© Annette Sander

Konditoren-Handwerk seit 1950 und ein neuer Wirt für die Zukunft des »Café Theres« auf der Wiesn

Eine Backstube mitten auf dem Oktoberfest, in der jede Torte mit Liebe gebacken wird. Das gibt es so nur im »Café Theres«. Ein Besuch.

Das Oktoberfest schläft nie. Ruhig wird es trotzdem, wenn nachts der letzte Tisch abgewischt und der Bierhahn zugedreht wird, das letzte Lied gespielt und die letzte gebrannte Mandel verkauft ist. Nachts ist die Zeit derjenigen, die für den nächsten Tag wieder alles auf Anfang drehen: Müll wegfahren, Lebensmittel liefern, die Straße kehren – und frische Torten backen. Das ab zwei Uhr morgens hell erleuchtete Fenster an der Backstube des »Café Theres« ist eine Besonderheit, denn die meisten Zelte lassen ihre Kuchen auf das Festgelände liefern.

Wo morgens als erstes das Licht angeht

In der Seitengasse hinter dem »Bräurosl-Festzelt«, wo man Konditorin Thea als einer der wenigen auf der Wiesn mitten in der Nacht beim Arbeiten zusehen kann, spürt man die Tradition des »Café Theres«. Seit 1950 ist die Familie von Wirtin Katharina Wiemes mit ihrem Café- und Weinzelt auf der Wiesn. Der Großvater machte sich damals schon einen Namen als einziger Festwirt mit eigener Konditorei im damals noch »Café Mohrenkopf« betitelten Zelt – nach einer Spezialität aus seinem im 2. Weltkrieg zerstörten Café in der Münchner Augustenstrasse: Brandteig, Creme und Schokolade. »Das Zelt und seine Historie bedeuten für mich sehr viel«, sagt Katharina. »Hier steckt meine Kindheit mit drinnen. Die ganze Historie, die viele Arbeit meiner Großeltern – das Weiterführen der Tradition.«

Heute steht Konditorin Thea schon die vierte Wiesn hier, um diese Tradition fortzuführen, teilweise mit den alten Rezepten nach Katharinas Großvater. Ein spezieller und anstrengender Job, für den sie sich sogar Urlaub nimmt. Viel Arbeit, aber es mache auch großen Spaß, Teil dieses verrückten Wiesn-Kosmos zu sein, sagt sie. Und das Anpassen an die Bedingungen: Wo es letztes Jahr ständig eiskalt war in der Backstube, ist es heuer schon am Vormittag zu warm, um die Mürbteigböden für die Torten noch auszurollen. Hergekommen sei sie durch ihren Lehrmeister, der auch schon in die Konditorei des Café-Zelts involviert war, und dem sie zunächst eigentlich nur ausgeholfen habe.

Tradition und Weiterentwicklung

Tradition weiterführen bedeutet auch Fortschritt schaffen. Schon 2008 entwickelt sich das etwa 400 Gäste fassende »kleine« Zelt immer mehr zum Party-Spot. Tagsüber Kaffeehaus, abends Live-Musik und Wein – in Zelten wie diesen vergibt die Stadt München keine Konzession zum Bierausschank. Im letzten Jahr kam die Namensänderung dazu.

In diesem Jahr ist endgültig alles neu, in dem petrolgrünen Zelt gegenüber des »Sky Fall«-Tower. Nicht nur wurde das Zelt innen und außen komplett umgestaltet, angestrichen, verziert, es gibt eine neue Band, eine neue Weinauswahl, eine neue Speisekarte – es kam auch ein neuer, zweiter Wirt dazu.

Schon während der Wiesn-Pause durch Corona war Katharina auf der Suche nach einem Nachfolger, erzählt sie, und habe sich etwas umgehört. »Ein lieber Kollege hat mir den Josef empfohlen. Ich kann mich noch genau erinnern: Er hat mich dann irgendwann mal angerufen, morgens um 10, ganz überraschend.«

Lebenstraum Oktoberfest-Wirt

»Es war schon immer ein Lebenstraum, auf der Wiesn was zu machen«, sagt Josef Sperl, der als Straubinger mit dem Gäubodenvolksfest aufgewachsen ist. Er hatte ohnehin überlegt, eine Bewerbung für einen Gastronomie-Hotspot auf der Wiesn abzugeben – und da kam der Zufall gerade recht, dass der gemeinsame Bekannte die beiden zusammenbrachte.

Die beiden Wirte reden heute über ihr erstes Treffen euphorisch wie über ein erstes Date. Das fand damals auf dem Viktualienmarkt statt, »da haben wir uns langsam herangetastet.«

Im ersten Wiesn-Jahr nach Corona wird Josef erstmal Betriebsleiter im »Café Theres«. Viel Vertrauen gehört dazu, die Familie von Katharina wird eingebunden, man überlegt, ob der gemeinsame Weg der richtige ist. Auf der Basis der ersten gemeinsamen Wiesn fiel dann die Entscheidung. »Wir waren uns auch in der Familie einig – das ist der richtige Weg für uns«, sagt Katharina. »Und es gefällt mir auch wahnsinnig gut, was wir hier jetzt alles verändert haben. Das war ein gemeinsames Projekt, das allen gefallen musste.«

Josef ist – abseits der Wiesn – Wirt im »Ayinger am Rotkreuzplatz« im Münchner Viertel Neuhausen. »Es ist einfach toll, auf der Wiesn mitwirken zu dürfen. Das sind wie gastronomische olympische Spiele.« Als Gastronom hier dabei sein zu dürfen, sei schon eine ganz große Sache. Aber die Realität hole einen natürlich schon ein, gibt er mit einem Zwinkern zu.

Es hängen viele Verpflichtungen an der »Wiesn-Wirt«-Rolle . Die Routine muss man sich erarbeiten, genauso wie diesen sehr anderen »Kosmos« Wiesn. Türen müssen geöffnet, Bande mit anderen Wirten geknüpft, Gespräche geführt werden. »Man macht das alles schon mit Demut«, sagt er. »Ich möchte, dass es sich langsam entwickelt.«

Das Oktoberfest als eigener Kosmos

Katharina freut sich, dass Josef bodenständig ist und sich nicht in den Vordergrund drängt. Eine nachhaltige Entwicklung sei wichtig – schließlich solle es am liebsten die nächsten 50 Jahre so weiter gehen. »Wir fühlen uns sehr wohl, wenn wir hier ins Zelt kommen«, sagt sie. »Das macht das »Café Theres« aus. Das ist das Alleinstellungsmerkmal unseres Zeltes: traditionell und doch modern und jung. Ganz individuell.« Identifikation spiele eine große Rolle in dieser so diversen Wiesn-Welt. »Jeder findet seine Nische und sein Zelt.«

Während wir hier sitzen, einen Kirschkuchen mit Nüssen von Thea und ihrem Kollegen Ernst essen, und einen Tee zur Pflege unserer Stimmen trinken, füllen sich die Tische – auch mit gemischten Gruppen. Auf Volksfesten wachsen die Leute zusammen, meint Josef. »Wogegen sich die Menschen im Alltag eher entfernen. Gemeinsam am Tisch sitzen, sich kennenlernen, nette Gespräche führen – und vielleicht auch wieder treffen. Das ist schön, dass wir das hier möglich machen können.« Die Alltagsprobleme vergessen und ungezwungen sein. Es entstehen Beziehungen, Freundschaften, es werde geliebt, gefeiert und gestritten – das Oktoberfest sei wie ein großes Ventil.

Aber nicht nur die Gäste – auch die Arbeit hinter den Kulissen mache ihm riesigen Spaß, in seinem ersten Jahr als Wiesn-Wirt. »Die ganzen Zusammenhänge zu verstehen, vom Aufbau über den Festbetrieb bis zum Abbau – das ist schon enorm faszinierend und es gibt so viel zu lernen!«

Tag und Nacht auf dem Oktoberfest

Es wird Nachmittag, Thea und Ernst haben längst Feierabend gemacht. Der Übergang vom Café-Betrieb zur Party ist fließend, vom Espresso zu Apero, zur Brotzeit, zur Magnumflasche Champagner oder der 6-Liter-Flasche Rosé-Wein – zum auf den Bänken tanzen und ausgelassen »Time of my life« mitgrölen. Die neue Band »Monaco Allstars« unter der Leitung von »LaBrassBanda«-Schlagzeuger Tobias Weber, beschallt das neue »Café Theres« jeden Tag ab 18 Uhr.

Es ist längst stockdunkel am Münchner Himmel, die Fahrgeschäfte stehen. Die letzten Biere sind vor 2,5 Stunden gezapft worden, der letzte Champagner vor 2 Stunden ausgetrunken. Nachts um ein Uhr ist es leer auf der Wiesn. Aber im Büro-Container des »Café Theres« macht Verena jetzt erst das Licht aus. Auch die tägliche Buchhaltung, Abrechnungen, die anfallenden E-Mails, Reservierungen und Personalfragen machen sich nicht von allein. Und kaum hat sich Verena einmal umgedreht, schließt Thea ihre Backstube schon wieder auf. 18 Tage lang.

Annette Sandner
Annette Sandner
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