Falstaff Talk mit Heiko Nieder und Norbert Niederkofler: «Man muss heute anders denken»
Falstaff hatte die Möglichkeit zum Startschuss des des Gourmetfestivals «The Epicure» mit Heiko Nieder und Norbert Niederkofler zu reden. Ein Gespräch über Genuss, Nachhaltigkeit und die Zukunft des Fine Dining.
Zum neuen Mal versammelt sich die internationale Kochelite im Zürcher «Dolder Grand», um im Rahmen des Gourmetfestivals «The Epicure» neue Massstäbe zu setzen. Bis zum 7. Juli 2024 sorgen neben «The Restaurant»-Chef Heiko Nieder Spitzenköche aus der ganzen Welt für aussergewöhnliche Geschmackskreationen und kulinarische Erlebnisse der Extraklasse.
Falstaff: Herr Nieder, «The Epicure» findet in diesem Jahr zum neunten Mal statt. Wie hat sich die Fine-Dining-Welt und wie haben Sie sich in dieser Zeit verändert?
Heiko Nieder: Ich denke, dass wir alle, besonders hier im «Dolder», noch ein bisschen feiner geworden sind, dass wir noch ein bisschen mehr auf die Natur achten, noch ein bisschen mehr ins Detail arbeiten, aber auch ein bisschen ungezwungener geworden sind. Im Allgemeinen hat das Thema Nachhaltigkeit, das heute omnipräsent ist, bei uns Einzug gehalten. Ganz ehrlich gab es das ja eigentlich schon immer. Die Grossmutter hat auch nur mit einheimischen Zutaten gekocht. Wenn man etwas gereist ist, konnte man mehr kennenlernen. Dieses Spektrum ist erhalten geblieben. Wann immer wir die guten Produkte um die Ecke haben, werden wir sie auch nutzen.
Herr Niederkofler, eines Ihrer erklärten Ziele in Ihrem Restaurant «Atelier Moessmer» ist, die Zukunft der Bergküche auszuloten. Wie kann diese Ihrer Ansicht nach aussehen?
Norbert Niederkofler: Mit dem Konzept «Cook the Mountain» haben wir im Jahr 2008 angefangen und versucht uns auf das zu beschränken, was die Natur um uns herum hergibt. Wir haben dann relativ schnell festgestellt, dass wir gar nichts Neues machen, denn das haben auch schon unsere Grosseltern gemacht. Ihnen ging es dabei aber rein ums Überleben. Das Grösste, das wir damit erreicht haben, ist, dass wir es 2017 geschafft haben, mit diesem extrem eng gestrickten Konzept drei Sterne zu bekommen. Wir haben keine Gewächshäuser, verwenden kein Olivenöl, keine Zitrusfrüchte und haben ein absolutes No-Waste-Programm. Uns mit drei Sternen auszuzeichnen war ein sehr, sehr grosser Schritt für Michelin. Vor allem im Hinblick auf die Jugend. Den jungen Köchen hat das gezeigt: Egal ob du in Zürich, Bruneck oder Neapel bist, wenn du die Natur um dich herum respektierst, kannst du drei Sterne erkochen.
Im Festival-Programm werden Sie als «Der ethische Koch» angekündigt. Wie muss sich die Gastronomie im Sinne der Ethik heute und in Zukunft verändern?
Norbert Niederkofler: Heiko und ich kommen ja aus einer Generation, in der man vermutlich noch nicht mal gewusst hat, wie man Ethik schreibt. Auf den Umgang bezogen. Ich hatte eine schöne Lehrzeit, die ich nicht missen möchte, aber ich möchte sie heute auch nicht mehr haben. Man muss heute anders denken und eben auch auf die Work-Life-Balance der Menschen achten. Wir müssen viel daran arbeiten, diesen Beruf wieder für junge Leute interessant zu machen. Für mich ist dieser Beruf heute immer noch der schönste überhaupt. Ich wünsche mir, dass junge Leute in die Gastronomie einsteigen und Freude daran haben, an den Themen, die vermittelt werden und vor allem, dass dieser Beruf für sie eine Lebensqualität hat, die für sie Sinn macht.
Die sich häufenden Naturkatastrophen verdeutlichen, wie sehr sich unsere Umwelt verändert. Inwiefern üben diese Entwicklungen Einfluss auf ihre Küche aus?
Heiko Nieder: Wenn das Produkt um die Ecke wächst, bedeutet das natürlich kürzere Wege und weniger Umweltbelastung. Ich gebe zu, wir sind ein internationales Haus, haben viele internationale Gäste und ich liebe es auch mit internationalen Zutaten zu spielen. Wie gesagt, alles, was es bei uns in bester Qualität gibt, das wandert hier auf dem Teller. Der allgegenwärtige Gedanke diesbezüglich spielt schon eine grosse Rolle. Nicht umsonst haben wir das neue Restaurant «blooms», für das wir alles, was wir dort brauchen, selbst ernten oder von lokalen Bauern zukaufen. Auch wir vom «The Restaurant» bedienen uns an den Zutaten, die wir da oben haben. Das sind Früchte, das sind Gemüse und Kräuter. Auf diese Weise versucht man natürlich diese Entwicklungen vielleicht nicht aufzuhalten, aber ein wenig verlangsamen zu können.
Norbert Niederkofler: Bei uns im «Atelier Moessmer» ist für mich eine neue Zeit angebrochen. Wir sind kein klassisches Restaurant mehr, sondern eine Ausbildungsstätte. Wir machen sehr viele Schulungen dort und veranstalten Masterclasses. Das Team ist extrem jung, das Durchschnittsalter liegt bei 26 Jahren, was auch für mich sehr spannend ist, weil es jung hält. Ich glaube einfach, wir müssen an die Zukunft denken, denn wir haben heute 8 Milliarden Menschen auf der Erde, in Bälde werden es sogar 10 Milliarden sein und uns geht bald der Boden aus. Wir müssen versuchen, das Bewusstsein für diese Themen zu schaffen. Ich selbst bin schon 62 und könnte eigentlich sagen, ist mir egal, aber das ist es nicht. Für mich geht es dabei um Verantwortung und um Respekt für die nächsten Generationen.
Im bereits erwähnten Restaurant «blooms» setzen Sie, Herr Nieder, bewusst auf vegetarische und vegane Gerichte. Auch im «The Restaurant» ist das Dinner seit vielen Jahren jeweils in vegetarischer Form zu haben. Werden wir in zehn Jahren noch Kaviar, und Hummer auf Ihrem Menu finden?
Heiko Nieder: Das glaube ich schon. Im «The Restaurant» haben wir schon seit 14,5 Jahren ein rein vegetarisches Menu. Das «blooms» entstand nicht, weil besonders viele Leute bei uns vegetarisch oder vegan essen, sondern viel mehr aus der Lokalität heraus. Es befindet sich in unserem alten Kräutergarten. Solange die Produkte gut sind, finde ich nichts Verwerfliches daran mit ihnen zu kochen. Ich hab immer gesagt, dass es schwieriger ist, im Supermarkt Fleisch zu kaufen, als ein Steak oder ein anderes gutes Stück Fleisch im Gourmetrestaurant zu essen, weil die Produkte dort auf die Teller kommen, viel mehr gehegt und gepflegt werden. Solche Produkte kaufen wir. Grundsätzlich glaube ich, dass es das immer geben wird, weil es immer eine gewisse Schicht von Menschen gibt, die diese Produkte schätzt. Die Frage ist nur das Verhältnis und wie häufig man so was zelebriert.
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