Mit dem »Deli Bluem« überzeugt Andrea Vaz-König mit einem gesunden Konzept.

Mit dem »Deli Bluem« überzeugt Andrea Vaz-König mit einem gesunden Konzept.
© Deli Bluem

Der Siegeszug der Bio-Restaurants

Zutaten mit Schönheitsmakeln, strenge Auflagen und zig Trittbrettfahrer – das Bio-Business ist nicht das einfachste. Eine wachsende Community dankt es aber denen, die es wirklich ernst meinen.

Man hört es immer wieder: Bio ist doch nur ein großer Schwindel, der Konsument wird sowieso übers Ohr gehauen. Angesichts des Hypes rund um gesundes Essen ist der Wirtschaft nicht zu trauen und Lebensmittel sind ein Nährboden für Schindluder. Doch was sagen die nüchternen Zahlen? 23,9 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Österreich wurden laut Bio Austria 2017 nach den Prinzipien des biologischen Landbaus bewirtschaftet. Das ist ein Plus von 8 % zum Jahr davor, Tendenz weiterhin steigend. Mehr als 20 % aller rot-weiß-roten Betriebe – das sind umgerechnet etwa 23.000 – erzeugen zertifiziert biologisch. Dass innerhalb eines Jahres 1.294 Betriebe (drei bis vier Betriebe pro Tag) ihre Produktion auf ökologisch -umgestellt haben, sollte eigentlich für sich sprechen. Die positive Dunkelziffer nicht zu vergessen: »Es gibt einige Bauern, die entsprechend gut arbeiten und sich nicht zertifizieren lassen«, weiß Haubenkoch Stefan Eder. Den Weg in die Küche des »WILDen EDER« in St. Kathrein am Offenegg passieren nur die besten Produkte, denn »mir ist wichtig, was drinnen ist und nicht, was draufsteht. Und davon überzeuge ich mich am liebsten selbst«, so Eder.

Stellt sich die Frage: Was passiert mit all den guten Dingen, die köstlichst aus und in der Erde gedeihen sowie den Tieren, die trotzdem ein schönes Leben führen durften?
Landwirt, Metzger und Koch – das klingt nicht nur nach einem wunderbaren Dreiergespann, ist es auch: In Kassel zumindest haben sich Stefan Itter, Martin Theisinger und René Müller ihre Fertigkeiten und diesen Kreislauf zunutze und gemeinsame Sache gemacht. Das Besondere daran? »Im Weissen­stein kommt nur Bio auf den Tisch und über den Tresen«, betont Inhaber René Müller. Als Kochhandwerker freut er sich über die Kooperationen, die seinen Weg ebneten. Der Karrieresprung vom Wochenendmarktbetreiber zum Restaurantbesitzer hat sich für ihn bezahlt gemacht, denn »man kann Menschen von einer bewussteren Ernährung überzeugen und der Erfolg ist eine Bestätigung für die nachhaltige Wirtschaft, die wir mit Überzeugung leben.« Sämtliche Produkte – vom Käse übers Gemüse und Ziegenfleisch bis hin zum Zucker – kommen direkt von den Erzeugern und aus der Umgebung. ­»Bestimmt steckt mehr Arbeit hinter der ­Organisation als in einem konventionellen Restaurant und auch die Kosten sind höher. Freude mit einem Bio-Betrieb wird man dann haben, wenn man tatsächlich eine nachhal­tige Lebenseinstellung pflegt und das den Gästen mitgeben möchte«, sagt Müller.

In der Käserei auf dem Biohof Jacobi entstehen neue Sorten.
© Weissenstein
In der Käserei auf dem Biohof Jacobi entstehen neue Sorten.

Bio aus Südamerika

So sieht das auch Gerold Hubmer, der seit sieben Jahren das Karl-Ludwig-Haus als Pächter auf der Rax bewirtschaftet: »Abgesehen davon, dass ich Überzeugungstäter bin, wär‘s für mich einfach absurd, in dieser ­Um­gebung, mitten in der Natur, den Leuten Dosengulasch oder Fleisch aus Massentierhaltung vorzusetzen.« Flexibel sollte man in der ­Küche schon sein, schließlich bedeutet nachhaltig auch saisonal und regional und da gibt es keine Erdbeeren im Winter. Obwohl man die auch bio haben könnte – aus Südamerika zum ­Beispiel. »Warum nicht kochen wie die Oma damals? Mit uns als Abnehmer wird bio expandiert. Wer mit Leib und Seele Landwirt ist, freut sich über eine entsprechende Umstellung und seine hochwertige und geprüfte Ware«, weiß Hubmer. Er selbst kennt alle seine Lieferanten persönlich und ist ­überzeugt von der Qualität. »Mir ist der ­Geschmack eines Apfels wichtiger als sein Aussehen – bio schaut meistens nicht aus wie aus dem Bilderbuch. Und schmeckt auch anders.« So gut und ehrlich nämlich, dass Bio-Restaurants sich der Zertifizierung wegen regelmäßig sowohl mit als auch ohne Termin kontrollieren lassen und dafür sogar selbst aufkommen.

Im »Tüli« im Zürcher Seefeld wird schon seit 15 Jahren das gekocht, was man selber gerne isst.
© Tüli
Im »Tüli« im Zürcher Seefeld wird schon seit 15 Jahren das gekocht, was man selber gerne isst.

Image-Schaden

Der Verein »Die BiowirtInnen« bündelt zertifizierte Betriebe, zu finden auf der gleich­namigen Webseite. Als Obmann sieht Gerold Hubmer die Kollegen gut im Einklang und beklagt einzig, dass es keine rechtlich geregelten Zertifizierungen gibt. »Das öffnet trendbedingten Trittbrettfahrern Tür und Tor. Wer konventio­nell ein- und bio verkauft, schadet dem Image und dem sollte endlich vorgebeugt werden.« Über ernst gemeinte Konkurrenz freuen sich »Die BiowirtInnen« übrigens besonders und stehen jedem, der mit ihnen an einem Strang ziehen möchte, mit Rat und Tat sowie Wissen aus erster Hand zur Verfügung.
Und der Haken bei der Sache? »Der Konsument ist noch nicht bereit, bio tatsächlich zu bezahlen und im Einkauf muss man etwa doppelt so viel investieren wie herkömmlich. Dennoch kann ich jedem dazu raten. Biologisch zu arbeiten ist wie ein Neubeginn und bringt eine frische Kreativität in die Küche.«
Apropos frische Kreativität: Das vollzertifizierte »Deli Bluem« in Wien-Josefstadt setzt ausschließlich auf pflanzliche Kost und das seit vier Jahren. Als ehemalige Bankerin hat sich Inhaberin Andrea Vaz-König mit ­ihrer Gemüseküche einen Traum erfüllt,denn »etwas Eigenes wollte ich immer ­machen.« Den Quereinstieg hat sie gekonnt gemeistert, mit einem weiteren Standort im Volkskundemuseum wurde bald expandiert.

Gerold Hubmer kennt all seine Lieferanten persönlich.
© Karl Ludwig Haus
Gerold Hubmer kennt all seine Lieferanten persönlich.

»Selbstverständlich passieren anfangs Fehler, aus denen man nur lernen kann. Zum Glück gibt es in der Bio-Szene kein Konkurrenz­denken. Viel mehr handelt es sich um ein großes Miteinander und man hat massig Support«, so Vaz-König. Dank Biogast und Biomartin vom Yppenplatz fand sie bald ihr Lieferantenteam des Vertrauens. »Diese Leute wissen, was sie tun und alle stehen ­beruflich wie privat hinter ­einer guten ­Sache.« Mit Workshops, die sie an Schulen hält, setzt Andrea Vaz-König ebenso ein ­Zeichen: »Die Menschen haben ständig Stress und verlernt, zu kochen und ­Essen wertzuschätzen. Als Mutter ist es mir ein Anliegen, mein Wissen darüber weiter­zugeben – in einer Atmosphäre, die Spaß macht.« Umdenken lautet also die ­Devise und auch in diesem Kontext kommen wieder die »Schummler« ins Spiel. »Selbst für Profis ist es schwierig, ein nach­haltiges Produkt zu erkennen. Es ist wichtig, auf Vertrauen bauen zu können und Kundentäuschung ist kein Kavaliersdelikt. Ich sehe die Bio-­Kontrolle als Management-Tool, das als beratende Instanz weiter­hilft.«
Und in der Schweiz? Da regelt die Bio-Verordnung bzw. die Bio-Suisse, wie ein Produkt beschaffen sein muss, um als bio zu gelten. Schon seit rund 15 Jahren vertraut Claudio Valsangiacomo, Inhaber des »Tüfi« im Zürcher Seefeld, auf ­seine Lieferanten von Picobio und auch für ihn gilt das Motto »ganz oder gar nicht«. »Wer sich einmal auf Bio-Lebensmittel einlässt, kommt nur schwer wieder davon los. Mir selbst fällt es mit meinen Standards schwer, privat essen zu gehen. Man hebt sich mit einem Bio-Restaurant doch geschmacklich ab und die Zahl der Mitstreiter hält sich in Grenzen.« Im Bio-Business ist man sich länder­übergreifend einig, dass die Kollegschaft ­ausbaubar ist. Angebot und Nachfrage sind untrennbar miteinander verbunden; Potenzial ist vorhanden. Für all jene, die Nachhaltigkeit ernst nehmen und vielleicht schon länger mit bio liebäugeln, ist jetzt vielleicht der richtige Zeitpunkt gekommen, umzuschwenken. Bio ist erwachsen geworden, die Community wird jeden Neuen mit offenen Armen willkommen heißen.

Artikel aus falstaff KARRIERE 03/2018.

Birgit Krenn
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