Jochen Pinsker © Circana

Jochen Pinsker

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Gastronomie im Wandel: »Trading Down« als Herausforderung und Chance

Gastronomie-Experte Jochen Pinsker erklärt im PROFI-Interview, wie »Trading Down« die Branche beeinflusst und wie sich Betriebe erfolgreich anpassen können.

von Alexandra Gorsche
18. Januar 2024

Die Gastronomie steht vor neuen Herausforderungen, da Verbraucher vermehrt auf das Konzept des »Trading Down« setzen. In einem exklusiven Interview mit Jochen Pinsker, Senior Vice President und Industry Advisor Foodservice Europe bei »Circana«, erfahren wir, wie diese Entwicklung die Branche beeinflusst und welche Strategien Gastronomiebetriebe nutzen können, um sich anzupassen und zu prosperieren.

PROFI: Was bedeutet »Trading Down« in Bezug auf die Gastronomie?

Jochen Pinsker: Unter »Trading Down« verstehen wir die Entwicklung, bei der die Konsumenten aktiv die Gesamtkosten pro Person, also den sogenannten »Eater Check« reduzieren. Es findet weiter ein Besuch statt, allerdings soll dieser Besuch kostengünstiger werden.

Welche Auswirkungen hat »Trading Down« auf gastronomische Betriebe und wie passen Ihre Lösungen in diesen Kontext?

Es gibt eine Reihe von konkreten Maßnahmen oder Beispielen des »Trading Downs« durch die Verbraucher: Zum einen der Verzicht auf einzelne Produkte wie die Vorspeise, das Dessert oder den Espresso danach, möglicherweise auch ein zweites oder drittes Getränk zum Essen. Es werden günstigeren Betriebe oder Segmente gewählt: Statt der Bediengastronomie vielleicht die Schnellgastronomie und damit einen Betrieb, in dem er sich günstigere Preise verspricht. Mitnahme statt Verzehr vor Ort: Statt beispielsweise beim Italiener zu essen, nimmt sich der Gast seine vier Pizzen nach Hause mit. Er spart sich dabei zum Beispiel die Getränke oder den Salat, den er zu Hause selbst zubereitet. Wir beobachten auch die aktivere Suche nach Sonderangeboten, reduzierte Preise oder Promotion-Angebote. Daneben gibt es auch das »Trading Down« von einem teureren zu einem günstigeren Produkt: Der Gast entscheidet sich bewusst für das 15-Euro-Gericht und nicht für das 25-Euro-Gericht, also die Frikadelle statt dem Steak.

Wie reagieren Gastronomiebetriebe auf den Trend des »Trading Down«, und inwiefern sind Anpassungen in ihren Angeboten notwendig?

Gastronomen haben mehrere Möglichkeiten, um dem »Trading Down« der Verbraucher entgegenzuwirken: Zum Beispiel der Fokus auf Kombimenü-Angebote. So verzichtet der Gast nicht einfach auf Vorspeise, Nachspeise oder das Getränk, diese werden häufig als gutes Preis-Leistungsverhältnis wahrgenommen. Bei »All you can eat« oder »All you can drink« Angeboten sind Gäste weniger preissensibel, unabhängig davon, ob er die Refill-Option am Ende überhaupt nutzt. Grundsätzlich nutzen Gäste bei Socializing-Transaktionen seltener die Optionen von »Trading Down«, da es weniger um die reine Magenfüllung geht, sondern eher darum, eine schöne Zeit zu haben. Es kommt eher auf die Atmosphäre und das Ambiente an. Darüber hinaus sollte auch aktiv die Mitnahme von Produkten angeboten und forciert werden. Auch wenn der Gast seine Bestellung mitnimmt und nicht vor Ort weitere Produkte bestellt, der »Eater Check« damit geringer ausfällt, verliert ihn der Gastronom nicht komplett an einen Mitbewerber, der günstiger ist oder eben diese Optionen anbietet.

Welche innovativen Ansätze oder Technologien könnten dazu beitragen, dass Gastronomiebetriebe besser auf das »Trading Down« reagieren?

Aus Produktperspektive stellen wir fest, dass Menschen eher dazu bereit sind, höhere Preise zu akzeptieren und ein Gericht zu bestellen, wenn ein Produkt den Charakter von etwas Neuem hat, zum Beispiel neue Rezepturen mit neuartigen Gewürzen. Produktinnovationen können somit dabei helfen, ein »Trading Down« zu günstigeren Produkten zu verhindern. Bei der Art der Bestellung können digitale Bestellungen helfen, dem »Trading Down« entgegenzuwirken. Bei digitaler Bestellung (zur Mitnahme oder im Restaurant) werden sowohl mehr als auch höherpreisige Produkte bestellt und damit sind auch die Ausgaben pro Gast insgesamt höher. Dazu kommt im Übrigen noch eine durchschnittlich höhere Zufriedenheit der Gäste was wiederum dazu führt, dass man gerne und früher wiederkommt.

Inwieweit hat der Trend zum »Trading Down« Auswirkungen auf die Nachfrage nach nachhaltigen und qualitativ hochwertigen Lebensmitteln und Getränken in der Gastronomie?

Der Wunsch nach hoher Produktqualität und Nachhaltigkeit kann nicht mit »Trading Down«-Effekten aufgerechnet werden. Weiterhin wünschen sich die Gäste von den Betrieben gute Qualität und sind dafür auch bereit einen angemessenen Preis zu bezahlen. Aber sie verzichten eben eher auf einzelne Komponenten oder nehmen günstigere (aber dennoch qualitativ hochwertige) Alternativprodukte.

Wie können Gastronomiebetriebe diesen Faktor nutzen, um sich von Mitbewerbern abzuheben?

Das gute am »Trading Down« ist, dass dem Markt als Ganzes keine Besuche verloren gehen. Besuche werden möglicherweise verschoben aber immer dort, wo jemand durch »Trading Down« einen Besuch verliert, gewinnt auch ein anderer Betrieb. Angebot und Kommunikation von Kombimenüangeboten, »All you can eat« oder »All you can drink« Angebote, Fokus auf Socializing-Transaktionen und das Angebot der Mitnahme von Produkten können helfen, auf der Gewinnerseite zu stehen. Aber natürlich auch eine hohe Sensibilität bei der Preisgestaltung insgesamt, ohne bei der Qualität große Kompromisse einzugehen.

Die Gastronomiebranche steht vor Veränderungen, aber mit der richtigen Anpassung und Innovation können Betriebe weiterhin florieren und sich als Gewinner in diesem dynamischen Umfeld positionieren.

Über Jochen Pinsker

Mit über 25 Jahren Erfahrung in der Verfolgung von Trends im europäischen Foodservice und Konsumentenverhalten leitet Jochen Pinsker nun die Foodservice-Branche von »Circana« in Europa und dem Nahen Osten. Er wurde vom »Foodservice Magazine« 2022 zu einer der 40 einflussreichsten Persönlichkeiten der Branche der letzten 40 Jahre ernannt.

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