Der Weinbau entlang des Zürichsees hat eine lange Geschichte. Die Römer brachten ihn wie vielerorts in die Region, und vor 150 Jahren gab es sage und schreibe 2000 Hektar Reben rund um den See.

Der Weinbau entlang des Zürichsees hat eine lange Geschichte. Die Römer brachten ihn wie vielerorts in die Region, und vor 150 Jahren gab es sage und schreibe 2000 Hektar Reben rund um den See.
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Stadt, Land, Wein: Wieso Flaschen vom Zürichsee so en vogue sind

Obwohl der Zürichsee eine lange Weinbautradition besitzt, führten die Weine von dort in der Stadt Zürich lange ein Schattendasein. Heute kaum vorstellbar, denn Räuschling und Co. sind in der Zürcher Gastronomie gefragt wie nie.

Wer ans rechte Zürichseeufer denkt, hat häufig eine klare Vorstellung: prächtige Villen, Reichtum und Wohlstand. Goldküste eben, wie die Sonnenseite des Zürichsees umgangssprachlich genannt wird. An die goldfarbenen Räuschlingtrauben, die an den Hängen hier gedeihen, dachte besonders im nahe gelegenen Zürich lange Zeit jedoch kaum jemand. Geschweige denn, waren die Weine von den Rebbergen vor der Stadt auf den Weinkarten der Metropole zu finden. Zeiten, die längst vorüber sind, denn Zürichsee-Weine sind heute so gefragt wie nie zuvor.

«Die Weine vom Zürichsee liegen im Trend», ist sich auch Alain Schwarzenbach vom Weingut Schwarzenbach in Meilen sicher. Besonders gefragt sind bei den Schwarzenbachs die Weine aus der alten Rebsorte Räuschling, einer Sorte, die lange als saurer «Suurgörpsler» verschrien war und einstmals fast zu verschwinden drohte. Noch vor rund 150 Jahren dominierte der Räuschling gemeinsam mit dem Elbling die hiesigen Rebflächen. Heute sind rund zwölf Hektar rund um den Zürichsee mit der alten Sorte bestockt, rund drei davon bewirtschaften die Schwarzenbachs.

Bei der Wiederbelebung der Sorte, die laut letzten Untersuchungen ein Traminer-Klon ist und eine Nähe zum Walliser Heida besitzt, spielten die Schwarzenbachs eine entscheidende Rolle, denn sie hielten über Generationen hinweg an ihr fest. «In Meilen war der Räuschling schon immer bekannt. In Zürich hat man lange aber lieber internationale Rebsorten wie Chardonnay oder Sauvignon Blanc getrunken. Mittlerweile hat aber auch Zürich entdeckt, dass wir eine spannende lokale Sorte haben», berichtet Alain Schwarzenbach. Die Sorte ist so gefragt, dass die Schwarzenbachs gut und gerne das Dreifache von ihr absetzen könnten. Dafür müsste er jedoch erst einmal Rebflächen finden, denn die sind an der als Wohngegend beliebten Goldküste besonders rar. Schwarzenbach wurde erst vor ein paar Tagen ein Pachtvertrag gekündigt.

Der Räuschling erobert Paris

Auch bei Jonas Ettlin vom Weingut Wine by JET ist die Sorte Räuschling gefragt. Ettlin war erst kürzlich auf der internationalen Weinausstellung Vinexpo in Paris, wo er mit seinem Räuschling Vivace für Aufsehen sorgte. «Eine Journalistin aus Paris war so begeistert, dass sie bald über ­unseren Räuschling in der französischen Tageszeitung ‹Le Figaro› berichten wird», erzählt Ettlin. Die Strahlkraft des Zürichsees ist also keineswegs nur auf die Schweiz begrenzt. Letztlich ist Zürich weltbekannt, und kaum jemand ausserhalb des Landes weiss, dass hier auch Weinbau betrieben wird.

Zürichsee-Weine sind eine echte Entdeckung für Presse, Händler und Restaurants im Ausland, findet Ettlin, der heute schon eine beachtliche Menge exportiert. Und das obwohl er einer der Neuzugänge am Zürichsee ist. 2020 startete er das Projekt Wine by JET und übernahm im letzten Jahr gemeinsam mit dem Önologen Brian Serr das Weingut Schnorf in Uetikon. Ettlin ist das neueste Mitglied in der Keller-WG im Weingut Schwarzenbach. Gemeinsam mit den Scharzenbachs und den Goldküstenwinzern Rico Lüthi und Diederik Michel teilt er sich dort die Infrastruktur.

Bei seinen Weinen geht Ettlin durchaus neue Wege, die Rebberge sind seit letztem Jahr Bio-zertifiziert, im Keller übt er sich in Zurückhaltung, was bedeutet, dass er auf den Einsatz von Behandlungsmitteln verzichtet und nur minimal schwefelt. Dies äussert sich auch in gewagteren Tropfen wie einem Orange Wine aus der Rebsorte Müller-Thurgau. Einem Weisswein also, der wie ein Rotwein auf der Maische vergoren wurde, was der Sorte, die am Zürichsee etwas stagniert, eine neue geschmackliche Dimension verleiht.

Pinot-Paradies Zürichsee

«Die Diversität am Zürichsee ist deutlich gestiegen, was ihn für Weingeniesser noch attraktiver macht», stellt Winzer Rico Lüthi fest und meint damit auch Weine wie den Orange Wine von Ettlin. Er selbst glänzt seit vielen Jahren mit komplexen, überaus filigranen Pinot-Noir-Gewächsen, die nicht nur bei den Falstaff-Trophys immer wieder Höchstnoten ergattern. Erst letzten Sommer wurde sein Pinot Noir Barrique vom renommierten Weinwettbewerb Mondial du Pinot Noir mit dem Titel «Gran Maestro» gekürt. Diesen Titel erhalten Weine, die drei Jahre in Folge als Gesamtsieger gekürt wurden. «Fast so was wie ein Doktortitel», scherzt Lüthi.

Geschuldet ist all das der Akribie, mit der Lüthi an sein Handwerk geht. «Beim Pinot müssen wir zu 100 Prozent reifes Lesegut haben. Das hat sich bei uns über die Jahre hinweg herauskristallisiert», stellt er fest. Da ist es von Vorteil, wenn das Weingut klein ist wie seines, denn man kann auch drei- oder viermal durch die Reben gehen und ernten, bis alle Trauben wirklich reif sind. Qualität steht bei Lüthi an erster Stelle, der seit gut 25 Jahren am Zürichsee aktiv ist und rund zwei Hektar Rebland, verteilt auf die Stäfner Toplagen Ueriker Gisi, Lattenberg, Püntnacher und Sternenhalde, bewirtschaftet.

Gemeinsam mit Alain Schwarzenbach und Monika Hasler vom Weingut Rütihof keltert er seit 2008 auch einen ganz besonderen Räuschling: den R3. Die Trauben für den Gemeinschaftswein gedeihen in drei unterschiedlichen Reblagen auf typischen Zürichsee-Bodenarten: in der Lage Aebleten in Meilen auf Sandstein-Verwitterungsboden mit sandigem Lehm, im Risi-Rain oberhalb von Stäfa auf kieseligem Kalk-Mischboden auf Nagelfluh und im Stäfner Lattenberg auf tonigem Lehm.

Während beim R3 Räuschlingtrauben aus unterschiedlichen Reblagen zu einem Wein werden, stehen bei Erich Meier aktuell Einzellagen hoch im Kurs. Den Räuschling von 58-jährigen Reben aus der Kleinstlage Schönfels, die sich in einem der ältesten Ortsteile von Uetikon befindet, füllt er in diesem Jahr erstmals als Einzel­lagenwein ab. Der Wein wurde in der 250-Liter-Tonkugel ausgebaut und präsentiert sich komplex, saftig und salzig-mineralisch, als wir ihn aus dem Tank probieren. Ein toller, ausbalancierter, tiefgründiger Wein, genauso wie all die anderen Fassproben, die der Winzer uns an diesem Tag präsentiert.

Meier, der vor 27 Jahren die Reben seines Vaters übernahm und daraus sein eigenes erfolgreiches Weingut formte, hat seine Sturm-und-Drang-Phase hinter sich. Das spiegelt sich auch in seinen Weinen wider, die in den letzten Jahren immer filigraner und zurückhaltender werden. Meier vergärt mittlerweile nur noch spontan mit wilden Hefen und arbeitet aktuell gemeinsam mit den deutschen Biowinzer-­Legenden Friedrich Becker und Clemens Busch an der Umstellung seiner Reblagen auf biologischen Anbau. Stellschrauben, die weltweit auf der Suche nach dem letzten Quäntchen Qualität gestellt werden.

Meier ist ein Paradebeispiel dafür, wie erfolgreich die Weine von der Goldküste aktuell sind. Rund acht Monate nach der Ernte ist er jeweils ausverkauft. «Covid hat diesbezüglich nochmal wie eine Rakete gewirkt», erzählt Meier. Seitdem sind lokale Produkte gefragter als jemals zuvor – auch die Weine vom hübschen Zürichsee.

Zürichsee-Weine in der Stadt


In diesen Zürcher Restaurants finden Sie eine gute Auswahl an Weinen vom Zürichsee.

Blaue Ente

In der «Blauen Ente» kommen die Weine vornehmlich aus der Schweiz. Auf der Weinkarte finden sich auch zahlreiche Entdeckungen vom nahe gelegenen See.

Seefeldstrasse 223, 8008 Zürich
muehle-tiefenbrunnen.ch/blaue-ente

Lotti
Lokale Produkte stehen beim Zürcher «Lotti» hoch im Kurs. Die Weinkarte zelebriert Schweizer Wein und umfasst diverse Trouvaillen von Zürichseewinzern.

Werdmühlepl. 3, 8001 Zürich
lotti-lokal.ch

Restaurant LaSalle
Stefan Iseli, Gastgeber und Sommelier des «LaSalle», ist bekannt für seine unverwechselbare Weinauswahl. Hier findet man zahlreiche Schätze vom Zürichsee, teils in Kleinstmengen produziert.

Schiffbaustrasse 4, 8005 Zürich
lasalle-restaurant.ch

 


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Erschienen in
Falstaff Nr. 02/2024

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