«Baur au Lac»-Chefsommelier Marc Almert.

«Baur au Lac»-Chefsommelier Marc Almert.
@ David Biedert

Falstaff-Talk mit Marc Almert, «ASI Best Sommelier of the World» 2019

Marc Almert zählt zu den erfolgreichsten Sommeliers der Welt. Neben seiner Tätigkeit als Chef Sommelier im Zürcher «Baur au Lac» ist der «ASI Best Sommelier» of the World 2019 heute als Juror bei Sommelier-Wettbewerben aktiv und bildet den Sommelier-Nachwuchs aus. Falstaff hat mit ihm über seine Erfahrungen bei der diesjährigen Sommelier-Weltmeisterschaft in Paris, die neue Sommelier-Generation und aktuelle Wein-Trends gesprochen.

Falstaff: Herr Almert, vor einigen Monaten fand die «ASI» Sommelier-Weltmeisterschaft in Paris statt, bei der Sie nicht als Teilnehmer, sondern als Juror tätig waren. Wie war es für Sie, den Event von der anderen Seite aus mitzuerleben?

Marc Almert: Es war toll! Die Veranstaltung in Paris war die grösste, die es je gab. Beim Finale waren rund 4.000 Gäste vor Ort plus mehrere Tausend im Live-Stream dabei. Ich habe richtig mitgefiebert und wurde während des Finales dann noch auf die Bühne gebeten, um zu bewerten. Es war sehr spannend, das alles von der anderen Seite aus mitzuerleben. Das Finale war ja eigentlich dasselbe, das ich im Jahr 2019 hatte, als ich gegen Nina Jensen und Raimonds Tomsons angetreten bin. Dieses Mal standen die beiden gemeinsam mit dem chinesischen Kollegen Reeze Choi im Finale. Ich glaube, es gab sehr, sehr viele, die sich zum ersten Mal eine Sommelier-Weltmeisterin gewünscht haben, weil Nina bereits zum dritten Mal bei einem internationalen Wettbewerb den zweiten Platz gemacht hat, was natürlich ärgerlich ist. Raimonds hat aber einfach eine extrem starke Leistung abgeliefert und somit auch verdient gewonnen.

Sie selbst nehmen mittlerweile nicht mehr an Sommelier-Wettbewerben teil. Was ersetzt diesen sicherlich bedeutenden Aspekt in Ihrem Leben?

Ich bin immer noch viel bei Wettbewerben, wenn auch nicht mehr als Teilnehmer, sondern als Juror. Beispielsweise beim Besten Sommelier Deutschlands oder dem Besten Sommelier der Schweiz. Gleichzeitig leite ich Workshops, unter anderem für die «ASI», den Sommelier-Weltverband und versuche, Menschen dabei zu helfen, sich auf die Prüfungssituation vorzubereiten. Ein Projekt, das wir in diesem Bereich gestartet haben, heisst Bootcamp. Das ging damit los, dass der Sommelierverband in den letzten 50 Jahren eigentlich nie wirklich erklärt hat, wie man eine Flasche Wein öffnet oder serviert. Wenn du in Frankreich, der Schweiz oder Deutschland lebst, findest du genügend Leute, die dir das zeigen können, aber wenn du in einem Land arbeitest, in dem die Gastronomie noch in den Kinderschuhen steckt, wird es schwierig. Wir haben dann erstmal einen schriftlichen Standard als PDF entwickelt, diesen dann filmisch als Youtube-Tutorial umgesetzt und machen jetzt auch physische Bootcamps zu diversen Themen. Zu diesen werden immer bis zu 40 Sommelières und Sommeliers aus verschiedenen Ländern eingeladen.

Wo finden diese Bootcamps statt?

Das erste hat vor zwei Jahren in Warschau stattgefunden. Damals haben Sommelièren und Sommeliers aus Europa und Afrika teilgenommen. Letztes Jahr waren wir in Kuala Lumpur, wo dann eben Sommelièren und Sommeliers aus Asien und Ozeanien dabei waren und in diesem November fliegen wir nach Quito in Ecuador, wo Sommelièren und Sommeliers aus Nord- und Südamerika mit dabei sind.

Sie arbeiten aktuell also viel mit jungen Sommeliers. Stellen Sie fest, dass die neue Generation anders tickt?

Ich stelle schon eine Veränderung fest. Wein ist zwar nach wie vor das Kernthema, aber das ist ja nicht das einzige Thema, das wir als Sommelièren und Sommeliers bespielen. Wenn ich mit älteren Kollegen spreche, merke ich, dass bei diesen Themen wie Spirituosen und Zigarren noch deutlich präsenter sind, während bei jüngeren Kolleg:innen noch viel mehr Getränke – beispielsweise Bier – neben Wein hinzukommen. Besonders in den letzten Jahren treten auch die Alkoholalternativen und alkoholarmen Getränke immer mehr in den Fokus. Und dann natürlich auch das Thema Orange und Natural Wine. Letzteres ist vor allem bei den Kolleg:innen in London, Kopenhagen und Wien ein Thema – viel mehr als beispielsweise hier in Zürich.

Wie verändern sich die Weinkarten hierdurch?

Früher sind Sommeliers häufig sehr lange im selben Betrieb geblieben, weshalb die Weinkarten sehr stark durch deren Persönlichkeit geprägt waren. Das gibt es jetzt zunehmend seltener. Wenn alles gut geht, merkt der Gast kaum etwas, aber es gibt schon Weinkarten, denen man anmerkt, dass hier verschiedene Menschen unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt haben.

Welche Schwerpunkte setzen Sie aktuell beim Sortiment des «Baur au Lac»?

Bei uns im «Baur au Lac» ist Spanien sehr stark im Kommen. Vor allem Weine aus Regionen, die hierzulande eher unbekannt sind wie Bierzo, Galizien oder Zentralspanien. Dasselbe gilt auch für Portugal. Hier stelle ich fest, dass immer mehr Gäste sich für Regionen wie Tejo oder Ähnliches interessieren. Es sind also nicht mehr nur ein, zwei Appellationen pro Land, auf die sich alles konzentriert. Ausserdem glaube ich, dass autochthone Rebsorten immer mehr im Kommen sind. Sorten aus dem Süden Italiens beispielsweise, der ja lange Zeit ein Schattendasein führte, aber auch aus Griechenland oder eben Portugal.

Finden sich auch in der aktuellen Marc Almert Selection derartige Weine?

Die Marc Almert Selection ist eine Mischung aus Klassikern, die man manchmal gerne vergisst, und Neuentdeckungen. Bordeaux ist beispielsweise so ein Klassiker, der irgendwie langsam aus den Köpfen der Leute verschwindet. Deshalb findet man in meiner Selection zum Beispiel einen sehr bezahlbaren Bordeaux für den alltäglichen Genuss. Zugleich spielen – ich nenne sie mal – unkomplizierte Weine, eine bedeutende Rolle. Das ist für mich natürlich ein Riesling, aber eben auch ein Weissburgunder aus Südtirol. Und dann gibt es da noch so ein paar Weine in der Selection, die vielleicht noch nicht jeder kennt. Beispielsweise ein Shiraz aus Australien, der eben nicht aus Barossa, sondern aus Heathcote in Victoria kommt. Ausserdem gibt es in der Selection einen Mencia, eine Sorte aus der spanischen Region Bierzo, die ich im Moment total spannend finde. Die haben wir jetzt häufiger im Restaurant «Pavillon» eingesetzt und sie kommt wahnsinnig gut an.


Weitere Infos zur Marc Almert Selection

Dominik Vombach
Dominik Vombach
Chefredaktion Schweiz
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