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Berliner Sternekoch: Mehrwertsteuererhöhung ist für viele ein Todesurteil

Eberhard Lange ist Küchenchef von Berlins ältestem Sternerestaurant. Im Interview spricht er über das Gastro-Beben, das durch die Hauptstadt geht, warum nicht nur die Mehrwertsteuererhöhung daran schuld ist – und er verrät, welches Erfolgsgeheimnis hinter dem »Hugos« steckt.

Falstaff: Herr Lange, ab dem kommenden Jahr wird die Mehrwertsteuer auf Speisen in Restaurants und Cafés wieder auf 19 Prozent erhöht. Wie haben Sie auf die Entscheidung reagiert?

Eberhard Lange: Angesichts der politischen Lage und der finanziellen Situation Deutschlands habe ich mit dieser Entscheidung gerechnet und war wenig überrascht. Die Stimmung in der Branche ist aber geteilt. Je größer ein Lokal ist, desto besser kann man die Mehrwertsteuererhöhung abpuffern.

Das heißt, die Speisen im Hugos werden nicht teurer?

Wir machen weiter wie bisher. Normalerweise passen wir unsere Preise jährlich um ein bis zwei Prozent an – aber nicht mehr. Hinter dem Hugos steht mit dem InterContinental Berlin ein Hotel, das uns den Rücken stärkt. Kleine Läden müssen hingegen um jeden Gast kämpfen.

Sie nicht?

Für die meisten unserer Gäste ist eine Preiserhöhung eine logische Konsequenz, die sie bereit sind zu zahlen. Sie sehen nicht nur, dass die Mehrwertsteuer von 7 auf 19 Prozent steigt, sondern auch, dass Strom, Wasser, Gas und alle Produkte, mit denen sie auch zu Hause kochen und arbeiten, teurer werden.

Schon vor der finalen Entscheidung verkündeten das »Ernst«, das »Lode & Stijn«, und zuletzt das »Cordo« ihre Schließung. In Berlin spricht man inzwischen von einem Gastro-Beben.

Es ist ein Beben, aber der Grund dafür ist nicht allein die Mehrwertsteuererhöhung. Viele Restaurants haben noch immer mit den Folgen der Corona-Pandemie zu kämpfen, vor allem mit dem anhaltenden Personalmangel. Die Erhöhung ist für viele das Todesurteil. Gleichzeitig hat Berlin viele Sternerestaurants. Es gibt ständig Neuzugänge. Irgendwann ist der Markt gesättigt.

Kommt das Todesurteil auch durch eine Fehlkalkulation mancher Gastronomen zustande?

Die Fehlkalkulation entstand durch den Verlust von eigenem Personal während der Pandemie. Statt mit einem eigenen Team, arbeiten viele jetzt öfter mit externen Dienstleistern zusammen, die zum Teil horrende Stundenlöhne verlangen. Diese Entwicklung hat zu einer Veränderung unserer Arbeitskultur geführt, die ich kritisch sehe. Ich liebe es zu kochen, habe engagierte Kellner, und das Gastgewerbe ist mein Lebenselixier. Doch der Nachwuchsmangel ist ein gewaltiges Problem.

Haben Sie je zuvor in Ihrer Karriere eine ähnlich große Krise erlebt? 

Nein. Seit ich 1998 in der Sterneküche angefangen habe, ging es mit den Sternerestaurants in Berlin und Deutschland eigentlich stetig bergauf. Der Abwärtstrend begann mit der Corona-Pandemie. Viele Beschäftigte in der Gastronomie haben erkannt, dass man anderswo für weniger Arbeit mehr verdienen kann. Das war der erste große Wendepunkt für mich. Die Probleme häufen sich zusehends: mit den Kosten für Lebensmittel, Energie und auch den Lieferengpässen.

Das Hugos ist seit 24 Jahren mit einem Stern ausgezeichnet. Zunächst als Souschef unter Thomas Kammeier, verteidigen Sie seit 2015 als Küchenchef den Stern. Was ist das Geheimnis langanhaltenden Erfolgs?

Die Qualität ist seit Jahren konstant hoch, unsere Gäste schätzen diese Beständigkeit. Wir folgen nicht blind den neuesten Trends. Als die Molekularküche aufkam, haben wir nicht komplett umgeschwenkt. Jetzt, da vegetarisch-vegane Gerichte gefragter sind, haben wir nicht alles über den Haufen geworfen. Wir probieren gerne neue Sachen aus, aber am Ende zählt für uns allein der Geschmack.

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Anna Wender
Anna Wender
Redakteurin
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