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Genussregion Katalonien: Die Wiege des Schaumweins

Katalonien bietet mehr als Sonne, Strand und Gaudí-Pracht in Barcelona. Der Nordosten Spaniens hat sich als Weinregion international einen Namen gemacht. Wir stellen vier spannende und sehenswerte Anbaugebiete vor.

Das pulsierende Barcelona mit der Sagrada Família, die Costa Brava mit ihren weiten Stränden und versteckten Buchten, mittelalterliche Dörfer und Welterbe-Klös­ter im Hinterland: Katalonien ist ein facettenreiches Reiseziel für Kulturinteressierte und Badefreunde, Aktivurlauber und Genießer. So eigensinnig und temperamentvoll wie die Menschen ist auch der Wein, der die Geschichte und Kultur der Region seit Jahrtausenden prägt. Schon zur Römerzeit wurden im antiken Tarraco, dem heutigen Tarragona, katalanische Weine gehandelt. Generationen von ambitionierten Winzern haben allen Krisen getrotzt, alte Traditionen wiederbelebt und ihre Handwerkskunst mit hochmodernen Techniken immer weiter verfeinert. So ist Katalonien nicht nur die Heimat des international bekannten Cava, sondern auch das zweitgrößte Wein­anbaugebiet Spaniens. Zwölf geschützte Herkunftsbezeichnungen finden sich hier, auf Spanisch Denominación de origen (DO). Am besten lassen sich die verschiedenen Gebiete auf eigens zugehörigen Weinrouten entdecken.

Im Herzen des Cava

Gleich vor Barcelonas Haustür, westlich der Stadt, erstreckt sich das Gebiet Penedès, das sich auf drei von der Küste her aufsteigende Zonen mit jeweils eigenem Mikroklima und Terroir verteilt. Hier befindet sich das Herz der spanischen Cava-Produktion mit ihren traditionsreichen Häusern Freixenet, Codorníu und Miguel Torres. Der berühmte Schaumwein wird nach der althergebrachten Methode der Flaschen­gärung hergestellt wie der Champagner. Kühle Nächte und kalkhaltige Böden bieten ideale Bedingungen für den Anbau der Trauben. Für den Cava werden vor allem die Rebsorten Macabeo, Xarel-lo und Parellada verwendet. Doch es ist gerade die Vielfalt, die das Penedès auszeichnet: Hier entstehen frische Weißweine, fruchtige Rosés und komplexe, aber zugleich leichte Rotweine, die vor Ort am besten schmecken. Einen Besuch lohnt der Weinort Vilafranca del Penedès mit der Kellerei Torres und dem Museum für katalanische Weinkultur. Wer Cava der Spitzenklasse probieren möchte, kann auch nach Sant Sadurní d’Anoia fahren und renommierte Kellereien wie Juvé & Camps besichtigen. Der Familienbetrieb hat eine Reihe von technologischen Innovationen entwickelt, etwa eine pneumatische Weinpresse, und produziert heutzutage auch ausgezeichnete Bio-Weine. Stilgerecht und landestypisch übernachten Reisende in einem der familiären Gastrohotels, in denen regionale Spezialitäten auf den Tisch kommen. Das Boutiquehotel »Casa Gran 1771« zum Beispiel gehört zu dem kleinen, aber feinen Weingut MontRubí im idyllisch gelegenen Bergdorf L’Avellà, wo sich die Reben den frucht­baren Boden mit Pinien- und Olivenwäldern teilen. Probieren kann man etwa einen rubinroten Gaintus, der aus der einheimischen, fast ausgestorbenen Rebsorte Sumoll produziert wird – und die Eigenständigkeit der Weinregion Katalonien wider­spiegelt.

Sakraler Schatz

An das Penedès schließt sich das Anbaugebiet Tarragona an. Schon in der Antike war die Umgebung der Stadt als Weinregion bekannt. Das warme, mitunter auch heiße Mittelmeerklima bildet in Kombination mit den kalkhaltigen Böden eine hervorragende Grundlage für ausdrucksstarke Rotweine, etwa Cabernet Sauvignon, Merlot, Pinot Noir und Garnatxa, und für dunkle Rosés. Manch einer mag schon einen Schluck Wein aus Tarragona getrunken haben, ohne es zu wissen – und zwar in der Kirche. Die Tropfen der Region werden weltweit als Messweine geschätzt. Ein Abgesandter des Papsts hielt 1942 in der Kellerei De Muller einen Gottesdienst ab und ließ daraufhin den Vatikan mit Flaschen aus der Bodega beliefern. Ein wahrer Augenöffner ist die Wein-Kathedrale der Kellerei Adernats – Vinícola de Nulles, entworfen vom katalanischen Architekten Cèsar Martinell. Ihre Errichtung im Jahr 1917 war nach der verheerenden Reblausplage, der die meisten Weinstöcke zum Opfer gefallen waren, ein wichtiges Symbol der Hoffnung für die Winzer. Weitere sehenswerte Gebäude des Katalanischen Modernismus können Weinreisende in Reus anschauen. Der berühmteste Sohn der Stadt ist Antoni Gaudí, der Barcelona zu dem machte, was es heute ist – seinem Heimatort allerdings kein architektonisches Werk hinterließ. Und natürlich laden im Anbaugebiet Tarragona auch viele Kellereien zu einer Weinprobe ein, etwa die Casa Vermouth Padró in Bràfim oder die Cellers Avgvstvs Forvm in El Vendrell. Nicht weit entfernt in der Altstadt von Altafulla gleich an der Costa Dorada liegt das Hotel »Gran Claustre« in einem historisch wertvollen Gebäude aus dem 18. Jahrhundert. Oder man fährt in die Hügel zum »Masia Del Cadet«. Die Herberge ist in einem pittoresken Landhaus aus dem 14. Jahrhundert untergebracht, nahe dem Kloster Poblet – ein stimmungsvoller Ausklang des Tages auf der Wein-route.

In den Hügeln Montsants

Wer besonders exklusive Weinerlebnisse sucht, fährt von Tarragona in die Berge und erreicht rasch das nur 1600 Hektar kleine Anbaugebiet Priorat. Die Klassifizierung als Denominación de origen calificada steht für höchste Anforderung und verbürgt für Spitzenqualität, die Weinkenner auf der ganzen Welt schätzen. Rioja und Priorat sind die einzigen Weingebiete in Spanien, die sich DOCa nennen dürfen. Es waren Karthäusermönche, die im Jahr 1262 damit begannen, auf den kargen Böden Reben anzupflanzen. Ihre Weine wurden bald landesweit gelobt. Im Laufe der Zeit geriet das Gebiet in Vergessenheit, bis es die Weinpioniere René Barbier und Alvaro Palacios in den 1980er-Jahren zurück auf die Karte brachten. Sie terrassierten die steilen Schieferhänge und widmeten sich den Rebstöcken der alten Sorten Grenache und Carinena, die spärliche Erträge hervorbrachten, aber auch exzellente Aromen. Die Fachwelt war begeistert. Heute zahlen Liebhaber für die wuchtigen Spitzenrotweine aus Priorat gerne mehrere Hundert Euro, für manche Flaschen sogar vierstellige Summen. Nur wenige Winzer zog es anfangs in das Gebiet, doch es folgten immer mehr. Heute laden zahlreiche Kellereien zu Verköstigungen ein, darunter Clos Mogador, Cellers de Scala Die oder Perinet. Etwas größer als Priorat ist das benachbarte Anbaugebiet Montsant, wo Jugendstilarchitekt Martinell zwei sehenswerte Kellereien entwarf, einmal für die Kooperative von Falset und einmal für die Genossenschaft von Cornudella de Mont-sant. Der Naturpark Serra de Montsant lädt zu ausgedehnten Wanderungen oder Touren mit dem Mountainbike ein.

Anbaugebiet Terra Alta

Die Weinreise endet an der Grenze zu Aragonien im Anbaugebiet Terra Alta. Die Region erstreckt sich über den Gebirgszug Serra de la Franqueta und die Ebene des Ebro-Flusses. Bekannt ist Terra Alta für weiße Rebsorten, vor allem Garnacha Blanca, die hier in der Gegend ihre Heimat hat. Die daraus hergestellten Weine haben wenig Säure, werden als oft besonders weich, fast schon cremig beschrieben und eigenen sich hervorragend für Desserts. Zentrum des Weinbaus in Terra Alta ist die Stadt Gandesa, wo immer wieder Ausstellungen stattfinden. Imposant ist die Weinkathedrale von El Pinell de Brai mit ihren für Martinell typischen offenen Spandrillen und Parabelbögen im Gaudí-Stil. Sie begeistert Besucher bis heute mit ihren Schauwerten, aber verbesserte damals auch die Weinproduktion so wie die vielen Errungenschaften der katalanischen Winzer. Das Ergebnis dieses Schaffens kann sich sehen lassen – oder eben schmecken.


Tipps & Adressen

»Casa Gran 1771«
Stilvolles Fünf-Sterne-Boutiquehotel inmitten von 200 Hektar Weinbergen, das von SPA-Bereich bis Fitnessstudio keine Wünsche offen lässt. Das Hotel ist ausschließlich Erwachsenen vorbehalten. Im hoteleigenen Gourmetrestaurant »Montrubi« speist man vorzüglich.

L’Avellà 1, 08736 L’Avellà, Spanien
T: +34 936 65696, montrubi.com

»Gran Claustre«
Exklusives Boutiquehotel an der Costa Dorada mit Blick aufs Mittelmeer. Wem der Sinn nach Bewegung steht, findet hier von Mountainbiking über Golfen bis zum Reiten ein großes Angebot.

Carrer del Cup 2, 43893 Altafulla, Spanien
T: +34 977 651557, spagranclaustre.com


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Erschienen in
Falstaff Nr. 08/2023

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Philipp Laage
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