ohne Tellerarchitektur? Im »Restaurant Agli Amici« im Yachthafen von Rovinj etwa, wo Küchenchef Emanuele Scarello Istrien, Friaul und Julisch-Venetien als Bausteine für seine Degustationsmenüs nutzt. Oder im »Cap Aureo«, wo man im fünften Stock die ganze Marina und Altstadt überblickt, während eine feine Auswahl von 20 Tellern vorwiegend Gemüseküche den Aufenthalt untermalt. Genuss mit Aussicht wie an vielen Orten Istriens.
Benvenuti
Livio, Albert und Nikola Benvenuti stellen mit Leidenschaft und Können ausgezeichnete Weine her.
Kaldir 7, 52424 Motovun
T: +385 99 3541281, benvenutivina.com
Clai D.O.O.
Einst als Garagenweingut ein Insidertipp, heute einer der Wein-Player in Istrien.
Brajki 105, 52460 Buje/Krasica
T: +385 91 5776364, clai.hr
Deklić vina
100 Jahre Tradition im Weinbau. Lustig. Man kann eine Weinrebe adoptieren.
Ferenci 48, 52447 Vižinada
T: +385 52 446151, vina-deklic.com
Domaine Koquelicot
Die Winzerfamilie stellt Weine im Stil des Burgunds aus besten istrischen Trauben her.
J O Usluge d.o.o. 52403 Gračišće 19
T: +385 99 6759119, domainekoquelicot.eu
Marko Fakin
Der junge Winzer wird von vielen als der nächste große Star der istrischen Weinszene bezeichnet.
Bataji 20a, 52424 Motovun
T: +385 92 2399400, fakinwines.com
Ghira
Jung, wild, aufstrebend. Tipp. Bei »Damir & Ornella« in Novigrad probieren.
Joakim Rakovac 4, 52466 Novigrad
T: +385 98 1910651, vinarinovigrad.com/en/services/ghira-2
Weingut Gerzinic
Mehr als 100 Jahre Weinbautradition am kleinen Gut. Einer der besten istrischen Terans.
Ohnići 9, 52447 Vižinada
T: +385 91 5067503, gerzinic.com
In Sylvis
Noch ein Geheimtipp in der Szene. Freitag bis -Sonntag wird ein kleiner Kubus im Garten zum Restaurant (nur nach Reservierung).
Turčinovići 81, 52404 Sv. Petar u Šumi
T: +385 98 9475313, insylvis.com
Ipša vina
Kombination Wein- und Olivenanbau als einer der Allerbesten. Viel Leidenschaft.
T: +385 52 664010, ipsa-maslinovaulja.hr
Kabola
Kleines, feines Weingut mit tollen Amphoren-weinen, gekeltert von Marino Markežić.
Kanedolo 90, 52462 Momjan,
T: +385 52 7792008, kabola.hr
Kozlović
Ein Weingut, ein Designstatement. Grandioser Ausblick. Jedenfalls ein Muss.
Vale Momjan 78, 52460, Buje
T: +385 52 779177, kozlovic.hr
Weingut Matošević
Die Weine von Ivica Matošević sind weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt.
Krunčići 2, 52448 Sv. Lovreč
T: +385 52 448558, matosevic.com
Meneghetti Vina
Weingut, Hotel, Villa, Restaurant, eigenes Olivenöl. Ein echter Genussort.
Stancija Meneghetti 1, 52211 Bale
T: +385 52 528800, meneghetti.hr
Radovan Vina
Rote Erde, Eichenhaine. Franko Radovan keltert feine Chardonnays, Sauvignon Blancs und Rosés.
Radovani 14, 52463 Višnjan
T: +385 91 5124018, vinaradovan.com
Roxanich
Das Design-Weingut ist fast eine Sehenswürdigkeit. Schlafen, Essen, Trinken.
Kanal 30, 52424 Motovun
T: +385 91 6170700, roxanich.com
Tomaz Vina
Motovun ist Grand-Cru-Zone für trockenen Teran. Der neue Weinkeller wurde gerade eröffnet.
Kanal 36, 52424 Motovun
T: +385 52 681717, vina-tomaz.hr
Weingut Trapan
Bruno Trapan ist anders als alle anderen. Manche sagen er sei der Rock-’n’-Roller der istrischen Winzer.
Giordano Dobran 63, 52204 Sisan
T: +385 91 5817281, trapan.hr
Veralda
Schönes Familienweingut mit exzellenten Weinen, z. B. Refošk, als Rosé Brut ausgebaut.
Kršin 4, 52474, Brtonigla
T: +385 52 774111, veralda.hr
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