Die Kellerei Tramin mit Blick auf den Kalterer See.

Die Kellerei Tramin mit Blick auf den Kalterer See.
© Rickard Kust

Epochaler Gewürztraminer aus dem Stollen

Die Kellerei Tramin, die Nummer eins für Südtiroler Gewürztraminer, lagert ihren schönsten Wein, den Epokale, sieben Jahre in einem ausgedienten Bergwerksstollen auf 2000 Meter Höhe.

3.5 Kilometer rattert das Züglein in das rabenschwarze Dunkel des Bergs. Es zieht und tropft; eng und frostig wird es einem ums Herz. Ausgerüstet mit Schutzkleidung, Helm, Stirnlampe und Gummistiefeln stapfen wir nach dem Ausstieg minutenlang durch knöcheltiefes Wasser, um in einem Seitenstollen die Flasche 2010er zu bergen, die uns später im Wirtshaus höchsten Genuss schenken wird.
Wir befinden uns im alten Bergwerk Poschhausstollen in Ridnaun am Schneeberg auf 2'000 Meter Höhe oben am Brenner. Die Temperatur beträgt konstante elf Grad, die Luftfeuchtigkeit neunzig Prozent. 800 Jahre wurden hier Silber, Blei und Zink abgebaut. 1985 war Schluss. Seither dient die Anlage als Touristenattraktion – und als verborgene Schatzkammer von mittlerweile acht Jahrgängen Epokale. Der unerhört komplexe Gewürztraminer setzt dem Schaffen seines charismatischen Kellermeisters Willi Stürz die Krone auf.

Willi Stürz und Wolfgang Klotz bei der Bergung des Epokale 2009 Cantina Tramin.
© Antie Braito
Willi Stürz und Wolfgang Klotz bei der Bergung des Epokale 2009 Cantina Tramin.

Die Trauben für die 1'200 bis 2'000 Flaschen Epokale wachsen in zwei alten Rebbergen in Söll in der Nähe des Nussbaumerhofs, der vielleicht besten Gewürztraminer-Lage Südtirols. Willi Stürz vergärt sie nach einer kurzen Maischestandzeit über vier Wochen bei kontrollierter Temperatur von 18 Grad Celsius bis er die Gärung mittels einer langsamen Abkühlung auf fünf Grad stoppt und je nach Jahrgang einen Restzuckergehalt zwischen 40 und 110 Gramm erzielt. Nach einer achtmonatigen Lagerung im kleinen Edelstahltank auf der Feinhefe wird der Wein gefüllt und zur Ausreifung in den Berg verfrachtet.
Warum dieser logistische Aufwand? Willi Stürz erklärt: «Ich wollte schon immer eine spezielle Partie unseres Gewürztraminers zur Seite legen und sie nach Erreichen der Trinkreife auf den Markt bringen. Nur fehlte uns ein passender Lagerort. Unser Keller eignete sich nicht dafür.» Und sein Vertriebschef Wolfgang Klotz ergänzt: «Als sich uns die Chance des Poschhausstollens bot, schlugen wir 2010 zu.»

Natürlich spricht hier auch der Marketingprofi. Nur macht die aufwendige Lagerung durchaus Sinn. Dies zeigte uns danach eine Blindprobe im Pretzhof, diesem gebenedeiten Gasthaus der Selbstversorgung im Pfitschertal: in eine Reihe von sechs Gewürztraminern (darunter auch Elsässer von Weinbach und Zind-Humbrecht) schmuggelte Willi Stürz gleich zwei Epokale 2009 – den Stollenwein und eine Flasche, die all die Jahre über im Weingut in Tramin lagerte. Der Unterschied war frappant: Der Wein aus dem Bergwerk wirkte frischer, jugendlicher und präziser.
Zwei Jahrgänge Epokale sind nun mittlerweile herausgeholt worden. Gross ist ihr Unterschied: der 2009er besitzt mit seinen 107 Gramm Restzucker und der hochfeinen, reifen Art eine geradezu barocke Mächtigkeit, während der kühlere, elegantere 2010er (45 Gramm Restzucker) auf der salzig-mineralischen Tastatur spielt. Pretzhof-Wirt Karl Mair bringt es auf den Punkt: «Den muss man zur Seite legen. Die Süsse wird grösstenteils verschwinden und der Wein zu einem Gamsrücken mit Preiselbeersauce grosse Freude bereiten.»
Eine Flasche Epokale kostet rund 80 Euro.

Martin Kilchmann
Martin Kilchmann
Wein-Chefredakteur Schweiz
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