Die Rebberge des Weinguts Bad Osterfingen. Im Keller setzt man hier immer mehr auf Eleganz.

Die Rebberge des Weinguts Bad Osterfingen. Im Keller setzt man hier immer mehr auf Eleganz.
Foto beigestellt

Schaffhauser Blauburgunderland: Massenhaft Potenzial

Das Terroir von Schaffhausen ist eines der reizvollsten der Schweiz. Jurakalk und trockenes Klima sorgen für beste Bedingungen, um grossartige Blauburgunder zu keltern. Ein Renommée wie etwa die Bündner Herrschaft konnte sich die Region bis heute jedoch nicht erarbeiten. Wo schlummert das Potenzial des Blauburgunderlandes?

Potenzial für Spitzenweine – das ist es, was den Kanton Schaffhausen für Weinexperten wie Weinmacher so anziehend macht. Auf kleinstem Raum finden sich hier unzählige Bodenarten. Darunter die besonders begehrten tonhaltigen Kalkböden im Klettgau, der Hauptanbauzone Schaffhausens. Jurakalk ist hier das Stichwort, und der stammt vom Schaff­hauser Hausberg Randen, einem Teil der Tafeljura-Landschaft, die sich zwischen Coburg und Basel erstreckt. Weinmacher auf der ganzen Welt werden hellhörig, wenn man ihnen von den Bedingungen berichtet, die hier herrschen. Ausgeschöpft wird das Potenzial bisher aber nur von einigen wenigen, denn grosse Weine, wie man sie aus dem Burgund, der Heimat des Blauburgunders kennt, sucht man im Blauburgunderland meist vergebens.

Einzigartiges Terroir

Nadja Bleuler wurde von den einzigartigen Anbaubedingungen in den Klettgau gezogen. Für sie war von Anfang an klar, dass sie entweder hier oder im Aargauer Jura Wein machen möchte. Bleuler ist Quereinsteigerin, hat seit 2013 jährlich Ernten auf Weingütern mitgemacht, ein Jahr bei Mas Martinet im Priorat verbracht und sich 2019 entschieden, ein eigenes Projekt zu gründen. Für Bleuler war von Anfang an klar, dass sie entweder im Klettgau oder im Aargauer Jura oder an der Lägern Wein machen möchte. Vor allem deshalb, weil sie grosser Fan der Weine aus dem französischen Jura ist, einer Region, die im Fine-Wine-Bereich seit Jahren durch die Decke geht.

«Ich finde, das Terroir hier ist eines der spannendsten überhaupt in der Schweiz», berichtet Bleuler. Die Entscheidung für den Klettgau fiel, als ihre Eltern vom Zürcher Unterland nach Hallau umzogen. Bleuler inserierte mit den Worten «Jungwinzerin sucht alte Reben» im Lokalblatt, woraufhin sie drei Anrufe erhielt. Einer davon brachte sie auf eine kleine, ein Fünftel Hektar grosse Parzelle namens Rutscher. Oben am Osterfinger Hang gelegen, mit 1984 gepflanzten Pinot-Reben. Genau das, was sie für die Cool-Climate-Pinots, die sie machen will, braucht.

Seit der Übernahme der Parzelle im Jahr 2019 arbeitet sie nach biodynamischen Prinzipien, denn für den biologischen Anbau ist die Region Schaffhausen gut geeignet. Eine wichtige Stellschraube auf dem Weg zu bester Traubenqualität, wie Top-Winzer auf der ganzen Welt immer wieder bestätigen. Die Niederschlagsmenge beläuft sich hier auf rund 800 bis 900 Millimeter pro Jahr, vor allem im Sommer aber regnet es meist kaum, was es Biowinzern leichter macht, Pflanzenschutz zu betreiben. Die Kontaktmittel, die beim Bio-Anbau eingesetzt werden, um die Laubwand vor Pilzkrankheiten zu schützen, werden durch Regen abgewaschen und müssen anschliessend wieder neu appliziert werden, um Schutz zu gewähren.

In Schaffhausen entstehen durch die Trockenheit im Sommer diesbezüglich weniger Probleme als in anderen Anbaugebieten der Schweiz. Bleuler, die hauptberuflich noch in der Finanzbranche tätig ist, ist eine der wenigen Quereinsteigerinnen in der ansonsten stark von kleinen Traubenproduzenten geprägten Weinregion, die ihre Ernte an Grosskellereien verkaufen. Rund 70 bis 80 Prozent der gesamten Erntemenge des Kantons laufen über diese Sparte, zu der auch Branchen­primus Rimuss & Strada gehört. Rimuss & Strada ist seit 2017 im Besitz der Bündner Winzerfamilie Davaz und für solide Weine bekannt, die häufig im Detailhandel zu finden sind.

Auch hier spielt das günstige Klima der Region eine entscheidende Rolle, denn in Schaffhausen werden die Weine auch bei höherem Behang am Stock füllig und fruchtig. Und das verkauft sich gut. Mit hochwertigen Weinen im internationalen Kontext gesehen, haben Weine wie diese jedoch wenig gemein. Dies zeigt sich jährlich auch bei der grossen Falstaff-Pinot-Noir-Degustation, bei der unter den top fünf in den letzten Jahren niemals ein Wein aus Schaffhausen zu finden war. Ganz im Gegensatz zu Weinen aus Graubünden, Zürich oder dem Aargau. Bleulers Tropfen sind filigran und leicht, denn stilistisch orientiert sie sich am erwähnten französischen Jura und am Beaujolais.

Da sie keinen eigenen Weinkeller besitzt, vinifiziert sie ihre Tropfen heute beim Weingut Besson-Strasser in Uhwiesen. Zuvor reiften die Weine ihres Mini-Weinguts aber beim Lindenhof, einem weiteren Betrieb, der sich auf die Fahnen geschrieben hat, das Potenzial der Region auszuschöpfen. Geführt wird das Weingut von Matthias und Nuria Nigg, einem jungen Ehepaar, das sich während des Weinbaustudiums in Montpellier kennenlernte. Anschliessend verschlug es die beiden nach Spanien, Nurias Heimat, wo sie unter anderem beim legendären Weingut Terroir al Limit im Priorat arbeiteten.

Damals kam Andrea Davaz auf Markus Nigg zu und machte ihn auf den Lindenhof aufmerksam, der zum Verkauf stand. Weil das Weingut zu gross war, um es alleine zu übernehmen, gründeten die Niggs gemeinsam mit Andrea Davaz und der Besitzerfamilie Richli eine Aktiengesellschaft, von der sie heute ein Drittel besitzen. «Die Entscheidung für Schaffhausen fiel im Grunde recht leicht. Ich kannte die Region zuvor schon, weil ich hier auch schon während meiner Wanderjahre gearbeitet hatte. Die Böden und das Klima hier sind toll, das Potenzial gross und noch nicht ganz ausgeschöpft», berichtet Nigg. Damit spielt er darauf an, dass es in der Region im Gegensatz zu Graubünden oder anderen Schweizer Weinregionen etwa nur wenige Selbstkelterer gibt, die weit über die Grenzen der Region hinaus bekannt sind.

Offener Geist

Zu Letzteren gehört zweifellos Markus Ruch, der mit seinen Low-Intervention-Weinen nicht nur hierzulande, sondern auch im Ausland zahlreiche Fans gefunden hat. Was Ruch mit Bleuler und den Niggs gemeinsam hat, ist nicht nur der biologische Anbau – auch auf dem Lindenhof wird mittlerweile biologisch gearbeitet –, sondern vor allem der Blick über den Tellerrand. Allesamt verbrachten sie eine Zeit ihres Lebens auf Weingütern im Ausland, wo sie andere Weinkulturen und Philosophien kennenlernten, um ihre eigene daraus zu formen. Zudem liess auch er sich einstmals im Klettgau nieder, weil er von den Bedingungen hier überzeugt war und grosses Potenzial erkannte. Das war im Jahr 2007. Nach eigenen Aussagen erhoffte sich Ruch damals, dass noch weitere junge Produzenten in die Region kommen, die in dieselbe Richtung streben: vergebens.

Aktuell beschäftigen ihn vor allem die steigenden Temperaturen in der Region, die ihn um die Filigranität seiner Weine bangen lassen. «Wir haben unter anderem versucht, mit höheren Erträgen zu arbeiten, um die Reife hinauszuzögern», erzählt Ruch. Eine Taktik, die noch nicht so vielversprechend ist, wie er es sich vorstellt. Schaffhausen feiert seine lokalen Restaurants, genauso wie die Weine, die hier entstehen, wie kaum eine andere in der Deutschschweiz. Besonders augenscheinlich wird das nicht nur beim jährlichen Gourmet-Festival in Schaffhausen, sondern vor allem auch im Betrieb von Michael Meyer.

Sein «Bad Osterfingen» ist Weingut und Restaurant zugleich. In das «Bad Osterfingen» kommt man nicht nur wegen den legendären Spätzli, die es hier gibt, sondern auch wegen der regionaltypischen Weine, die Meyer hier seit langer Zeit auf die Flasche bringt. Mit seinem Pinot Blanc ist er nicht ohne Grund seit vielen Jahren Mitglied der renommierten Vereinigung Mémoire des Vins Suisses. Seit 2022 unterstützt ihn der junge Kellermeister Julian Hauser, mit dem er über drei Ecken verwandt ist. Hauser stammt aus Süddeutschland und wuchs direkt hinter der Schweizer Grenze auf. Nach Schaffhausen zog es ihn nach dem Weinbaustudium in Neustadt an der Weinstrasse. Nicht der Verwandtschaft wegen, sondern wegen des Blauburgunders, der hier angebaut wird und der ihn schon immer reizt.

Hausers Einfluss macht sich bereits bemerkbar, denn einige der Weine, die wir aus dem Fass kosteten, haben sich unter seiner Handschrift deutlich verändert – alle Zeichen stehen in Richtung Eleganz und Finesse. Ganz so, wie man es auf der ganzen Welt im Fine-Wine-Bereich erlebt, und ganz zur Freude von Michael Meyer, der zugibt, beim Weinmachen schon immer offener gewesen zu sein als beim Kochen. «In der Küche mache ich keine Experimente, da braucht man mir mit Kreativität gar nicht zu kommen», sagt er und lacht. Vom Potenzial der Region sind Hauser und Meyer genauso wie Ruch, Nigg und Bleuler überzeugt. «Vor allem, was Burgundersorten angeht», sagt Hauser. Potenzial, das es auszuschöpfen gilt.

Schaffhauser Gourmet-Festival


Von 27. April bis 1. Juni 2024 findet das alljährliche Gourmetfestival im Schaffhauser Blauburgunderland statt. Top-Restaurants und Betriebe mit gutbürgerlicher Küche kochen dann ein eigenes, mehrgängiges Gourmet-Menu, zu dem passende Schaffhauser Weine kredenzt werden.

blauburgunderland.ch


Nichts mehr verpassen!

Melden Sie sich jetzt für unseren Newsletter an.

Erschienen in
Falstaff Nr. 03/2024

Zum Magazin

Dominik Vombach
Dominik Vombach
Chefredaktion Schweiz
Mehr zum Thema