Home Sweet Home: Die Wellen der Bretagne im Speiseraum des «Le Bernardin» zeigen, woher der Wind weht.

Home Sweet Home: Die Wellen der Bretagne im Speiseraum des «Le Bernardin» zeigen, woher der Wind weht.
© Le Bernadin / Daniel Krieger

Restaurant-Legenden: (See-)Sterne ohne Zahl im «Le Bernardin»

New York City ist seit jeher ein Mekka für Essen der Extraklasse. Doch unter den Tausenden Restaurants sticht der Seafood-Tempel «Le Bernardin» besonders hervor: Er hat mehr Auszeichnungen als jedes andere Lokal in der Stadt, definiert die Messlatte für beste Meeresfrüchte – und vertraut auf Weinwissen aus Österreich.

New York startet durch. Banker und Büroangestellte streben in ihrer Mittagspause wieder vermehrt durch Midtown Manhattan und bevölkern die umliegenden Lokale. Es sind zwar noch nicht so viele wie vor der Pandemie, aber langsam kommt die vibrierende, geschäftige Energie des Big Apple zurück – und damit auch der Power Lunch, bei dem nicht nur der Hunger gestillt, sondern auch Deals verhandelt werden. Und nirgendwo speisen die Schönen und (Erfolg-) Reichen der Millionenmetropole lieber als im luxuriösen Seafood-Tempel «Le Bernardin».

Nahezu jeder Tisch ist hier unter der Woche zur Mittagszeit besetzt. Die unzähligen Auszeichnungen des Lokals – etwa drei Michelin-Sterne und ein Stammplatz unter den «World’s 50 Best Restaurants», um nur die wichtigsten zu nennen – sowie die vergleichsweise moderaten Preise helfen dabei auf jeden Fall. Und natürlich der Name des Chefs. «Wenn ich Gerichte koche, dann kommt die Inspiration dafür sehr oft aus Erinnerungen an meine Kindheit, das Reisen, das Probieren und Entdecken verschiedener Kulturen», erzählt «Le Bernardin»-Miteigentümer und Küchenchef Eric Ripert. «Hierher kommt man nicht nur, um gut zu essen, sondern um Erinnerungen zu schaffen. Wir haben viele Menschen, die Jahr für Jahr zu uns kommen, um Meilensteine in ihrem Leben zu feiern.» Diese krönt Ripert dann mit Menüs, die voller persönlicher Erfahrungen sind: «Egal ob ich mit Landwirten oder Kulinarikexperten zu tun habe, neue Produkte aufspüre oder Techniken entdecke, das alles fliesst in meine Arbeit ein.» Riperts Gerichte verbinden zudem gerne Elemente der globalen Küche – insbesondere aus Asien – mit traditionellen französischen Kochtechniken.

Voller Fokus auf Zutaten

Bekannt ist Ripert vor allem für die Unterteilung seiner Menüs in Garstufen: «almost raw», «barely touched» und «lightly cooked» sind dabei die Benchmarks. «Almost raw» sind zum Beispiel Austern mit leicht geräuchertem Meeresforellentatar, Meyer Lemon Jelly und Black Pepper Crisp sowie Vodka-Crème-fraîche. «Barely touched» könnte ein pochierter Hummer mit einem Gemüse-Medley und Miso-Sake-Hummerbrühe sein und «lightly cooked» ein gegrillter Seehecht, Boquerones-Terrine mit warmen Kartoffeln, Anchovis und einer Brühe aus persischen Limetten und Jalapeño.

Das dreigängige Mittagsmenü gibt es im Dining Room des «Le Bernardin» für 120 Dollar – soll es zusätzlich feiner Osetra-Kaviar sein, kostet das bis zu 190 Dollar extra. In der Lounge können Gäste mittags à la carte essen oder das dreigängige «City Harvest Menu» für 90 Dollar bestellen – eine günstige Gelegenheit, eines der feinsten Restaurants der Welt auszuprobieren und dennoch nicht Hunderte Dollar auszugeben.

Und dabei spendet Ripert für jeden Gast noch fünf Dollar an City Harvest, eine Organisation, die Lebensmittel für Hungernde in New York City spendet und deren stellvertretender Vorsitzender er ist. Die «Tasting Menus» am Abend gibt es für 230 Dollar in der vegetarischen Variante und 295 Dollar für das «Chef’s Tasting Menu».

Gegründet haben das Lokal die Geschwister Maguy und Gilbert Le Coze 1972 in Paris unter dem Namen «Les Moines de St. Bernardin». Fisch, «frisch, simpel und mit Respekt zubereitet», lautete damals das Motto. Kurz nachdem sie den dritten Michelin-Stern bekamen, exportierten die Geschwister die Idee 1986 nach New York. Als Gilbert Le Coze 1994 unerwartet starb, begann seine Schwester Maguy, mit Eric Ripert zusammenzuarbeiten, einem Freund ihres Bruders. 1996 wurde er Mitbesitzer des Seafood-Tempels. Seit damals habe sich manches geändert, sinniert Ripert: «Wie in der Mode verändert sich auch der kulinarische Geschmack. Zwischen den Gerichten der Nouvelle-Cuisine-Ära und heute ist ein grosser Unterschied. Das Fine Dining hat sich weiterentwickelt, ist weniger formal als früher.»

Beinahe so berühmt wie für das Seafood ist das Restaurant auch für seinen Wein­service. Denn gutes Wine-Food-Pairing ist für Ripert unerlässlich für «ein ganzheitliches Ess-Erlebnis». Und für dieses Erlebnis sorgt im «Le Bernardin» dessen «Weindirektor» Aldo Sohm. Der Tiroler ist einer der renommiertesten Sommeliers der Welt und arbeitet hier noch immer mit der traditionellen Silberschale, die durch ihre Lichtreflexe die wahre Farbe und Klarheit des Weins offenbart. «Jedes Mal, wenn wir eine Flasche für einen Gast öffnen, testen wir den Wein damit vor dem Gast», erklärt Sohm. Und er schildert noch eine weitere Besonderheit: «In der Küche werden die Gerichte kreiert, dann komme ich und wähle den passenden Wein dazu. Und nach 14 Tagen justiere ich bei der Weinauswahl ebenso nochmals nach, wie es die Chefs bei den Speisen tun. Denn es verändern sich ja laufend die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit – ich bin da etwas freakig.» Sohm macht sogar die Inventur seines Weinkellers selbst. Der enthält rund 15'000 Flaschen, darunter manch kostbare Vintage-Perlen. 15 Prozent der Weine kommen aus Österreich – für ein französisches Spitzenrestaurant in New York eine beachtliche Menge. Sohm schmunzelnd: «Es hat einfach eine andere Wirkung, wenn Eric Ripert einen österreichischen Wein zum Essen empfiehlt, als wenn ich das tue.» Also sorgt «Weinbotschafter» Sohm für den Nachschub und lässt den Chef den Rest ­erledigen. Teamwork à la «Le Bernardin».


Zu Gast im «Le Bernardin»

Seit Jahrzehnten Legende

Le Bernardin
155 W 51ST Street, New York, NY 10019
T: +1 212 5541515, le-bernardin.com

In einem Gasthaus in der Bretagne aufgewachsen, beschlossen die Geschwister Maguy und Gilbert Le Coze in den 1970ern, in Paris ein Fischrestaurant zu eröffnen, benannt nach dem Chanson «Les Moines de St. Bernardin» («Die Mönche von St. Bernhard»). Nach dem dritten Michelin-Stern exportierten die Geschwister ihre Idee im Jahr 1986 nach New York. Dort konnte das Lokal das Niveau seither nicht nur halten, sondern unter der Führung von Eric Ripert ausbauen und immer neue Auszeichnungen einsammeln.


Erschienen in
Falstaff Nr. 07/2022

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Angelika Ahrens
Angelika Ahrens
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