In drei Stunden zur eigenen Wurst: «Luma» bietet eigene Workshops an (l.). «Das Pure» stellt kreative Wurstspezialitäten her und vertreibt sie über ein Abo (r.).

In drei Stunden zur eigenen Wurst: «Luma» bietet eigene Workshops an (l.). «Das Pure» stellt kreative Wurstspezialitäten her und vertreibt sie über ein Abo (r.).
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Bratwurst: Grilling me softly

Würste sind der Klassiker auf dem Grill. Falstaff stellt die besten Kreationen und Produzenten der Schweiz vor.

Die Wurst ist das eingelöste Heilsversprechen, dass am Ende wirklich alles gut wird und dass es kein unessbares Stück vom Tier gibt, bloss unpassende Zubereitung: Aus anders kaum verwertbaren Zutaten wie Blut und Darm entsteht eine Köstlichkeit. Zudem eröffnet sie ihrem Schöpfer beinahe unbegrenzte Möglichkeiten: Ein Steak und Kotelett stellt Metzger und Koch vor fast vollendete Tatsachen – eine Wurst aber kann in das perfekte Stück Fleisch verwandelt werden. Das eröffnet Grillern ungeahnte Möglichkeiten, von Thaiwürsten bis Blauschimmel-Krainer – theoretisch.
«In der deutschen Schweiz gibt es aber noch das Problem, dass fast alle Metzger die gleiche industrielle Gewürzmischung verwenden», sagt Patrick Marxer, Feinkosthändler und Wurstconnaisseur, der über seine Firma «Das Pure» ein Wurst-Abo mit Spezialitäten anbietet, die weit über die Grenzen des Landes hinaus berühmt sind. «Das ist meist eine wahnsinnig monotone Geschichte. Zum Glück gibt es aber ein paar kreative Geister.»
Marxer hat sehr klare Vorstellungen von der perfekten Bratwurst: «Die wahre Bratwurst ist eine Rohbratwurst», sagt er. Genau bei diesem Genre hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan. Noch ist die Szene überschaubar, aber sie wächst stetig, nicht nur in der Schweiz, sondern auch in den Nachbarländern Deutschland und Österreich. «Es gibt eine neue Klasse der Kreativmetzger, die eine unglaubliche Vielfalt in ihre Wurst packen. Gerade bei einer Bratwurst kann man zeigen, wer man ist und was man draufhat. Man kann eine Handschrift entwickeln», sagt etwa Hendrik Haase. Haase nennt sich selbst den «Wurstsack» und ist einer der Betreiber der Berliner Metzgerei «Kumpel & Keule». Übers Jahr verteilt hat das Geschäft über vierzig verschiedene, teils saisonale Würste im Programm.
Viele der neuen Wurstmacher fasziniert die Gestaltungsmöglichkeit: «Würste sind ein so vielfältiges Produkt, und die Möglichkeiten bei den Rezepten sind endlos», sagt Richard ­Holmes, gebürtiger Brite, der seit einigen Jahren in Österreich unter dem Namen «Britwurst» spezielle Würste kreiert und verkauft. «Ich beginne mit einer Basis von Fleisch und Salz, aber dann kann ich tun und lassen, was ich möchte.» Er bietet traditionelle britische Frühstückswürste an, aber auch Ausgefalleneres wie die Thai-Wurst.
In Deutschland etwa sticht Metzgermeister Peter Inhoven hervor, der unter anderem Würste wie «Politbüro» (nur aus regionalen Zutaten) oder «Transsylvanische» (mit Blut) im Angebot hat. Der Schweizer Wurst-Abo-Anbieter Marxer mischt etwa konfierte Zwiebel und Guernsey Blue, edlen Blauschimmelkäse, in sein Schweinsbrät. Dennoch warnt er vor zu viel Gewürzen: «Die feine Note macht die Wurst interessant, das ist die Kunst», sagt er. «Mit ganz wenig pointiert würzen, so zeigst du, was du kannst.»
Darüber, was eine richtig gute Wurst ausmacht, sind sich Wurst-Connaisseurs recht einig: frische, gute Zutaten. «Wenn du mit alten Schweinerassen arbeitest, merkst du zum Beispiel den Unterschied in der Fettqualität», sagt «Wurstsack» Haase, «das ist total wichtig bei einer Wurst.»
Die beste Bratwurst nutzt nichts, wenn sie lieblos grilliert wird – nur vorsichtige, zarte Hitze führt zum Erfolg. «Sie muss in der Mitte unbedingt rosa bleiben», sagt Patrick Marxer von «Das Pure», «nur wenn sie nicht übergart ist, merkst du, was der Komponist der Wurst eigentlich wollte.»

SALSICCIA

© Franco Baumgartner

Die Wurst zum Italien-Urlaub – in den USA ist sie bis heute als «Italian Sausage» bekannt. Salsicce sind kräftig gewürzte Rohwürste aus Schweinefleisch. Noch im 19. Jahrhundert durfte in Italien per Gesetz Wurst nur aus Schwein gefertigt werden. Eine Ausnahme war die «Salsiccia di Bra» in Norditalien, eine meist roh verspeiste, grobe Kalbswurst, für deren Fertigung die Metzger von Bra 1847 eine Ausnahmegenehmigung erhielten. Ihren mediterranen Geschmack verdankt die Salsiccia meist Fenchel, aber auch Anis, Koriander und Wein sind oft Bestandteil der Mischung. Die Würzung variiert je nach Region. Sal­sicce werden klassisch im Darm grilliert, oder die Füllung wird herausgepresst und dann gebraten. Auch zum Würzen wird sie in Speisen gemischt, von Pasta bis Risotto. In Bra wird sie roh zum Apéro gegessen. Gute heimische Salsicce fertigt «Der Wurstmacher».

MERGUEZ

© Shutterstock

Eine Wurst wie aus 1001 Nacht und der Beweis, dass nicht nur Schweine gute Würste abgeben. Für Wursthändler Marxer ist eine gute Merguez «absolute Spitzenklasse». Marokko-Urlauber kennen sie von den Strassengrills in Marrakesch, wo sie bis spät in die Nacht über Kohlen gebraten und dann mit Brot und Harissa serviert werden. Daheimgebliebene finden sie bei arabischen oder ambitionierten Fleischhauern. Ihren typischen Geschmack verdankt sie einerseits der Tatsache, dass sie aus Lammfleisch und -fett gefertigt wird (an sich schon sehr aromatisch), und andererseits dem halben Gewürzbazar, der hier in den Schafsdarm darf: Klassisch sind etwa Kreuzkümmel, Fenchel, Piment, Kümmel und Pfeffer. Wer einmal eine gute probiert hat, kauft nie wieder eine Lammkeule, ohne noch ein paar Merguez mitzunehmen. Gute gibt es von Patrick Marxer («Das Pure»).

CEVAPCICI

© Shutterstock

Die Grillwurst par excellence, weil sie traditionell ausschliesslich über Kohlen gegart wird – bereits das Braten in der Pfanne empfinden Puristen als Blasphemie. Ihre spezielle, wohlig weiche, aber doch bissfeste Konsistenz verdankt das Cevapi (gern als «Cevapcici» verniedlicht) einerseits dem Salz, das wie bei allen Würsten zur Fleischbindung führt, andererseits munkeln manche, Grossmütter auf dem Balkan würden gern mit ein wenig Natron nachhelfen. Die genaue Zusammensetzung variiert, es gibt mehr Cevapi-Rezepte als Metzger zwischen Zürich und Sarajevo. Meist enthält die Wurst Rind und/oder Lamm, nur bei serbischen Metzgern wird auch Schwein in die Masse gemischt. Gemeinsam ist allen, dass sie anschliessend nicht in Darm gepresst, sondern sozusagen nackt verzehrt werden. Das hat auch Vorteile: Auf der grossen, unregelmässigen Oberfläche haftet der Rauchgeschmack viel besser.

KALBSBRATWURST

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Wenn Schweizer oder auch Westösterreicher von einer Grillwurst schwärmen, dann ist es meist eine Kalbsbratwurst. Kalbsbratwürste werden aus mindestens fünfzig Prozent Kalbfleisch, etwas Schwein, mitunter Schweinefett und Milch gefertigt. Der Teig ist extrem fein und cremig, mit der bekannten nobel beigen Farbe. Vor dem Grillieren wird sie idealerweise «gekreuzelt», also mit einem Messer kreuzweise eingeschnitten. Connaisseurs grillen sie auf niedriger bis mittlerer Hitze zwanzig Minuten lang, bis sie so richtig braun und knusprig wird. Dazu gibt’s Zwiebel­sauce und Rösti. Hierzulande geniesst die St. Galler Kalbsbratwurst gar den Status einer geschützten Herkunftsbezeichnung. Nicht nur, aber auch am Schweizer Nationalfeiertag, dem 1. August, sind sie eines der beliebtesten Grillobjekte. Besonders gute Kalbsbratwürste produzieren unter anderem: «Das Pure», die Metzgerei Schmid und «Luma».

CERVELAT

© Shutterstock

Generationen von Kindern haben den Cervelat über offenem Feuer «gebrötlet». Der ungewöhnliche Name kommt vom lateinischen Wort für Hirn, weil im ursprünglichen Rezept Schweinehirn enthalten war. Heute stecken Rindfleisch, Schweinespeck und -fett im knackigen Darm. Moderne Cervelats sollen auf eine Kreation aus dem 19. Jahrhundert aus Basel zurückgehen – in der Stadt und ihrem Umland heissen sie denn auch «Klöpfer». Gute Cervelats ohne Nitrit-Pökelsalz bietet zum Beispiel «Regiofair».

LUMA THAI-WURST

Foto beigestellt

Die Wurst vom Schweizer Produzenten «Luma» ist ungewöhnlich grob gecuttert, was Saftigkeit und Biss zugutekommt. Gewürzt mit Koriander, Zitronengras und Galgant bietet sie das ungewöhnliche Vergnügen, in eine Schweinswurst zu beissen und Thai-Curry zu schmecken. Das lässt definitiv auf mehr hoffen – wie wär’s zum ­Beispiel mal mit einer Sichuan-Wurst? Die Thai-Wurst entsteht in ­Kooperation mit Markus Bühler aus Schaffhausen, einem ausgebildeten Physio­therapeuten und ­ehemaligen Lebensmitteltechnik-Studenten, der mittlerweile unter dem Namen «Der Wurstmacher» aussergewöhnliche Würste fertigt. Wem die Thai-Wurst dann doch zu exotisch ist: «Luma» hat auch herrliche klassische Kalbs­bratwürste im Angebot.

DIE PRODUZENTEN

Patrick Marxer (l.) und Markus Bühler («Der Wurstmacher», r.)
© Niklas Thiemann (l.) / Michael Jungblut (r.)
Patrick Marxer (l.) und Markus Bühler («Der Wurstmacher», r.)

Das Pure
Patrick Marxer ist weit über die Schweizer Grenzen als Wurst-Instanz bekannt. In seinem Shop «Das Pure» bietet er wechselnd saisonale Bratwürste, die auch in einem Wurst-Abo bezogen werden können. Legendär: Brat­wurst mit Blauschimmel und Zwiebelkonfit. 
Zürcherstrasse 47, 8620 Wetzikon, www.daspure.ch
Luma
Lucas Oechslin und Marco Tessaro haben die Schweizer Online-Metzgerei gegründet und sind heute vor allem für ihre Fleischreifung mit einem speziellen Edelschimmel berühmt. Seit einiger Zeit haben sie auch Würste im Angebot, etwa von Markus Bühler («Der Wurstmacher», im Bild oben).
Online-Metzgerei: luma-delikatessen.ch

Der Wurstmacher, u. a. erhältlich im «Luma»-Onlineshop, www.derwurstmacher.ch
Metzgerei Schmid, Standorte in St. Gallen und Wil, www.metzgereischmid.ch
Regiofair, erhältlich in Bioläden, www.regiofair.ch

Aus Falstaff Magazin 05/2017

Tobias Müller
Autor
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