Craft-Stoff aus Österreich
Von wegen Einheitsgebräu. In den letzten Jahren ist die Biervielfalt in Österreich richtig aufgeblüht. Ein kurzer Überblick über die heimische Brauszene.
Dynamisch: Das ist das Wort, mit dem die Entwicklung der österreichischen Bierszene in den vergangenen Jahrzehnten am besten beschrieben ist. Sprach man vor 30 Jahren noch vielfach vom »Brauereisterben«, so hat sich die Zahl der Braustätten seither in Österreich verdreifacht, die Zahl unterschiedlicher Brauereiunternehmen und das Angebot an Bieren ist sogar noch stärker gestiegen. Und zwar obwohl nach der Zusammenlegung der Großkonzerne Steirerbrau und Brau AG zur Brau Union und deren Verkauf an Heineken 2003 heimische Bierfreunde unkten, dass es in Österreich bald nur noch Einheitsbier, vielleicht gar nach niederländischem Einheitsrezept, geben würde.
Doch es kam alles ganz anders: Die Mittelstandsbrauereien haben die Herausforderung angenommen und sich nicht nur im Marketing, sondern vor allem mit speziellen Produkten eigenständig positioniert. Zudem gibt es zahlreiche neue, kleine Brauereien, die mit ihren Bieren durchaus internationale Standards erreichen.
Die Szene braut sich was
Johannes Grohs und Alexander Beinhauer zum Beispiel: Die beiden Wiener Hobbybrauer haben eine Biersommelierausbildung absolviert und dann ihr Hobby zum Beruf gemacht. Next Level also. Und Next Level heißt deshalb auch ihr Brauunternehmen. Alexander hat sich mit einem Biotechnologiestudium die theoretischen Grundlagen für die Brauereipraxis geholt, Johannes hat sich um den geschäftlichen Bereich gekümmert. Und dabei unter anderem festgestellt, dass man in der neuen Brauszene nicht unbedingt eine eigene Brauerei braucht.
Denn inzwischen hat die erste Generation der Craft-Bier-Brauer durchaus ansehnliche Brauanlagen eingerichtet, auf denen sie Gäste brauen lässt. Die Next-Level-Biere entstehen etwa in Kötschach-Mauthen in der vor drei Jahren auf den neuesten Stand gebrachten Brauerei Loncium, die ihrerseits nicht nur den lokalen Markt bedient, sondern auch in den Export geht.
Ähnlich ist das mit der Brauerei Gusswerk in Hof bei Salzburg. Hier hat sich ein welterfahrener Braumeister – seine Kenntnisse zum Brauen von Stoutbieren hat er sich in Irland angeeignet – mit einem kleinen, aber leistungsfähigen Braubetrieb niedergelassen: Barta selbst hat den Geist der amerikanischen Craft-Bier-Szene verinnerlicht, die prinzipiell die ganze Welt als möglichen Markt für gute Biere sieht. Da ist etwas dran. Natürlich braucht man so etwas wie eine Bier-Nahversorgung: Ein frisches Bier aus der regionalen Brauerei gehört zur österreichischen Bierkultur. Die Offenheit für ein internationales Bier ebenso. Einige von Bartas Gusswerk-Bieren werden inzwischen in Finnland und Schweden, ja sogar im National Brewery Centre im englischen Burton-upon-Trent als vorbildliche Kreationen feilgeboten.
Vielfalt für alle
Eine Nummer größer geht es die Brauerei Schloss Eggenberg an: Als die Züricher Hürlimann-Brauerei vor 20 Jahren für im-mer ihre Pforten schloss, erwarb die Familie Stöhr Rezept und Markenrecht für das Schweizer Samichlaus-Bier, das nun im oberösterreichischen Vorchdorf gebraut und weltweit vertrieben wird. Zunächst gab es nur das klassische Samichlaus, seit einigen Jahren wird aber auch eine helle und eine tiefschwarze Version gebraut. Zudem hat Karl Stöhr ein paar gebrauchte Barriquefässer gekauft, mit denen er holzfassgereifte Versionen des Samichlaus herstellen kann.
Mit der Samichlaus-Produktion wurde in Oberösterreich gerade rechtzeitig begonnen: Im Jahr 2000 erreichte die amerikanische Craft-Bier-Welle viele internationale Märkte, und Samichlaus bildete einen österreichischen Beitrag, der die Welle weiter anschwellen ließ.
Gleichzeitig hat sich auch der heimische Markt weiterentwickelt: Zwar dominieren hier immer noch Lager- und Märzenbiere – aber die Lust am Probieren nimmt vor allem bei jüngeren Konsumenten zu. Darauf hat auch die marktbeherrschende Brau Union reagiert und mit der Braumanufaktur im Salzburger Kaltenhausen eine eigene Spezialitätenbrauerei eingerichtet. Die Biere aus Kaltenhausen sind ähnlich mutig gebraut wie jene aus der neuen Craft-Bier-Szene. Das sorgt zusätzlich dafür, dass die Auswahl an aufregenden Bieren aus Österreich größer denn je ist.
Craft-Bier für Einsteiger:
Belle Saison
Saison
Goldgelb, sehr starke Trübung und viel Schaum. Duft nach Hefe, Rosen und Gewürzen (Senf, Eibischwurzel). Erfrischender Antrunk, sehr leicht für den Stil. Verhaltene Säure, diese unterstreicht die kurze, kräuterartige Bittere, die sich früh bemerkbar macht und rasch abklingt.
Brauerei Schleppe, Klagenfurt
Braumeister: Manuel Düregger
Lebenskünstler
Wit
Strohgelb und sehr trüb, fein-poriger, schneeweißer Schaum. Zitrus-, Melonen- und Gewürzaromen (Nelken). Spritziger Antrunk, dahinter eine leichte Süße. Extrem weiches Mundgefühl. Erinnert an Kokosnüsse. Gewürzhafter Nachtrunk – Basilikum und Koriander.
Brauerei Raschhofer, Altheim
Braumeister: Johann Eder
Stark & Zugänglich:
Die Alte Kuh
Stout
Tiefschwarz und mit rotbraunem Schaum präsentiert sich diese zwei Jahre in Sherry-Fässern gereifte Version der »Schwarzen Kuh« aus derselben Brauerei. Duft von Schoko-Nuss-Kuchen und Ringlotten. Sehr voller süßer Trunk. Kräftige Holznoten, wärmend im Nachtrunk.
Brauerei Gusswerk
Hof bei Salzburg
Braumeister: Reinhold Barta
Hop Devil IPA
Wiener Version des Rezepts von Victory: deutlich trüb, rötliche Bernsteinfarbe, cremefarbiger, gut haftender Schaum. Intensiver Duft von Grapefruit, Harz, etwas Karamell. Die leichte Süße ist auch im Antrunk, die Bittere überwiegt aber rasch. Kräftiger Körper, fruchtig-herber Nachtrunk.
1516 Brewing Company, Wien
Braumeister: Bill Covaleski &
Andreas Hartl
Abraham
Barley Wine
Hellbraun, deutlich trüb, wenig Schaum. Das Aroma zeigt, dass dieser Blend unterschiedlicher holzfassgereifter Biere mindestens ein Rotweinfass dabeihatte: Man riecht Holz und Erdbeerjoghurt, trinkt ein erfrischend-säuerliches Ale, schmeckt wuchtige Malzsüße und milde Bittere.
Forstner Handbrauerei
Kalsdorf
Braumeister: Elfi Forstner
Für Kenner:
Granitbock Edition
Vinothek St. Stephan
Doppelbock
Tiefrot, wenig Schaum. Sehr süßes Aroma, erinnert an Bratapfel. Schwerer, süßer Antrunk. Sehr runder Körper, wärmender Alkohol von der Lagerung im Rum-fass der Destillerie Aldea. Fruchtnoten (Kirschen, Zwetschken) retronasal. Kräftige Hopfenbittere, von Holznoten unterlegt.
Brauerei Hofstetten, St. Martin
Braumeister: Peter Krammer
Nussknacker
Barley Wine
Wenn dekantiert, ist das Bier kastanienbraun mit dünner, beigefarbener Borte. Das Aroma erklärt den Namen: Nussige und karamellige Düfte kommen aus diesem Ale, der Antrunk ist rund und süß, die Bittere von 65 Bittereinheiten gut dahinter verborgen.
Brew Age & Schwarz Bräu, Wien & Krumbach
Braumeister: Johannes Kugler
& Gerald Schwarz
Wildshuter UrbierSauerbierGelb mit lebendigem, aber nicht stabilem Schaum. Saures Aroma, erinnert an Käserei. Sehr saurer Antrunk mit Eindrücken von frischem Zitronensaft. Ganz zarte Bittere, immer wieder mit leichter Süße und viel fruchtiger Säure ergänzt. Viel erfrischender, als es dem Alkoholgehalt entspricht.
Stiegl-Gut Wildshut
St. Pantaleon
Braumeister: Christian Pöpperl