Bozen: Zwischen den Welten
Bozen ist der pulsierende Mittelpunkt Südtirols und zeugt von all seiner Vielfalt – zwei Sprachen schallen durch die Gassen, die Weinstraße schlängelt sich durch malerische Rebhänge, und Tiroler Tradition vereint sich mit mediterraner Kochkunst.
In einem Talkessel gelegen, wird Bozen auf allen Seiten von imposanten Bergketten umschlossen. Das schafft nicht nur ein traumhaftes Panorama, sondern auch ein einzigartiges mediterranes Klima, das den Anbau von vorzüglichem Wein ermöglicht. Kaum anderswo treffen alpine und mediterrane Lebensart so aufeinander wie hier. Rund drei Viertel der gut 100.000 Einwohner sprechen Italienisch, ein Viertel spricht Deutsch – im übrigen Südtirol ist es nahezu umgekehrt. Und so zeugt auch die Küche der Landeshauptstadt von der spannenden Fusion der italienischen und alpinen Küche.
Hoch hinaus
Um uns im wahrsten Sinne des Wortes einen ersten kulinarischen Überblick zu verschaffen, müssen wir erst einmal hoch hinaus – zum »Gasthof Kohlern«, der weit oben über der Stadt auf dem Bozener Hausberg thront. Hinauf kommt man am besten mit der historischen Seilbahn, die seit 1908 die Gäste dort hochbringt. Von der Stadt auf direktem Weg hinauf auf wunderschöne Anhöhen – das ermöglichen auch zwei weitere Seilbahnen, die zwischen Bozen auf den Ritten und nach Jenesien verkehren.
Oben in Kohlern angekommen, wird man mit einem grandiosen Ausblick belohnt. Das Haus im alpinen Jugendstil gibt es seit 1870, man kann dort auch wohnen, es verbreitet ein wenig Zauberberg-Atmosphäre und bietet neben der Sonnenterrasse eine verglaste Veranda und eine urige holzvertäfelte Gaststube – und natürlich eine gutbürgerliche Südtiroler Küche mit allem, was dazugehört: Bauerngröstel, Schlutzkrapfen, Knödel und Kalbskopf und zur Saison Spargel mit Bozener Sauce.
Wieder zurück im Tal lassen wir die kulinarische Erkundungstour in der historischen Altstadt erst einmal langsam angehen. Die erste Siedlung soll sich hier in der Umgebung des heutigen Doms befunden haben, in einem sumpfigen Talkessel. Heute herrscht in der Altstadt ein buntes Treiben – zahlreiche Geschäfte reihen sich an kleine Cafés und gemütliche Restaurants.

In der »Osteria Dai Carrettai« naschen wir von verschiedenen Broten, die es hier mit Thunfischcreme, Lachs, Parmaschinken, Salami, Garnelen und vielen anderen Köstlichkeiten belegt gibt. Dazu werden Bier und Wein ausgeschenkt, und der erste Hunger und Durst wird auf angenehme Weise gestillt. Der Wirt setzt auf die Ehrlichkeit der Gäste: In jedem Brot steckt ein Zahnstocher, bezahlt wird hinterher nach deren Anzahl.

Einen Steinwurf weiter befindet sich die originellste Bar Bozens: die »Fischbänke«. Auf den marmornen ehemaligen Fischverkaufsständen betreibt Cobo, der eigentlich Rino Zullo heißt, seine Freiluftbar, die er tagtäglich in mühevoller Arbeit auf- und wieder abbaut. Daher schenkt er nur bei schönem Wetter Bier, Wein, Hugo und Aperol-Spritz aus und serviert Bruschette und Knabbereien, denn außer den großen Sonnenschirmen gibt es hier kein Dach über dem Kopf. Für Cobo – Kneipier, Maler und Weltenbummler – scheint der Begriff Lebenskünstler erfunden worden zu sein. Und er liebt seine Stadt: »Ich habe in Rom gelebt, in New York und in anderen Städten, aber nirgendwo gefällt es mir so gut wie hier. Bozen ist die schönste Stadt der Welt«, schwärmt er.
Und kaum anderswo in dieser Stadt lässt sich ein Abend so angenehm beginnen oder beenden wie hier.
Genuss-Momente
Gemüse, Schinken, Käse und anderen Leckereien, und auch der Wein darf hier natürlich nicht zu kurz kommen. Wer sich dafür näher interessiert, erkundet von Bozen aus die berühmte Südtiroler Weinstraße, die sich von Nals bis Salurn erstreckt. Sie führt vorbei an den Weingütern und Kellereien der Region, an leuchtenden Dolomitfelsen, Oliven- und Obstbäumen – eine beeindruckende Strecke, an der auch das ganze Jahr über spannende Veranstaltungen zum Thema Wein und Weinmachen stattfinden. Viele Bozener Gasthäuser bieten ebenfalls hervorragende Möglichkeiten, die besten Weine der Region zu Südtiroler Gerichten zu probieren.Von klassisch bis verspielt
Eine echte Institution, wo sich auch die Einwohner gerne treffen, ist das Wirtshaus »Vögele« gleich beim Obstmarkt und den Lauben, das bereits 1277 als »Roter Adler« erstmals erwähnt wurde. Auch Goethe soll hier schon gegessen haben, und in Kriegszeiten hielt man hier geheime Strategie-Besprechungen ab. Heute braucht sich niemand mehr zu verstecken, und so gilt hier »sehen und gesehen werden«. Aus der Küche kommt die ganze Palette traditioneller Südtiroler Schmankerl, die mehr als solide zubereitet sind und in großen Portionen auf die Teller kommen.
Besonders empfehlenswert sind der Kalbskopf, der mit gedämpften roten Zwiebeln und feinsäuerlicher Vinaigrette angemacht ist, und das Knödel-Tris aus Rote-Bete-Knödel mit Meerrettichcreme, Käseknödel mit Blattspinat und Spinatknödel mit Sauerkraut.
In Bozens Küchen geht es aber nicht nur deftig zu, nein, es wird durchaus auch fein gekocht, mit mediterranem Einschlag. Besonders angenehm lässt sich das im traditionsreichen Restaurant »Zur Kaiserkron« direkt am Musterplatz erschmecken, das im ehemaligen Palais Pock untergebracht ist, in dem schon Kaiser und Päpste nächtigten. Die Gastronomenfamilie Wieser erweckte das Restaurant aus seinem kulinarischen Dornröschenschlaf.


Die Geschwister Robert und Monica kümmern sich um den Saal, Monicas Mann Claudio Melis steht am Herd. Und an dem kocht er eine mediterran angehauchte Südtiroler Küche. Die Zucchinicremesuppe peppt er mit Muscheln und Chorizo auf, bodenständig fein sind seine zarten, mit faschiertem Rinderschmorbraten gefüllten Ravioli samt Butter und Parmesan.
Jung-Talente
Um die Poleposition der Bozener Gastronomie kämpfen derweil zwei junge, talentierte Köche. Kaum ein anderer schafft es so mühelos wie der gebürtige Bozener Manuel Astuto im »Restaurant Laurin« Mittelmeer und Berge kulinarisch miteinander zu verbinden.»Mein Vater ist Sizilianer und meine Mutter Südtirolerin. Was liegt da näher für mich, als die Einflüsse beider Küchen in meine Gerichte einfließen zu lassen?«, fragt Astuto, der während seiner Lehr- und Wanderjahre auch ein Jahr beim französischen Spitzenkoch Paul Bocuse verbracht hat. Die Produkte sind erstklassig und stammen vorwiegend aus der Region, den Fisch bezieht er aus Sizilien. Auf die Teller bringt er so--dann bissfeste Linguine mit Venusmuscheln, schwarze Spaghetti mit Sardinencreme und angetrockneten Tomaten oder pochiertes Kalbsfilet mit geschmorten Aprikosen und La-Ratte Kartoffeln, die mit Steinpilzcreme gefüllt sind.

Sein schärfster Konkurrent ist derzeit Michael Meister von der »Löwengrube«, die bereits seit 1543 als Wirtshaus besteht. »Ich experimentiere sehr gern und probiere immer wieder Neues aus, bis es meinen Vorstellungen entspricht«, sagt er. Und das sind keine leeren Versprechen. Erstklassig ist sein bestens angemachtes Rindertatar mit Kaperncreme und geröstetem Brot, ein Traum der cremige Risotto, den er mit Alpenkräutern verfeinert, ganz »state of the art» der rosa gebratene Hirschrücken, zu dem er neben intensiver Portweinjus mit Steinpilzen gefüllte Kartoffelknödel und eine kleine Variation aus roten, weißen und gelben Beten serviert.
Wer dann noch das Tiramisu isst, das hier nicht in der herkömmlichen drögen Form kommt, sondern als Kaffeesorbet mit Mascarponecreme, Eierliköreis und hausgebackenen Löffelbiskuits, weiß, dass Bozen in den nächsten Jahren kulinarisch noch so einiges erleben wird!
Slow-Travel-Tipps: Kulinarische Reise durch Bozen und Umgebung

Südtiroler Weinstraße
Die Weinstraße beginnt westlich von Bozen in Nals. Sie bietet eine traumhafte Route, vorbei an Weingütern, alten Dörfern, Oliven- und Obstbäumen. Auch Weinverkostungen und Kellerführungen werden angeboten, etwa in der Kellerei St. Michael-Eppan oder der Kellerei Nals Margreid.
T: +39 0471 860659
www.suedtiroler-weinstrasse.it
Gasthof Kohlern
Hoch über Bozen liegt das Berghotel »Kohlern« und in ihm eines der besten Gasthäuser. Zum traumhaften Ausblick gibt es gutbürgerliche Küche. Schöne Sonnenterrasse.
Colle 11, 39100 Bozen
T: +39 0471 329978
www.kohlern.com
Osteria Dai Carrettai
In diesem Streetfood-Lokal gibt es zu
einem guten Glas Wein knusprige
Bruschette und fein belegte Brötchen.
Dr.-Josef-Streiter-Gasse 20/B, Bozen
T: +39 0471 970558
Fischbänke
Wo früher Fisch verkauft wurde, betreibt Cobo heute seine Freiluft-Bar. Getrunken und gegessen wird im Freien unter Sonnenschirmen.
Dr.-Josef-Streiter-Gasse, 39100 Bozen
Wirtshaus Vögele
Traditionswirtshaus, gleich beim Bozener Obstmarkt und den Lauben gelegen. Die
Stuben laden zum Verweilen ein. Auf der Karte steht Traditionelles mit Bio-Zutaten.
Goethe-Straße 3, 39100 Bozen
T: +39 0471 973938
www.voegele.it
Restaurant Zur Kaiserkron
Küchenchef Claudio Melis übersetzt die
Südtiroler Hausmannskost in die Moderne.
Musterplatz 2, 39100 Bozen
T: +39 0471 980214
www.zurkaiserkron.com
Restaurant Laurin
Manuel Astuto ist ein noch junges Ausnahmetalent – er kombiniert heimische und exotische Luxusprodukte auf höchstem Niveau.
Laurin-Straße 4, 39100 Bozen
T: +39 0471 311000
www.laurin.it
Löwengrube
Ebenso trendige wie traditionelle Küche – Michael Meister ist derzeit einer der besten Köche in der Hauptstadt.
Zollstange 3, 39100 Bozen
T: +39 0471 970032
www.loewengrube.it
On the table
Vier Bozener Restaurants haben sich zusammengeschlossen und bieten kulinarische Rundgänge durch die Stadt an. Jeder Gang wird von einem anderen Spitzenkoch zubereitet. Teilnehmende Restaurants sind »Zur Kaiserkon«, »Haselburg«, »Laurin« und »Löwengrube«.
Aus dem Falstaff Südtirol Spezial 2017.