Cortis Küchenzettel: Rühren. Oder auch nicht
Es gibt viele Mythen, die sich um die richtige Zubereitung des Risottos ranken – und am liebsten werden sie von Nicht-Italienern befeuert. Rund um Vercelli im Piemont, wo der Risotto seinen Ursprung hat, sieht man das viel entspannter.
In Wahrheit gibt es nur ein Dogma, wie Risotto am Teller zu landen hat, sodass ihn ein italienischer Mensch als Genuss empfinden kann: bissfest. Im Innersten des Reiskorns soll ein winziger Teil nicht durchgegart sein, um den attraktiven Biss zu gewährleisten. Das ist es, was den Risotto vom Reisbrei unterscheidet. Es liegen nur wenige Minuten Kochzeit zwischen diesen beiden Polen – aber ganze Galaxien der Genussempfindung. Ob er »all’onda« gekocht wird, also so dickflüssig, dass er beim Umrühren im Topf große Wellen schlägt und am Teller träge zum Rand hinausfließt – oder doch zu festerer Konsistenz, darf der Koch in Italien selbst entscheiden. Solange er nur Biss hat, der Risotto!
Risotto ist längst ein Welterfolg von einem Reisgericht. Nun werden Welterfolge gern kopiert, aber nicht immer zu deren Vorteil. Was – auch in hochgelobten – Restaurants mitunter für ein zerkochter Gatsch als solcher über die Budel gehen darf (und zu bemerkenswerten Preisen noch dazu), würde ein Italiener bestenfalls als Vorstufe der Leimproduktion zu identifizieren wissen – aber keinesfalls als Risotto, der den Namen verdiente.
Der Aufwand um die Zubereitung, der in vielen, auch italienischen Kochbüchern bei Risotto getrieben wird, ist aber zum Glück nicht notwendig, um ein wirklich gutes Resultat zu erzielen. Sicher, die Qualität des Fonds, ob kraftvolle Hühnersuppe, dichter Rindsfond, eleganter Auszug aus Fisch- und Meeresfrüchtekarkassen oder langsam gezogene Essenz aus (vorzugsweise zuvor angerösteten) Gemüsen, ist für das Gelingen essenziell.
Aber Rühren ohne Unterlass, wie es vielerorts als unabdingbar für echten Risotto dargestellt wird? Widerspricht der italienischen Idee vom guten Essen, nach der sich die Zutaten im Topf in aller Ruhe kennenlernen sollen, um schlussendlich mit Genuss zueinander zu finden. Wie soll das gehen, wenn da oben jemand hektisch am Herumfuhrwerken ist?
Rund um Vercelli im Piemont gedeiht dem Vernehmen nach der beste Risotto-Reis überhaupt. Wer je das Glück hatte, hier einmal einer Köchin oder einem Koch beim Risottokochen zusehen zu dürfen, der weiß, dass »pazienza«, also Ruhe und Geduld, auch hier der Schlüssel zum Erfolg sind. Immer wieder mal ein kurzes Umrühren, damit der Reis weiß, dass wir noch da sind – mehr braucht es nicht, damit er sein Wunderwerk vollbringt und im Fond seine Stärke ausspielt.
Genau das macht guten Risottoreis aus: Der außerordentliche Stärkegehalt bei gleichzeitig souveräner Bissfestigkeit. Dafür stehen die klassischen Risottosorten Carnaroli, Vialone Nano oder Arborio. Die Stärke löst sich beim Kochen und verleiht dem Reis jene unnachahmlich seidige Cremigkeit, die guten Risotto ausmacht: im Kern, Korn für Korn, noch bissfest, in der Gesamtheit aber prachtvoll cremig.
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