Schon seit sehr langer Zeit sind Apfel und Birne Begleiter des Menschen.

Schon seit sehr langer Zeit sind Apfel und Birne Begleiter des Menschen.
© Lena Staal, Shutterstock

Lieblinge der Nation: Warum uns Äpfel und Birnen so faszinieren

Wenige Früchte sind so beliebt wie Kernobst. In Gestalt des Apfels und der Birne begleitet und fasziniert es uns schon seit Jahrtausenden. Wie kommt das?

Apfel und Menschheit verbindet seit jeher sehr viel: In der griechischen Mythologie überreichte Paris der Göttin Aphrodite einen goldenen Apfel, um im Gegenzug seine Angebetete Helena zu erobern; nichts ahnend, damit den Trojanischen Krieg auszulösen. Die alten Kelten hofften, nach ihrem Tod in Avalon zu erwachen, was übersetzt so viel wie »heiliges Apfelland« bedeutet. Und welch gravierende Folge der Biss in einen Apfel aus christlicher Sicht haben kann, ist hinlänglich bekannt. 

Friedrich Schiller war sogar nach faulen Äpfeln süchtig. Ohne an ihnen zu schnüffeln, konnte der Dichter nicht kreativ sein. Es war das von ihnen produzierte Reifegas Ethylen, das ihn stimulierte. Dem Physiker Isaac Newton hingegen diente der Apfel als Mittel der Erkenntnis. Angeblich hatte sich ihm das Prinzip der Schwerkraft erschlossen, nachdem er einen Apfel senkrecht vom Baum fallen sah.

Bis heute ist der Apfel bei uns die Obstart Nummer eins. Mit dem jährlichen Ernteertrag belegt er die Spitzenposition unter den Früchten. Mehr als 1,1 Millionen Tonnen Äpfel haben deutsche Obstbauern allein im vergangenen Jahr auf einer Fläche von 33.100 Hektar geerntet – das waren rund 90 Prozent der gesamten Obstanbaufläche im Land. In Österreich waren es mit 208.000 Tonnen auf 7.450 Hektar und in der Schweiz mit 114.500 Tonnen auf 3.806 Hektar Acker in Relation dazu nicht weniger.

Falstaff-Apfel


Auch eine Sorte namens »Falstaff« findet sich unter den vielen neugezüchteten Äpfeln. Sie wurde in den 1980ern in der englische Grafschaft Kent entwickelt und ist eine Kreuzung aus »James Grieve« und »Golden Delicious«. Der »Falstaff«-Apfel besticht durch ein ausgewogenes Zucker-Säure-Verhältnis, eine knackige Textur und eine attraktiv rot-gelb gefärbte Schale. Im Anbau ist er so pflegeleicht, dass selbst hoffnungsloseste Gärtner mit ihm Erfolge feiern.

Lagerung


Nicht jede Apfelsorte lässt sich gleich gut und lange lagern. Es gibt Sorten, die mit der Trennung vom Stamm weniger gut zurechtkommen als andere: Sie verlieren Wasser, schrumpeln, und ihre Nährstoffe werden abgebaut. Die korrekte Lagerung ist das A und O, wenn ein Apfel auch im Frühling noch frisch sein soll. Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Licht spielen dabei eine entscheidende Rolle.

kontrollierte Atmosphäre
In der Industrie werden Äpfel in großen Hallen mit entsprechenden Kühlräumen bei Temperaturen nur knapp über dem Gefrierpunkt, tiefem Sauerstoff- und erhöhtem CO₂-Gehalt »überwintert«. Das verlangsamt den Reifungsprozess der Äpfel, die so quasi auf dem Erntestand konserviert werden können.

Daheim im Keller
Auch zu Hause lagert man Äpfel am besten kühl und dunkel mit Folie abgedeckt bei hoher Luftfeuchtigkeit und gut durchlüftet. Entscheidend ist auch, dass die Äpfel nicht zu nahe bei anderem Obst oder Gemüse liegen. Denn diese sondern Ethylen ab, das den Reifungsprozess bei Früchten oder Gemüse beschleunigt. 

Anbau und Ernte

In der Schweiz ist der Thurgau die wichtigste Anbauregion für Äpfel. Nicht umsonst wird der Kanton im Nordosten des Landes, dessen Form mit dem südlichen Zipfel an Indien erinnert, auch »Mostindien« genannt. Auch das Wallis und das Genfersee-Gebiet sind für die Apfelernte bedeutend. Die Steiermark ist mit einem Apfelanbau auf knapp 6.000 Hektar nicht zuletzt auch wegen ihrer europaweiten Vorreiterstellung bei der biologischen Landwirtschaft von besonders hohem Rang. Bio-Anbau macht dort bereits 20 Prozent der gesamten Ackerfläche aus. Wichtige, aber im Vergleich zur Steiermark wesentlich geringere Erntemengen weisen Niederösterreich, Oberösterreich und das Burgenland auf. Den größten Anteil an der Apfelernte in Deutschland haben das Alte Land im Norden und der Bodensee im Süden.

Würde man allerdings alle Anbaugebiete um den Bodensee länderübergreifend zusammenfassen, dann läge die Bodenseeregion bei Ertrag und Fläche unanfechtbar ganz vorne. Das liegt vor allem an den idealen Bedingungen. Der Bodensee funktioniert wie ein Wärmespeicher, der sich im Sommer auflädt und seine Wärme während des Winters kontinuierlich abgibt. Dadurch werden extrem niedrige Temperaturen und Frost bis auf wenige Tage verhindert, erklärt Ulrich Mayr. Der promovierte Agraringenieur ist am Obstbaukompetenzzentrum Bodensee für die Prüfung neuer Apfel- und Birnensorten zuständig und leitet außerdem die angeschlossene Sortenerhaltungszentrale für Äpfel und Birnen. Demnach liegt die Vergangenheit und Zukunft ihrer Population in seiner Hand.

Der lange Weg zur neuen Apfelsorte

Aktuell warten rund 200 Apfelsorten auf Mayrs Urteil. Ein wenig ähnelt die Einführung einer neuer Apfelsorte der eines neuen Medikaments. Natürlich unter ganz anderen Voraussetzungen, aber es wird ähnlich penibel getestet und kontrolliert: Ein neuer Apfel muss robust sein gegenüber Pilzerkrankungen und Insektenbefall, eine verschwindend geringe Druckempfindlichkeit aufweisen, damit keine braunen Flecken an den Stellen entstehen, wo er im Supermarkt befingert wird, und er soll auch noch Wochen nach dem Einkauf saftig sein und beim Hineinbeißen krachen. Erst wenn eine Neuzüchtung diese Kriterien erfüllt, wird sie in der letzten Stufe Probanden zur Verkostung angeboten. Davor liegen viele Jahre Forschung, Kreuzung und Auslese – bis heute ohne Gentechnik. Im Durchschnitt braucht die Entwicklung einer neuen Sorte ganze 20 bis 25 Jahre. Trotz dieser langen Zeit, sagt Mayr, sei der Ausgang immer ungewiss. »Ich habe schon viele Sorten und Zuchtklone kommen und gehen sehen – nur ein Bruchteil dieser Prüflinge hat sich schließlich am Markt durchgesetzt«, so der Agraringeneur. 

Der erste Apfel

Umso erstaunlicher ist vor diesem Hintergrund der gewaltige Reichtum an Apfelsorten, die es heute gibt: Schätzungen schwanken zwischen 20.000 und 30.000. Diese biologische Vielfalt liefert eine Vorstellung davon, welche bedeutende Rolle der Apfel in der Zivilisationsgeschichte der Menschheit einnimmt. Überall, wo er entdeckt wurde, fand der Apfel Anklang, überall, wo es klimatisch möglich war, pflanzten Menschen Apfelbäume an und züchteten neue Sorten, angepasst an die jeweiligen lokalen Bedingungen. Wohl auch deshalb ranken sich um kaum eine andere Frucht mehr Mythen und Legenden. Begonnen, bewusst Äpfel zu züchten, hat man in Mesopotamien, von dort gelangte die Kunst des Pfropfens, wie es fachmännisch heißt, über die Perser zu den Griechen und Römern. Schon im sechsten Jahrhundert vor Christus kultivierten sie sechs verschiedene Apfelsorten, vermutet man heute.

Auch Kaiser Karl der Große (748–814) engagierte sich Überlieferungen zufolge eifrig für den Obstbau und erließ Gesetze zu Bewirtschaftungsmethoden auf seinen königlichen Hofgütern, darunter eine ausführliche Liste von Apfelsorten, die dort angebaut werden sollten, etwa »Geroldinger«, »Gosmaringer«, »Krevedellen« und »Spirauker«. Im 19. Jahrhundert erlebte die Obstsortenzüchtung in Europa enormen Aufschwung. Tausende Neuzüchtungen entstanden und wurden in ganz Europa verbreitet. 

Clubapfelsorten


Gemanagte Äpfel oder sogenannte »Clubsorten« erkennt man häufig am Aufkleber auf ihrer Schale. »Pink Lady« war die erste gemanagte Apfelsorte und ist bis heute wohl die populärste, zusammen mit »Kanzi« und »Jazz«. Namen, die auf den globalen Handel ausgerichtet sind. Hinter ihrer Einführung steckt ein cleveres Geschäftssystem: Eine Lizenz für den Anbau einer gemanagten Apfelsorte erhalten Erzeuger nur gegen eine entsprechende Gebühr, im Gegenzug profitieren sie von umfangreichem Marketing. Nicht selten machen Bauern sich mit dem Anbau von Clubsorten allerdings abhängig von der dahinterstehenden Organisation. Denn sie müssen die Apfelbäume teuer kaufen und verpflichten sich, die Äpfel nur an den Lizenzgeber zu vertreiben. Hof-Verkäufe oder Kooperationen mit Supermärkten sind den Bauern nicht erlaubt.

Schwindende Vielfalt

Im Handel beschränkt sich das Angebot heute zumeist auf vier, fünf »genormte« Sorten mit einheitlicher Größe, immer gleichem Geschmack und möglichst hohem Ernteertrag. Die aus vergangenen Jahrhunderten alten Sorten wurden mit Ausnahme des »Boskop« von »Gala« oder »Pink Lady« aus den allermeisten Obstregalen verdrängt. »Discounter werden auf Exklusivität setzen, sich auf eine oder zwei Marken beschränken, die sie dann exklusiv anbieten«, prognostiziert Mayr. Doch die Politik hat die Bedeutung alter Apfelsorten inzwischen erkannt und sogar Fördermaßnahmen für ihren Erhalt erlassen.

 Auf einem am Waldrand gelegenen Gelände bei Ravensburg, dem sogenannten Sortenerhaltungsgarten, haben Ulrich Mayr und sein Team bereits knapp 1.000 Bäume mit historischen Apfelsorten angepflanzt­. Sie beobachten den Wuchs des Baums, der Blätter und der Früchte. Sie achten auf Eigenheiten des Stamms, sehen sich auch das Fruchtinnere an, und letztlich testen sie den Geschmack. Anhand von historischen Aufzeichnungen und Beschreibungen ­können sie dann in den allermeisten Fällen die richtige Sorte zuordnen.

Die milde Schwester

Auch die Birne wird schon seit Tausenden Jahren durch den Menschen kultiviert. Ihren Ursprung hat sie in Persien und Armenien. Rasch verbreitete sich die Birne von dort aus in Mitteleuropa, und schon im 19. Jahrhundert existierten etwa 1.000 verschiedene Sorten. Heute sind es dreimal so viele.

Hierzulande lebt der Birnenmarkt aber im Wesentlichen von Importen aus den Beneluxstaaten und aus Italien. Allerdings ist ein Trend zu heimischen Birnen zu erkennen. Noch eine Nische, aber ­wachsend, sind Birnen-Clubsorten.

In Deutschland sind »Conference«, »Alexander Lucas« »Williams« und die »Köstliche von Charneux« die beliebtesten Birnensorten. Die »Gute Luise« und »Kaiser Alexander« sind die mit Abstand beliebsten Birnensorten der Österreicher. In der Schweiz zählt auch die »Schweizerhose« dazu, ihre Schale weist gelbe, grüne und rote Längsstreifen auf, was an die gestreiften Hosen der Schweizergarde im Vatikan erinnert. Die selten gewordene Sorte wurde im letzten Jahrzehnt dank staatlicher Mittel wieder auf Bäumen vermehrt.


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Erschienen in
Falstaff Nr. 06/2023

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Sebastian Späth
Sebastian Späth
Chefredakteur Deutschland
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