Für das Design des  »La Mamounia«, der Grande Dame der Hotellerie, zeichnet der französische Architekt und Interior-Designer Jacques Garcia verantwortlich.

Für das Design des  »La Mamounia«, der Grande Dame der Hotellerie, zeichnet der französische Architekt und Interior-Designer Jacques Garcia verantwortlich.
© Alan Keohane

Marrakesch: Ein Fest für alle Sinne

Die Stadt ist wie ein Märchen aus 1001 Nacht. Nur wenige andere Metropolen können es an Schönheit mit ihr aufnehmen. Mehr und mehr steht Marrakesch auch bei Genussreisenden hoch im Kurs.

Diese Stadt hat mir Licht und Farben geschenkt«, schwärmte Yves Saint Laurent. »Jene der Erde und des Sands, aber auch jene der Straße: die Frauen im türkisgrünen, veilchenblauen Kaftan. Vor Marrakesch war für mich einfach alles nur schwarz.« 1980 kaufte der Modeschöpfer den Garten des Malers Jacques Majorelle. Aus der einzigartigen Ansammlung von Bambus, Kakteen und Blüten leuchtet das Haus in bestechendem »Bleu Majorelle«. Dort entspannte Yves Saint Laurent und erdachte seine Kollektionen. Nirgendwo war er kreativer als hier. Wie stark die »rote Stadt« den Pariser Designer prägte, zeigt ein ihm gewidmetes Museum. Das gerade eröffnete Haus präsentiert auf 4.000 Quadratmetern seine schönsten Haute-Couture-Kreationen und zählt zu den neuen Attraktionen der Stadt.  
Marrakesch-Geschichte atmet auch das Restaurant »La Trattoria«, längst eine Institution in der Stadt. Nicht nur Yves Saint Laurent und sein Partner Pierre Bergé waren dort oft zu Gast. Auch Catherine Deneuve, Giorgio Armani und Paloma Picasso haben sich ins Gästebuch eingetragen. Für das Interieur der Art-déco-Villa zeichnet der amerikanische Innenarchitekt Bill Willis verantwortlich, der auch die Villa von YSL mitgestaltet hat. Die Gäste sitzen unter Palmen an einem dezent beleuchteten Pool. Stimmungsvoll flackert Laternenlicht, und im Hintergrund spielt leise Musik. Aufgetischt werden Antipasti und Carpaccio, typische hausgemachte Pasta-Gerichte und Köstlichkeiten von Fisch und Fleisch, und auf der Dessert-Karte stehen Klassiker wie Tiramisu und Zitronensorbet. Zu den Stammgästen des Lokals gehört auch Julia Bartels: »Wenn ich auswärts essen möchte, gehe ich gern in die ›Trattoria‹. Gutes marokkanisches Essen habe ich ja selbst im Haus. Hier bekomme ich zu guter italienischer Küche noch Geschichte – alle Größen der Stadt waren und sind hier zugange, und das Restaurant atmet Marrakesch-Geschichte mit großem Stil«, sagt sie. 

Ihre eigene marokkanische Geschichte beginnt mit ihrem Vater. »Er war in den 1990er-Jahren Botschafter in Marrakesch und träumte von einem Alterssitz in der Medina. Damals kehrten vermehrt Marokkaner der vermeintlich rückständigen und für Autos nicht zugänglichen Altstadt den Rücken und siedelten in die moderne Neustadt über«, erinnert sich die Deutsche. Schließlich erwarb ihr Vater einen Riad, den er liebevoll restaurierte, mit orientalischer Handwerkskunst ausstattete und im Jahr 2000 als Gästehaus eröffnete. Heute zählt das »Riyad El Cadi« mit 15 Zimmern, die sich um sieben Innenhöfe verteilen, zu den größeren der Stadt. Die Zimmer sind individuell eingerichtet und mit Exponaten aus der Sammlung orientalischer und berberischer Kunst ausgestattet, die der Vater zusammengetragen hat. Auch ein Hamam und ein kleiner Pool stehen allen Gästen zur Verfügung. Zum Entspannen laden Salons und Alkoven ein. Für das kulinarische Wohl der Gäste sorgen mit Tariq und Hassan zwei Köche, die ihr Handwerk verstehen. Im romantischen Innenhof unter Zitronenbäumen oder im Esszimmer am Kamin werden typisch marokkanische Gerichte und auf Wunsch auch internationale Gerichte zubereitet. »Ein festes Menü haben wir gar nicht«, erklärt Bartels. »Wir kümmern uns sehr persönlich um die Gäste und besprechen deshalb mit ihnen auch das, was auf den Tisch kommen soll.« 

Von Zaalouk und Tajine

Zumeist empfiehlt sie, den Abend mit marokkanischen Salaten zu beginnen: »Die finde ich einfach göttlich, dazu überaus gesund, und ich werde ihrer auch nicht überdrüssig«, sagt sie. Ein Klassiker ist das Zaalouk, ein Mus aus Melanzani, mit Tomaten angemacht, mit reichlich Knoblauch natürlich und jeder Menge Olivenöl. Die Melanzani werden im Haus frittiert, was den Ölgehalt steigen lässt und den Salat noch köstlicher macht. Raffiniert ist auch der Salat, den die beiden Köche aus Weiß- und Rotkohl zubereiten. Sie geben Walnüsse, getrocknete Aprikosen, Balsamico und – das ist das Geheimnis – kostbares Arganöl dazu. Der nussige Geschmack des gerösteten Öls gibt dem Salat seine ganz besondere Note. Ein Gericht, das nicht so oft zu finden ist, im »Riyad El Cadi« aber zu den Klassikern gehört, ist die Tajine mit Rind, Artischocken und Erbsen, gewürzt mit eingelegten Zitronen und Safran. »Das Gericht wirkt so simpel, ist aber eine wunderbare Kombination von sehr einfachen Zutaten mit der kapriziösen Artischocke und dem kostbaren Safran«, erzählt Bartels. 
Eingelegte Zitronen und Arganöl sind für die Hotelbesitzerin auch ein perfektes Mitbringsel. Ganz in der Nähe des großen Platzes Djemaa el Fna kann man die Zitrusfrüchte am Olivenmarkt kaufen. Kunstvoll arrangiert stehen die Gläser samt den eingelegten Zitronen und anderem feinem Gemüse in den Buden der Verkäufer. Man könnte Wände mit ihnen dekorieren, so schön sind die Einmachgläser mit ihrem köstlichen Inhalt aus symmetrisch angeordneten Paprika oder den kleinen Zitronen, zwischen denen grüne Lorbeerblätter hervorlugen. Gleich gegenüber dem Markt wird in den Buden Mechoui angeboten: im Erdofen gegrilltes Lamm, das nach Gewicht verkauft wird und für den perfekten Geschmack nur ein wenig Salz und Kreuzkümmel braucht. 

Früher oder später landet jeder Marrakesch-Besucher auf dem Djemaa el Fna, dem »Platz der Geköpften«, auf dem früher die Häupter der Hingerichteten auf Stangen aufgespießt und aufgestellt wurden. Heute ist der Platz am Vormittag ein Gemüsemarkt – Orangen, Feigen, Datteln, Paprika und Nüsse in Hülle und Fülle. Am späten Nachmittag verwandelt er sich in ein unbeschreibliches Wirrwarr kleiner Bühnen: Gaukler mit Säbel- und Seiltricks, Kopf auf Kopf balancierende Akrobaten und flötende Schlangenbeschwörer mit ihren Kobras bestimmen das Geschehen. Wer mehr Ruhe schätzt, kann das Treiben von der Terrasse des »Café Kessabine« aus beobachten.
Eine Marrakesch-Visite ohne einen Besuch des Hotels »La Mamounia« wäre unvollständig. Das 1923 eröffnete Hotel war einst Vorposten luxuriöser Zivilisation in Afrika. Könige, Filmstars und Politiker haben hier gewohnt, und Winston Churchill überwinterte regelmäßig im »La Mamounia«. Er nannte es »das schönste Fleckchen Erde«. Diesen Charme hat es bis heute bewahren können. Das zentral neben dem Königspalast gelegene Hotel fasziniert mit seinem wunderschönen Garten mit Durchblicken zu den schneebedeckten Gipfeln des Atlasgebirges. Das große Spa lässt kaum Wünsche offen, und auch in kulinarischer Hinsicht werden die Gäste verwöhnt. Gleich vier Restaurants stehen zur Auswahl. Auf keinen Fall verpassen: den sonntäglichen Brunch am Pool und einen gepflegten Drink in der berühmten »Bar Churchill« zum Ausklang des Tages.

Vor den Toren der Stadt

Besucher, die den Luxus einer modernen Hotelanlage schätzen, sind im »Amanjena« am Stadtrand von Marrakesch richtig. Eingebettet in einer Oase aus Palmen und alten Olivenbäumen sind 34 Pavillons und sechs zweistöckige Maisons zu einem Architektur-Ensemble angelegt, das an einen königlichen Palast erinnert. Der Name »Amanjena« steht für »Friedliches Paradies« und ist Programm. Gefühlt bieten sich tausend Möglichkeiten, vollkommen abzutauchen und ganz ungestört zu bleiben. Das wäre aber schade – schließlich bietet das »Amanjena« ein interessantes Ausflugsprogramm. Touren ins nahe Atlas-Gebirge stehen ebenso zur Wahl wie eine Visite im charmanten Küstenstädtchen Essaouira, und beim Ausflug zum Safran-Paradies der Schweizerin Christine Ferrari erfahren die Teilnehmer alles über das teuerste Gewürz der Welt.

Kulinarisch überrascht das Hotel mit exzellenter japanischer Küche. Im Restaurant »Nama«, was übersetzt »roh« heißt, kocht Chef Keiji Matoba die japanische Washoku-Küche, die sich vor allem durch naturbelassene und saisonabhängige Zutaten auszeichnet. »Fangfrischen Wolfsbarsch, Dorade und Tintenfisch bekommen wir von Fischern aus den Hafenstädten Essaouira und Agadir, die uns auch den nur schwer erhältlichen regionalen Thunfisch liefern«, erzählt Matoba. Nicht nur die Fischkreationen sind spitze – auch die edlen Wagyu-Steaks, die direkt am Tisch über Holzkohle gegrillt und mit Moshio-Mineralsalz serviert werden, überzeugen selbst verwöhnte Genießer. Mit Bruno Vengadabady hat das »Amanjena« sogar einen Honigsommelier im Haus, für die zwölf marokkanischen Honigsorten, unter denen die Gäste wählen können. Ausklingen kann der Abend an der gemütlichen Bar oder mit einem guten Buch in der Bibliothek, wie etwa »Die Stimmen von Marrakesch« von Elias Canetti.

Erschienen in
Falstaff Nr. 01/2018

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Detlef Berg
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